Philippinen:Auf den "Treppen zum Himmel"

Philippinen: Die Felder von Batad sind wegen ihrer Bauweise berühmt, die Wege allerdings sind oft schmal und rutschig.

Die Felder von Batad sind wegen ihrer Bauweise berühmt, die Wege allerdings sind oft schmal und rutschig.

(Foto: Margit Kohl)

Die Reisterrassen der Philippinen sind Weltkulturerbe. Doch manche verfallen, weil die harte Arbeit wenig abwirft. Was oft als zerstörerisch gilt, soll sie retten: Tourismus.

Von Margit Kohl

Der Weg in den Himmel ist mühsam, man hätte das wissen können. Es geht aufwärts, Stufe um Stufe, ein steiler, steiniger Weg. Zwischen 700 und etwa 1500 Meter Höhe ragen die Reisterrassen in der zentralen Bergregion der Kordilleren im Norden der Philippinen auf, mit einer Steigung bis zu 70 Prozent. Heißen die Reisterrassen hier "Treppen zum Himmel", weil nicht jeder die Spitze erreichen wird?

Ureinwohner vom Stamm der Ifugao haben diese Kunstwerke bereits vor mehr als 2000 Jahren perfekt in die Hänge gebaut. Im Frühling, bevor die Setzlinge gepflanzt werden, reflektieren die vielen Wasserbecken das Licht wie ein Mosaik aus Spiegeln. Erst im Sommer verändert sich das Bild, und ein sattes Grün kündigt die baldige Ernte an. Die Reisterrassen gelten als so einzigartig, dass die Unesco sie bereits 1995 zum Weltkulturerbe erklärt hat. Neben den Terrassen von Banaue zählen auch die Felder von Batad, Bangaan, Mayoyao, Hapao und Kiangan zu den Welterbestätten.

Von den vielen Reisterrassen weltweit werden gerade sie wegen ihrer kunstvollen Bauweise als die schönsten angesehen. Häufig reichen die Terrassen vom Fuß des Berges bis hinauf zum Gipfel. Als die Spanier im 16. Jahrhundert erstmals in die Region der Kordilleren vordrangen, trauten sie den hier lebenden, einfachen Bauern eine solch meisterliche Anbau- und Bewässerungskultur nicht zu. Sie vermuteten, dass nur Menschen einer längst untergegangenen Hochkultur diese unglaubliche Umgestaltung vollbracht haben konnten.

Manche Ausländer kommen wegen kurioser Traditionen, etwa den hängenden Särgen

Gestützt werden die Reisterrassen von bis zu sechs Meter hohen Lehmziegelmauern; die Wege den Berg hinauf sind schmal und rutschig. Nic Lingan, der Wanderführer, wartet entspannt ein paar Etagen höher, bis alle eintreffen. Dabei ist er mit 60 auch nicht der Jüngste. Lingan hat 16 Jahre als Wachmann in einem Hotel in Banaue gearbeitet, bis ihm sein Arzt mehr Bewegung an der frischen Luft verordnet hat. "Das Beste, was mir passieren konnte", sagt er. Die Gruppe folgt ihm keuchend. Souvenirshops in der Gegend verkaufen T-Shirts mit der Aufschrift: "I survived Batad". Das kleine Dorf mit etwa 1400 Einwohnern liegt tief unten im Talkessel und ist nur zu Fuß erreichbar. Wer hinabsteigt, kann es hin und zurück zum Parkplatz in etwa zwei Stunden schaffen. Viele scheuen das.

Philippinen: SZ-Karte

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Der Gouverneur der Provinz Ifugao, Denis Habawel, hat eine Idee, wie man es den Touristen leichter machen könnte: Er will das Stammesdorf in der Nähe von Batad nachbauen. Ein Besucherzentrum, Übernachtungsmöglichkeiten und ein Helikopterlandeplatz sind vorgesehen. Weil jedoch die Verhandlungen mit Grundstücksbesitzern und dem Straßenbauamt nur schleppend vorankommen, spricht selbst Habawel von einem Langzeitprojekt. Der Nachbau böte den Vorteil, dass die Bewohner in ihrem Dorf mehr Ruhe hätten, die Touristen wiederum bekämen massentaugliche Tänze und Gesänge geboten. Schließlich sieht nicht jeder gern dabei zu, wie aus den Eingeweiden frisch geschlachteter Hühnchen der Reiszyklus bestimmt wird.

Auf der anderen Seite gehen die Einschränkungen für die Dorfbewohner inzwischen so weit, dass auf dem Markt von Baguio, einer Stadt im Norden der Hauptinsel Luzón, der Verkauf von Hundefleisch verboten wurde - mit dem Argument, dass der Anblick geschlachteter Hunde Touristen verschrecke. Wobei die ausländischen Gäste die Hunde ja genauso wenig essen müssen wie Balut, Enteneier mit Küken drin. Wie weit man den Gästen entgegenkommt, ist eine schwierige Frage. Denn manche Touristen kommen ja gerade wegen solch kurioser Traditionen wie der "hängenden Särge" von Sagada. Die Einwohner des Ortes befestigen die Särge an Felswänden, damit die Seelen der Verstorbenen nicht unter der Erde ersticken müssen. Auf diese Weise, so der Glaube, können die Toten kommen und gehen, wann sie wollen.

