Reisebücher:Licht aus

Berge unter Sternen

Der schneidende Lichtkegel des Zodiakallichts, vom Hohen Sonnenblick aus fotografiert.

(Foto: Norbert Span)

Gleich drei Bildbände zeigen Berge bei Dunkelheit. Und da gibt es überraschend viel zu entdecken - vom Airglow bis zur Milchstraße.

Rezension von Stefan Fischer

Wann immer es ihnen möglich war, sind Bernd Willinger und Norbert Span zu zweit in die Berge gegangen. So hätten sie, argumentieren sie in ihrem Buch "Berge unter Sternen", effektiver arbeiten können. Die Fotoaufnahmen im Duett waren jedoch auch ein Mittel gegen die Einsamkeit. Nachts in den Bergen, auf sich allein gestellt - das muss man aushalten können. Selbst wenn die Lichter von Innsbruck zu sehen sind, die Zivilisation also in sicherer Nähe ist. Die Zweisamkeit diente demnach nicht zuletzt der Motivation, der Kälte zu trotzen und dem Gefühl der Verlorenheit: Willinger und Span haben Berge fotografiert und den Nachthimmel darüber. Da können einen leicht einmal Gedanken überkommen von der eigenen Bedeutungslosigkeit.

Schnell stellt sich jedoch auch der Eindruck der Erhabenheit ein - bei den Fotografen genauso wie bei den Betrachtern der Aufnahmen. Und weil man nur das sieht, von dem man weiß, wie die beiden Fotografen an mehreren Stellen in ihrem Buch betonen und auch belegen, besteht der Wert von "Berge unter Sternen" auch in den erhellenden Erklärungen. Willinger und Span haben beispielsweise das sogenannte Airglow anfangs für einen Farbfehler auf ihrer Speicherkarte gehalten. Es ist jedoch ein atmosphärisches Phänomen: Die UV-Strahlung der Sonne zerlegt in der Ionosphäre Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle. Wenn sie sich Stunden später wieder vereinigen, senden sie sichtbares Licht aus. In 90 bis 300 Kilometer Höhe leuchtet der Himmel deshalb in Grün, Gelb, Blau und Rot. Visualisieren lässt sich das in Zeitrafferaufnahmen.

Willingers und Spans sehens- wie lesenswertes Buch ist sortiert nach allerlei Lichtphänomenen, die die beiden erklären und spektakulär ins Licht setzen: die goldene und die blaue Stunde, den Erdschattenbogen, Sternschnuppen, das Zodiaklicht und die Strichspuren der Sterne, sogenannte Startrails. "Selbst eine mondlose Nacht ist niemals schwarz", schreiben die beiden. "Die Resthelligkeit resultiert aus künstlichen Lichtquellen, der indirekten Streuung von Sonnenlicht und dem Licht der Sterne, aber auch aus sehr komplexen chemischen Prozessen in hohen Atmosphärenschichten." In der Abgeschiedenheit der Berge kann man die Milchstraße sehen und mitunter mehr als 3500 Sterne.

Ein ganz ähnliches Fotografie-Projekt hat Nicholas Roemmelt über acht Jahre hinweg vorangetrieben. Auch er hat für "Sternbilder" die Alpen bei Nacht fotografiert, mit ästhetisch ebenfalls beeindruckenden Ergebnissen. In einem Punkt unterscheiden sich seine Aufnahmen allerdings von denen Willingers und Spans: Nicholas Roemmelt rückt konkrete Berge stärker in den Fokus. Während sie bei Willinger und Span eher Kulisse sind für den Sternenhimmel darüber und als eine Art Fundament des Bildaufbaus fungieren, zeigt Roemmelt die Berge unter einem Nachthimmel, den Schlern oberhalb der Seiser Alm etwa, den Großglockner oder Castor und Pollux im Wallis.

Kurioserweise gibt es aktuell sogar noch einen dritten Band, der die Berge bei Dunkelheit präsentiert: Der Fotograf Bernd Ritschel inszeniert "Dark Mountains", wobei er sich nicht allein auf die Nachtstunden beschränkt. Er hat auch in Eishöhlen fotografiert, im Nebel, im Angesicht von Gewitterfronten oder in schattigen Winkeln. Es sind Farbaufnahmen darunter, die beinahe wie Schwarz-Weiß-Fotografien wirken. Dass die Erhabenheit eines Bergs nichts mit seiner Höhe zu tun hat, belegt die Gegenüberstellung zweier Aufnahmen, von denen eine den Hohen Fricken im Estergebirge zeigt und die andere den Kang Taiga, einen Sechstausender im Everest-Gebiet. Für alle drei Bücher gilt: Weiter weg von jeglicher idyllischen Werbeästhetik kann Bergfotografie nicht sein.

Bernd Ritschel, Tom Dauer: Dark Mountains. National Geographic Verlag, München 2017. 224 Seiten, 59 Euro.

Nicholas Roemmelt, Eugen E. Hüsler, Marco Barden: Sternbilder. Die Alpen bei Nacht. Verlag Frederking & Thaler, München 2017. 192 Seiten, 40 Euro.

Bernd Willinger, Norbert Span: Berge unter Sternen. Knesebeck Verlag, München 2017. 144 Seiten, 29,95 Euro.

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