Hippe kleine Städteschwestern:Krakau - wunderschön und so bescheiden

Städteschwestern Krakau und Warschau

Man sollte unbedingt mehr nach Polen reisen: Warschau (links) und vor allem Krakau (rechts) sind absolut sehenswert.

(Foto: iStockphoto/Fotolia)

Warum fährt man eigentlich nicht häufiger nach Polen in den Urlaub? Auf diese Frage gibt es nur eine sinnvolle Antwort: Sofort den Städtetrip nach Krakau planen.

Von Sarah Schmidt

Mit Tausenden anderen vor Museen die Füße platt stehen, an völlig überhöhten Hotelpreisen verzweifeln und das klassische Sightseeing-Programm abspulen? Das muss nicht sein, denn es gibt lohnende Alternativen zu den überlaufenen Tourismus-Hotspots Europas. Kleine Städte-Schwestern bieten viel, zu günstigeren Preisen und ohne Anstehen. Für ein entspanntes verlängertes Wochenende sind sie nicht die zweite, sondern die erste Wahl. Wir stellen die schönsten vor.

Krakau statt Warschau

Polen liegt gleich nebenan. Trotzdem führten 2014 nicht einmal zwei Prozent Auslandsreisen aus Deutschland dorthin. Bei Städtetrips und Kurzurlauben taucht das Land gar nicht in der Statistik des Deutschen Reiseverbands auf. Gerade deshalb sollte man einen Trip nach Polen in Erwägung ziehen: Geschichte, Kunst, Kultur und ein interessantes Nachtleben gibt es hier ganz ohne Touristengetümmel.

Ganz anders als die Bewohner von Paris oder Mailand oder auch München, die den Stolz auf ihre Städte mit erhobener Nase herumtragen, wirkt es ein bisschen, als könnten die Polen selbst nicht recht glauben, wie schön sie es in ihren Städten haben.

Die Hauptstadt Warschau schickt sich am stärksten an, wieder aufzusteigen in die Riege der europäischen Reisemetropolen. Hier ist das wirtschaftliche Zentrum, hier geht der Wandel am schnellsten, die Stadt wirkt überraschend urban, schick und modern.

Wer es etwas weniger glatt mag, fährt nach Krakau. Die zweitgrößte Stadt des Landes hat zwar nur etwa halb so viele Einwohner wie Warschau, gilt aber als heimliche Hauptstadt Polens und wird auch als "polnisches Florenz" oder Paris an der Weichsel bezeichnet. Gerade jetzt im Herbst ist beste Reisezeit: Das Wetter ist zumeist trocken und schön, die Hauptsaison lange vorbei.

Anschauen: Drachenhöhlen und Jahrhundert-Geschichte

Krakaus Bewohner sind jung - mehr als ein Viertel der Menschen, die dort leben, studiert. Umso älter ist die Stadt selbst. Vor 20 000 Jahren wurde der Wawelhügel erstmals besiedelt, historischen Funden zufolge von Menschen, der Legende nach von einem Drachen. Nachdem der namensgebende Stammesfürst Krak das Ungetüm erledigt hatte, konnte sich die Stadt als wichtige Metropole, Handelsknotenpunkt und Wissenschaftszentrum etablieren.

Die weitere Geschichte der Stadt im Detail zu referieren, würde zu weit führen - zu bewegt und ereignisreich ist diese. Am Besten, Sie schauen sich alles selbst an: Seit dem Sturm der Tataren im 13. Jahrhundert wurde Krakau nicht mehr nennenswert zerstört. In der Altstadt, die komplett zum Weltkulturerbe gehört, reihen sich Gebäude aus Gotik, Renaissance, Barock und allen späteren Epochen aneinander. Einen guten Überblick bekommt, wer sich am Königsweg orientiert. Die Paradestrecke der siegreichen Adligen führt an den großen Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei, darunter die Wehrtürme, der Marktplatz, die Tuchhallen und die Marienkirche.

Die Route endet auf dem Wawel - auf der geschichtsträchtigen Anhöhe stehen das Königsschloss und die Wawel-Kathedrale. Im Schloss, das im Stil italienischer Palazzi erbaut wurde, warten gleich fünf Museen auf Besucher. Für jede Ausstellung muss ein eigenes Ticket gelöst werden - am beeindruckendsten sind die royalen Repräsentationsräume. Auch der Drachenbau samt bronzenem Bewohner lässt sich besichtigen. Vom Diebesturm aus hat man eine hervorragende Aussicht.

Tuchhallen und sterbende Trompeter

Der Rynek Główny ist das Zentrum der Stadt - und neben dem Markusplatz in Venedig der größte mittelalterliche Marktplatz Europas. Unterirdisch informiert eine multimediale Ausstellung über das Marktleben im Wandel der Jahrhunderte. Geteilt wird die Freifläche von den Tuchhallen - im ersten Stock der überdachten Einkaufspassagen ist eine Abteilung des Nationalmuseums untergebracht.

