Katerstimmung in Paris:Oh je, Champs Élysées!

Lesezeit: 2 min

Die Prachtstraße der französischen Hauptstadt hat viel von ihrem Flair verloren: Internationale Ketten verdrängen alteingesessene Geschäfte und Restaurants.

Zum Jahreswechsel erstrahlen die Champs-Élysées in hellem Glanz, und Touristen fotografieren in Scharen die blinkende Lichterflucht zum leuchtenden Riesenrad am Place de la Concorde.

Bildstrecke
:Champs Élysées

Von der Pracht- zur Einkaufsstraße: Auf Paris' berühmter Flaniermeile verdrängen internationale Ketten alteingesessene Geschäfte und Restaurants.

Eine halbe Million Menschen wird die Silvesternacht wieder auf der "schönsten Avenue der Welt" feiern. Doch unter der Woche machen sich die echten Pariser rar. Die alte Schlendermeile hat für sie viel von ihrer Anziehungskraft verloren, weil immer mehr internationale Ketten die alteingesessenen Geschäfte und Restaurants vertreiben.

"Die Avenue der Champs-Élysées steht auf der Kippe", sagt der Bürgermeister des 8. Pariser Arrondissements, François Lebel. "Sie ist nicht mehr außergewöhnlich, aber noch nicht banal."

Drastischer sieht es der Londoner Telegraph: "Mein Gott, die Champs-Élysées werden zur Oxford Street", der von Fast-Food-Ketten und Sportläden verschandelten Londoner Einkaufstraße, klagt das Blatt.

McDonald's bietet hier seine Gerichte im Wettbewerb mit Pizza Pino und Planet Hollywood. Benetton und Gap streiten mit Naf Naf und Lacoste, mit Celio und Zara um die Kunden.

Gerade hat adidas seinen größten Laden auf den Champs-Élysées eröffnet und es damit Nike nachgemacht. Und jetzt drängen Nespresso, Esprit und H&M auf die Prachtallee und suchen sich Platz zwischen den Schauräumen von Mercedes, Peugeot und Toyota.

Doch wo Neues kommt, muss Altes weichen. Esprit wird in die Räume des Restaurants "Les Cascades" ziehen. Die Modekette zahlt laut Pressemeldungen 9100 Euro Jahresmiete pro Quadratmeter für dieses "Schaufenster". Wer bei solchen Preisen mithalten will, der muss Luxuswaren feilbieten wie Cartier oder Louis Vuitton.

Oder er muss die Ausgaben als Werbeinvestition ansehen. Denn mit dem ewigen Touristenstrom und 100 Millionen Besuchern im Jahr bieten die Champs- Élysées den Weltmarken einen hohen Aufmerksamkeitsgrad.

Lokalpolitiker schreiten ein

Jetzt ruft der unaufhaltsam wirkende Trend die Pariser Politiker auf den Plan. Denn der Mythos der Flaniermeile ist in Gefahr. Disney Stores und Marlboro Classics bieten Nachtschwärmern keinen Ersatz für schließende Kinos und Restaurants.

Fast schon verloren wirkt das Restaurant "Le Fouquet's", das als "Ort des Gedächtnisses" gerettet wurde. Das Traditionskino UGC Triomphe will wegen der Mieterhöhung für 2007 schließen. Und auch das Schwesterkino UGC Normandie gleich neben dem berühmten Cabaret Lido hat Probleme. Die Hälfte der vier Millionen Euro Jahreseinnahmen gehe für die Miete drauf, erklärte UGC-Chef Hugues Borgia der Zeitung Le Monde.

Im Januar soll die Stadt Paris ein Vorkaufsrecht bei Geschäftsaufgaben erhalten. Nach einer Studie im Auftrag der Stadt sind bereits 39 Prozent der 332 Geschäfte an den Champs-Élysées Bekleidungsläden. Mehr will Bürgermeister Bertrand Delanoë nicht zulassen.

Bis Mitte 2007 will die Stadt mit der Handelskammer ein Entwicklungsschema für die Champs-Élysées erarbeiten, das auch Sportveranstaltungen und Feste mit einbezieht.

H&M könnte als erster unter dem Kurswechsel leiden: Paris untersagte der schwedischen Modekette, 2008 einen 2800 Quadratmeter großen Laden zu eröffnen, obwohl sie laut Monde schon 20 Millionen Euro an den Vermieter gezahlt hat. H&M kann das Verbot allerdings anfechten. adidas hatte damit Erfolg.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: