Sicherheit an Bord:Wenn Fluggäste ausflippen

A plane flies under rain clouds near Haarlem

Gewitterstimmung, auch an Bord, kommt Airlines teuer.

(Foto: dpa)
  • Fast die Hälfte der Airlines musste wegen Randalierern an Bord schon einen Flug umleiten.
  • Doch nicht an allen Flughäfen werden die Unruhestifter in Gewahrsam genommen.
  • Zudem bleiben Airlines oft auf den hohen Kosten für die außerplanmäßige Landung sitzen.

Von Hans-Jürgen Maurus

Sie werden laut, aggressiv und manchmal handgreiflich. Fluggäste, die andere Passagiere belästigen, die Besatzung attackieren oder sogar das Flugzeug beschädigen. Seit 2007 sammelt der globale Airline-Dachverband Iata Daten von seinen Mitgliedern zu solchen "unruly passengers". Im vergangenen Jahr wurden von 190 Fluggesellschaften etwa 11 000 solcher Vorfälle registriert. 53 Prozent der Iata-Mitglieder meldeten eine zunehmende Zahl von Rowdys an Bord, 40 Prozent der Airlines mussten wegen renitenter Passagiere sogar einen Flug umleiten.

So versuchte etwa im Mai dieses Jahres ein Passagier auf einem Lufthansa-Flug von München nach Vancouver in 11 000 Meter Höhe die Flugzeugtür zu öffnen und zwang den Piloten des Airbus 340-600 zu einer Notlandung in Hamburg. Letzten Monat rastete ein betrunkener Engländer an Bord einer Maschine der Charterfluggesellschaft Condor auf einem Flug von Cancún nach Frankfurt aus. Der 34-jährige Grobian bedrohte ein dreijähriges Mädchen, zog sich komplett aus und attackierte zwei Stewards. Der Pilot musste ausserplanmässig in Jacksonville, Florida, landen.

Wie kann es so weit kommen?

Von Querulanten betroffen ist aber auch die Fluggesellschaft Swiss. Extremes Beispiel: Im September 2012 gerieten zwei chinesische Passagiere auf einem Flug von Zürich nach Peking aneinander, nachdem der Vordermann während des Essens die Sitzlehne nach hinten verstellt hatte. Der Streit eskalierte und endete in einer Prügelei. Ein Flugbegleiter, der den Streit schlichten wollte, wurde ebenfalls attackiert. Der Kapitän entschied, nach Zürich zurückzukehren und den Haupttäter der Polizei zu übergeben.

Laut Iata bleibt es in der Mehrzahl der Vorfälle bei Level 1 der Klassifikation, also verbalen Attacken und Streitereien, die von Flugbegleitern entschärft werden können. In immerhin elf Prozent der Fälle eskaliert die Situation jedoch, und es kommt zu Handgreiflichkeiten oder Schlägereien. Als eine der Hauptursachen gilt der Konsum von Alkohol und Drogen, doch lediglich in 23 Prozent der Vorfälle ist das der Grund. Auch Stresssituationen, Überforderung, lange Schlangen an den Flughäfen oder Verspätungen führen zu Aggressionen, die sich dann an Bord entladen können.

Die Fluggesellschaft Swiss bestätigt, dass Alkohol, Drogen und Medikamente "bei weitem die häufigste Ursache für renitente Passagiere" an Bord sind. Die Swiss setzt daher wie andere Fluggesellschaften auf Prävention, um potenzielle Randalierer frühzeitig zu erkennen. "Wir trainieren und sensibilisieren sowohl das Kabinen- als auch das Bodenpersonal darauf, auffällige Passagiere bereits am Boden zu identifizieren", erklärte eine Swiss-Sprecherin.

Für die Luftfahrtgesellschaften können ausflippende Passagiere teuer werden. Wenn eine Maschine notlanden oder umdirigiert werden muss, kann dies schnell mehr als 100 000 Dollar kosten, sagt Iata-Vizepräsident Paul Steele. In vielen Fällen könnten Raufbolde zudem aufgrund diffuser Rechtslage nicht zu Entschädigungszahlungen gezwungen werden.

Auch die internationalen Richtlinien sind unklar. So fühlt sich die Polizei in Dubai etwa nicht verantwortlich, wenn ein Pilot dort landet, um einen "unruly passenger" loszuwerden. An Bord eines in der Schweiz registrierten Jets gelte aber nach Luftfahrtgesetz das Schweizer Strafrecht, betont die Swiss. Allerdings sei möglich, dass "lokale Behörden eine renitente Person nicht einreisen lassen wollen".

Abhilfe soll daher das Montreal-Protokoll 2014 schaffen. Es soll Regierungen die juristischen Werkzeuge in die Hand geben, um Rowdys hart zu bestrafen. Allerdings tritt es erst in Kraft, wenn mindestens 22 Länder das Protokoll ratifiziert haben - derzeit sind es erst sechs Staaten.

Dieser Text erschien zuerst im Tages-Anzeiger vom 12.12.2016.

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