An der Ostseite des Platzes erhebt sich in gotischer Pracht die Marienkirche. Von hier ertönt stündlich ein Trompetensignal. Und nein, der Bläser ist nicht schwach auf der Brust - das abrupte Abbrechen soll an den tapferen Trompeter erinnern, den einst ein Tatarenpfeil zum Schweigen brachte.

Schlau und grün

Schon seit Jahrhunderten ist Krakau Unistadt. Die Jagiellońska ist (nach Prag) die älteste Universität Mitteleuropas. Das Collegium Maius stammt aus dem 15. Jahrhundert. Neben dem schönen Innenhof können hier astronomische Instrumente von Kopernikus, ein Alchemie-Raum und der älteste Globus, auf dem Amerika abgebildet ist, bewundert werden. Jede halbe Stunde starten Führungen, die Besichtigung des Hofs ist gratis und auf eigene Faust möglich.

Wer Lust auf noch mehr Wissenschaftsgeschichte hat, geht ins Pharmazie-Museum der Universität. Über fünf Geschosse sind alte Labor-Ausrüstung, seltene Instrumente, Dokumente und gleich mehrere Apotheken aus verschiedenen Epochen zu sehen. Vorab sollte man sich über die Öffnungszeiten informieren - nur dienstags ist bis 18.30 Uhr geöffnet, an anderen Tagen nur bis 14.30 Uhr, montags bleibt das Museum geschlossen. Sehenswert sind außerdem die botanischen Gärten der Universität. Zu den Parkanlagen gehören ein Heilpflanzen-Garten und eine Orchideen-Sammlung.

Überhaupt ist die Stadt sehr grün. In fünf Naturschutzgebieten und etwa 40 Parks leben zahlreiche Tier- und Pflanzenarten (hier ein Überblick). Wie wäre es mit einem Spaziergang in den Błonia-Wiesen? Das 48 ha große Gelände ist eine der größten Grünanlagen im Zentrum einer europäischen Großstadt.

Jüdisches Museum und Schindlers Fabrik

Das düsterste Kapitel in Krakaus Geschichte ist mit Sicherheit die Besatzung durch die Wehrmacht und die Ermordung nahezu der gesamten jüdischen Gemeinde. In der Nähe der Stadt waren die drei Konzentrationslager Plaszow, Auschwitz und Auschwitz-Birkenau.

In Krakau selbst informiert das Jüdische Museum Galizien über die Nazi-Gräuel, aber auch über die reiche jüdische Kultur und Geschichte in der Region. Besonders beeindruckend ist die Fotoausstellung "Traces of Memory", die sich jüdischem Leben vor und während dem Holocaust sowie dem Gedenken über die Jahrzehnte widmet.

In Krakau spielt auch "Schindlers Liste", der Film von Steven Spielberg, der auf der wahren Geschichte des Industriellen Oskar Schindler beruht. Gedreht wurde großteils an den Originalschauplätzen. Jetzt gehört die ehemalige Fabrik Schindlers zu einem Museumskonzept, das sich über mehrere Orte erstreckt.

Etwas außerhalb der Stadt kann die Wieliczka besucht werden, das älteste Salzbergwerk der Welt. In Führungen lässt sich das insgesamt 300 Kilometer lange Tunnelsystem erkunden, das sich über neun Ebenen erstreckt. Eine ganze Kirche aus Salz gehört zu den Highlights der Tour. Gerade für Leute mit Allergien oder Hautproblemen ist die Luft im Bergwerk besonders gut - in einem unterirdischen Sanatorium können Wellness- und Kuraufenthalte gebucht werden. Doch Achtung, gerade im Sommer sollte ein Pulli mit unter die Erde: Bei etwa 15 Grad ist es dort doch recht frisch.

Noch ein bisschen Ostblock-Flair gefällig? Die Überreste der Sowjet-Zeiten sind in der Nowa Huta zu bewundern. Die sozialistische Trabantenstadt wurde samt Stahlwerk 1949 aus dem Boden gestampft. Während der Solidarność-Bewegung war der Krakauer Stadtteil und seine Kirche "Arche des Herrn" ein Brennpunkt des Aufstands gegen den Kommunismus. Karol Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II., hatte dort eine seiner frühen Wirkungsstätten.

Anbeißen: Zünftig, kitischig, überraschend

Zur Stärkung vor einem Sightseeing-Tag ist das reichhaltige Frühstücksbuffet im "Kolanko No 6" genau das Richtige. Bei gutem Wetter kann dieses im schön begrünten Hinterhof genossen werden. Bei einem Preis von knapp fünf Euro lohnt sich die All-you-can-eat-Variante allemal.

Essen wie im Museum - das geht im "Pod Gruszka", dem alten Journalisten-Club, im ersten Stock eines alten Stadthauses aus dem 14. Jahrhundert. Hier werden polnische Gerichte unter Kronleuchtern serviert.

Zünftiger geht es im "Polakowski" zu. Schön kitischig können in dem Selbstbedienungsrestaurant Klassiker wie der Schmoreintopf Bigos und Kohlrouladen Zrazyoder geordert werden.