So hart wie vor 2000 Jahren

Seit 2008 stehen die Reisterrassen auf der Unesco-Liste der gefährdeten Welterbestätten. Eine Kommission hatte festgestellt, dass knapp 30 Prozent der Terrassen nicht mehr bewirtschaftet wurden, weil die Ifugao andere Jobs vorziehen. Seither hat sich einiges verbessert: Lokale Behörden werden beim Versuch, die Terrassen zu erhalten, einbezogen, etliche Komitees und Task-Forces wurden gegründet. Es gibt ökologische Tourismusprojekte, bei denen die Gäste beim Reisanbau mithelfen können. In den Schulen erzählen die Dorfältesten von den Riten und Bräuchen der Ifugao, damit die Kinder die Terrassen als Kulturgut begreifen. Schließlich geht es ja nicht nur darum, den Fortbestand eines Bauwerks zu sichern, sondern den Lebensraum eines Volkes.

Am wenigsten aber profitieren bis heute die Bauern, die sich um den Erhalt der Terrassen kümmern. Da es im Hochland empfindlich kühl werden kann, ist nur eine Ernte pro Jahr möglich. Früher reichte das, um die eigene Familie zu ernähren. Heute aber bekommt ein Bauer für ein Kilogramm Reis selbst auf den lokalen Märkten kaum mehr als einen Euro - der einheimische konkurriert mit importiertem Reis. Im Flachland aber ist der Anbau wesentlich einfacher - hier im steilen Gelände können die Bauern weder mit Wasserbüffeln noch mit Handtraktoren pflügen. In den Bergen sollen deshalb nun besondere Biosorten angebaut werden, die einen höheren Preis erzielen. Außerdem lernen die Bauern, wie sie Fische in den Reisfeldern halten und in Fruchtfolge auch besser bezahltes Gemüse anbauen können.

Doch selbst wenn all das gelingt: Die Arbeit auf dem schwer zu bewirtschaftenden Terrain bleibt so hart wie vor 2000 Jahren. So wandern die jungen Leute weiterhin in die Städte ab, und kaum einer kehrt von dort zurück. "Ich bin froh, dass meine Familie keine Reisfelder hat", sagt Nic Lingan. Mit seinem Job als Wanderführer konnte er seinen Söhnen eine gute Ausbildung ermöglichen. Und von denen wolle heute keiner mehr das klimatisierte Stadtbüro mit dem Schlamm der Reisfelder tauschen.

Nach Angaben der lokalen Tourismusbehörde besuchten im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Touristen die Bergregion der Kordilleren. In das Gebiet der Ifugao kamen rund 70 000 Gäste. Von einer Besucherlawine kann da nicht die Rede sein, selbst wenn kleine Orte wie Batad sicher schnell überfordert sind.

Rosalina Chang-ap ist ganz froh über die Kundschaft, die direkt an ihrer Hütte in Batad vorbeiläuft. Sie webt Taschen, Tücher und Tischläufer nach traditionellen Mustern. Auch das ist eine schwere Handarbeit, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber mit ihren mehr als 90 Jahren will sie sich nicht mehr auf den Reisterrassen plagen. "Die Feldarbeit macht dich bucklig und die Weberei ruiniert deine Augen. Aber hier ist nun mal mein Zuhause", sagt sie und wickelt neues Garn auf. Jüngere Frauen wie Merlyn Bagtuna recyceln inzwischen leere Kaffeepäckchen und andere Verpackungen und flechten diese zu bunten Taschen und Geldbeuteln. Umgerechnet nicht mal zwei Euro will Merlyn Bagtuna für eine Geldbörse haben, an der sie einen halben Tag gearbeitet hat.

So versuchen die Ifugao, in der modernen Welt zu überleben. Sie haben ja auch bereits 400 Jahre spanische, amerikanische und japanische Fremdherrschaft überstanden. Einer ihrer Mythen erzählt von den Göttern, die den Vorfahren einst den Reis schenkten, als die Jagdgründe nicht mehr genug hergaben. Ums Überleben ihrer Kultur macht sich Rosalina Chang-ap daher keine großen Sorgen, schließlich hätten die Götter den Ifugao immer geholfen und vielleicht deshalb nun Touristen vorbeigeschickt. Ob die sich weiter die steilen Stufen hinaufquälen oder demnächst im Helikopter kommen, wird sich zeigen. Vermutlich wussten aber schon die Ahnen der Ifugao, dass Himmel und Hölle manchmal nicht so weit voneinander entfernt sind.

Reiseinformationen

Anreise: Mit Lufthansa von Frankfurt über Bangkok oder Hongkong und weiter bis Manila, Rückflugtickets in der Economy Class ab circa 800 Euro, www.lufthansa.com

Reisearrangement: Der auf individuelle Asienreisen spezialisierte Veranstalter Lotus Travel bietet eine fünftägige Privatreise mit Guide und Fahrer auf Nord Luzon durch das Gebiet der Unesco-Reisterrassen an mit Halbpension im Deluxe-DZ ab 1503 Euro pro Person, Lotus Travel, Baaderstraße 3, 80469 München Tel.: 089/20 20 89 90, www.Lotus-Travel.com

Weitere Auskünfte: www.morefunphilippines.de

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