Städtereise-Serie "Bild einer Stadt":Wie tickt ... Tel Aviv?

Städtereise-Serie "Bild einer Stadt": Blick auf das Stadtviertel Neve Tzedek. Und natürlich auf den Strand.

Blick auf das Stadtviertel Neve Tzedek. Und natürlich auf den Strand.

(Foto: imago; Illustration Jessy Asmus)

Gut ist, was neu ist: Die israelische Metropole Tel Aviv verändert sich ständig und bleibt sich damit treu. Tipps zur Stadt des Wandels in der SZ-Korrespondenten-Serie.

Von Peter Münch

Eine Stadt zu bereisen, bedeutet nicht nur Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Sondern einen Blick in ihre Seele zu werfen - und dabei schöne Orte kennenzulernen, die auch Einheimische lieben. Wir haben unsere SZ-Kollegen in fernen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Diesmal erklärt Peter Münch, weshalb Tel Aviver überzeugt sind, in der besten Stadt der Welt zu leben. Und wann sie damit recht haben.

Was ist das Besondere an dieser Stadt?

Tel Aviv ist anders: anders als das hochheilige Jerusalem, anders als der ganze Rest Israels - und anders als gestern. Die Stadt vibriert in einem permanenten Veränderungsprozess. Gut ist, was neu ist. Ständig eröffnen neue Cafés, Restaurants und Clubs, an jeder Ecke wachsen neue Hochhäuser aus dem sandigen Boden. Kreativität entsteht durch Reibung, und weil es so viel Reibungsfläche gibt, ist Tel Aviv die Metropole der Lebenskunst. Gelebt wird immer schnell und gerne schrill, doch all der Hype ums fröhliche Chaos kann nur funktionieren, weil es am Ende doch zwei Konstanten gibt: die Sonne und den Strand.

Und wie ticken die Einwohner?

Die Tel Aviver lieben den Superlativ. Sie glauben, nein sie wissen, dass sie in der besten und aufregendsten Stadt der Welt leben. Sie vergleichen sich höchstens mit New York, und es kümmert sie dabei herzlich wenig, dass sie mit einer Einwohnerzahl von nur 400 000 eher in der Liga von Bochum und Bielefeld spielen. Jeder einzelne Tel Aviver kann mit Bestimmtheit sagen, wo es den besten Kaffee, den cremigsten Hummus oder den frischesten Fisch gibt - nämlich genau dort, wo er/sie immer hingeht. Und ganz ehrlich: Meistens haben sie recht, weil es so viele gute Cafés, Hummus-Läden und Restaurants gibt.

Wohin gehen die Einheimischen ...

  • Zum Frühstücken: Der Morgen beginnt am Kaffee-Kiosk auf einem der Boulevards. Umtost vom Autoverkehr kann man hier in aller ortsüblichen Ruhe den ersten "Cafe Hafuch" genießen, die israelische (und natürlich bessere) Variante des Cappuccino. Wer es üppiger mag, der sollte sich ins Benedict am Rothschild Boulevard setzen und ein herzhaftes israelisches Frühstück mit Omelett und Salat und Hummus und Labaneh (Frischkäse) und, und, und ... bestellen. Frühstück gibt es hier 24 Stunden am Tag.
  • Zum Mittagessen: Viele Cafés und Restaurants bieten vergleichsweise günstige Lunch-Menüs an, doch die Klassiker sind nicht zu schlagen: Falafel oder Shawarma im Pita-Brot. Das ist Fastfood auf höchstem Genussniveau. Zu finden sind die Schnellimbisse fast an jeder Straßenecke, doch unter den vielen Besten sei einer besonders empfohlen: HaKosem (der Zauberer) in der Shlomo HaMelech Street 1.
  • Am Feierabend: Da geht man zum Strand, ins Café oder am besten ins Strandcafé zu einem Sundowner.
  • In der Nacht: Nachts gibt es nur einen Ort, wo man nicht sein sollte: zu Hause. Denn draußen lockt das pralle Leben: im Künstler- und Studentenviertel Florentin mit den unzähligen Bars und ungewöhnlichen Clubs wie dem Teder; in der Lilienblum Street, die auf nicht einmal 300 Metern einen Querschnitt des Tel Aviver Nachtlebens bietet; oder auf dem Flohmarkt von Jaffa, der abends zur Partyzone wird.

Was finden die Menschen in Tel Aviv gar nicht komisch?

Wer an Israel denkt, denkt an den Nahostkonflikt: an Siedlungsbau und Besatzung, an Attentäter und Hamas-Raketen. Wer in Tel Aviv lebt, kann diesem Teil einer insgesamt allerdings doch sehr viel komplexeren Realität natürlich nicht entkommen - aber ignorieren kann man ihn schon, so gut es geht. Der Eskapismus ist die einzige Ideologie, auf die sich hier fast alle verständigen können. Und deshalb schätzt man es gar nicht, wenn Besucher aus fernen Ländern gleich mal erklären, wie der Konflikt zu lösen sei und wer was wann zu tun habe, damit endlich Frieden herrscht.

Und wofür werden sie den Urlauber aus Deutschland lieben?

Tel Aviv schließt keinen aus. Wer mitmacht, ist dabei. Als Deutscher sollte man die Tel Aviver allerdings nicht damit langweilen, dass man aus Städten wie Köln oder so kommt, sondern sich ganz einfach als Berliner zu erkennen geben. Denn Berlin ist immer noch das neue New York. Und wenn man dann noch einen Türsteher kennt im Berghain ...

Autoren

Peter Münch war langjähriger Nahost-Korrespondent der SZ in Tel Aviv - und wechselte nach Wien, um von dort aus über Ungarn, den Balkan und natürlich Österreich zu berichten. Seinen Platz in Tel Aviv nahm Alexandra Föderl-Schmid ein, die dafür Wien verließ, wo sie Chefredakteurin und Co-Herausgeberin des Standard war. Für die Städtereise-Serie machen die Korrespondenten den Tausch noch einmal rückgängig: Hier erklärt Alexandra Föderl-Schmid, wie Wien tickt.

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