Das "Ariel" im alten jüdischen Viertel Kazmierz lockt mit koscherer Küche und Klezmer-Musik. Während der Dreharbeiten zu "Schindlers Liste" war auch Steven Spielberg hier zu Gast.

Das "Pod Norenami" bringt asiatischen und fernöstlichen Flair nach Krakau. Die Einrichtung ist rustikal-schlicht. Der Fokus liegt auf dem qualititaiv hochwertigen Essen, das von Sushi bis hin zu Ramen und Curry-Gerichten reicht.

Polnische Ravioli und schöne Cafés

Diese Spezialität sollte wirklich jeder Krakau-Reisende probiert haben: Pierogi. Die Ravioli-ähnlichen Teigtaschen gibt es in zahlreichen Varianten. In knapp 30 Versionen von Hühnerleber bis Erdbeer bietet diese das "Pierożki u Vincenta" an - es darf auch gemixt werden.

Polnische Tapas - das klingt nach einem ungewöhnlichen Konzept, das in der "Ambasada Śledzia", der Herings-Botschaft, aber bestens funktioniert. Unter der weiß getünchten Gewölbe-Decke, vor der großen Fensterfront, lässt es sich einmal durch das Spezialitäten-Angebot futtern, darunter Hering in mehreren Variationen. Heruntergespült werden die Snacks mit Wodka.

Ein bisschen versteckt in einem Hinterhof liegt das "Żarówka Cafe": Hier lässt sich eine kleine Auszeit mit Kaffee, Kuchen oder einem Snack genießen, im Sommer sitzt man sehr schön im Freien an kleinen Holztischchen.

Lust auf einen Kaffee oder Tee im Grünen? Im Sommer stehen die Tische des "Meho Cafe" mitten im Garten hinter dem Mehoffer Haus, das zum Nationalmuseum gehört. Auch direkt auf der Wiese darf der Kuchen gepicknickt werden. Bei schlechtem Wetter oder im Winter ist es aber auch im Inneren hell, bunt und nett.

Ausgehen: Wodka und Bier, das lob ich mir

Das Nachtleben von Krakau ist quirlig, abwechslungsreich und entspannt - kein Wunder bei der hohen Studentendichte. Es ist eine von den (zugegebenermaßen zahlreichen) Städten, die von sich behaupten, die höchste Kneipendichte der Welt zu bieten. Wir halten fest: Sich in einer der mehr als 200 Kellerkneipen in der Krakauer Altstadt einen gemütlichen Abend machen, geht immer. Die für deutsche Verhältnisse enorm günstigen Bier- und Wodka-Preise tun ihr Übriges.

Stichwort Bier: Im "Viva la Pinta" werden (unter anderem) die Ale-Kreationen der Hipsterbrauerei Pinta ausgeschenkt, die seit ein paar Jahren die Szene aufmischt. Im Sommer sitzt es sich nett im Biergarten.

Stichwort Wodka: Der Name ist in der kleinen "Wódka Cafe Bar" Programm. Hier werden mehr als 100 Sorten des klaren Kartoffelschnaps' ausgeschenkt - die Kurzen kosten noch nicht einmal einen Euro.

Film-Mekka und Alchemie

Wer nicht selbst Filmschaffender ist, wird überrascht sein, aber Polen hat eine sehr lebendige Filmszene. Ganz in der Nähe von Krakau hat das Alvernia-Studio seinen Sitz, eines der bedeutendsten Filmstudios in Europa. Grund genug, sich während des Städtetrips gemütlich in die samtenen Polstersessel eines Programmkinos sinken zu lassen - in Polen werden Filme zumeist im Original mit Untertitel gezeigt. Mitten in der Altstadt sind das "Ars" und das "Pod Baranmi" zu empfehlen.

In einem ehemaligen Hotel aus Sowjet-Zeiten ist heute ein Kultur-Forum, das "Forum Przestrzenie" untergebracht. Das Konzept ist multifunktional: Restaurant, Café, Bar, Club, Konzert-Bühne - alles in einem. Im Sommer stehen Liegestühle auf der Wiese, abends laufen Filme im Freiluftkino, im Winter wird eine Eisbahn aufgebaut. Auch für Kinder gibt es immer wieder Aktionen. Programm checken oder einfach vorbeischauen.

Das "Alchemia" atmet den intellektuellen Geist vergangener Zeiten. Die Bar im ehemaligen jüdischen Viertel ist herrlich angeschrammelt, blutrote Wände, alte Möbel, gedimmtes Licht. Im Kellergeschoss gibt es regelmäßig Partys und immer wieder auch Live-Konzerte - speziell Klezmer und Jazz.

Wer richtig feiern will, findet in Krakaus Club-Szene bestimmt das Richtige. Indie-Rock und Konzerte gibt es in der "Fabryka". Nostalgie-Gefühle kommen im "Feniks" auf. Und richtig schick wird es im "Frantic".

Und das waren nur die mit "F" am Anfang ...

Krakau kennen Sie schon? Diese Karte zeigt alle anderen Städte der Serie. Klicken Sie auf die Stecknadeln und lesen Sie die besten Reisetipps:

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