150 Jahre Erstbesteigung:"Jede Nacht sehe ich meine Kameraden vom Matterhorn rutschen"

Zwei Seilschaften wollen am 14. Juli 1865 in die Geschichtsbücher eingehen und als Erste ganz oben auf dem 4478 Meter hohen Matterhorn stehen. Es wird ein Wettlauf um Ruhm und Ehre - und um Leben und Tod.

Von Katja Schnitzler

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Matterhorn Zermatt Schweiz

Quelle: AFP

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Das Matterhorn, dieser Berg der Berge, ist so einmalig schön, dass er magisch sein muss. Davon waren die Menschen früher überzeugt und manche sind es immer noch. Einst flüsterte man von Dämonen, die in den steilen Wänden hausten und ungebetene Gäste mit Felsbrocken vertrieben oder töteten. Und ungebeten waren alle Menschen, die hinauf wollten auf den Gipfel des Matterhorns. Doch von den Schauergeschichten ließen sich junge Männer auf der Suche nach Ruhm nicht abhalten. Sie wussten: Es kann nur einen geben, der als Erster ganz oben auf 4478 Metern stehen und in die Geschichtsbücher eingehen wird. Dieser eine wollte Edward Whymper sein, und er war unter Druck.

150 Jahre Erstbesteigung des Matterhorns

Quelle: dpa

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Von der italienischen Seite des Matterhorns machte sich auch eine Seilschaft unter der Leitung von Jean-Antoine Carrel auf, um den Berg zu bezwingen und die Lorbeeren einzuheimsen. Doch Edward Whymper (im Bild) war nicht zu unterschätzen: Der junge Brite hatte als Illustrator die Schönheit der Alpen und seine Leidenschaft fürs Bergsteigen entdeckt. 1864 und im folgenden Jahr hatte der 25-Jährige bereits vier Gipfel als erster Mensch erreicht - nun sollte ihn das Matterhorn weltberühmt machen.

150 Jahre Matterhorn - Zermatt feiert Schönheitskönig der Alpen

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Während heute am Matterhorn ein Bergführer nur einen Kunden sichert und versucht, ihn heil hoch und wieder nach unten zu geleiten, machte sich vor 150 Jahren eine ganze Seilschaft auf den Weg. Die sieben Männer wollten sich in den obersten Passagen gegenseitig abfangen, falls einer ausrutscht. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellte.

Zur Seilschaft gehörten (von links nach rechts) der Zermatter Peter Taugwalder senior, der Franzose Michel Auguste Croz, der britische Reverend Charles Hudson und seine Landsmänner Lord Francis Douglas und Robert Hadow, Edward Whymper sowie Peter Taugwalder junior.

Erstbesteigung des Matterhorns, 1865

Quelle: Süddeutsche Zeitung Photo

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Ihre Route führte die Gruppe am 14. Juli 1865 von Zermatt aus über den Hörnligrat und die Nordwand zum Gipfel. Später fertigte Whymper Zeichnungen von ihrem Kampf gegen den Berg an - und von ihrem Triumph. Hier sind sie beim Aufstieg in der Rinne mit dem bezeichnenden Namen "Steinschlag-Couloir".

Auf dieser Route gehen heute noch die meisten Bergsteiger von Schweizer Seite - allerdings wird statt der Nordwand der leichter zu begehende Schultergrat bevorzugt. Bisweilen mehrere hundert Menschen gleichzeitig unterwegs. Dies hat die Gefahr von herabstürzenden Steinen noch vergrößert, weil Bergsteiger weiter oben sie lose treten.

Matterhorn Zermatt Schweiz Erstbesteigung

Quelle: Gustave Doré/Zermatt Tourismus

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Auf dieser historischen Darstellung erreichen Edward Whymper und seine Begleiter den Gipfel - und geben den Konkurrenten, die sich von italienischer Seite herantasten, mit Siegesgeheul zu verstehen: Sie kommen zu spät. Der Triumph währt nicht lange.

Matterhorn Schweiz Erstbesteigung Seilriss

Quelle: Gustave Doré/Zermatt Tourismus

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Beim Abstieg noch oberhalb der "Schulter" an der Nordwand rutscht Robert Hadow aus, die vorderen vier der Seilschaft stürzen in die Tiefe. An diesem Punkt gehen die Schilderungen auseinander: Edward Whymper beschuldigte später sogar Bergführer Peter Taugwalder senior, das Seil gekappt zu haben, um sich zu retten. Dieser hingegen warf Whymper vor, selbst das dickere Seil kurz vor dem Gipfel zerschnitten zu haben, um lospurten und tatsächlich als Erster den höchsten Punkt erreichen zu können. Danach sei das Seil mit der dünneren Rettungsleine geflickt worden. Die Leine half den Stürzenden nicht. Sie zerriss.

Erstbesteigung des Matterhorns, 1865

Quelle: Süddeutsche Zeitung Photo

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Dies rettete wohl tatsächlich Whymper sowie Vater und Sohn Traugwalder das Leben. Der geschockte Whymper will nach dem Unglück eine mysteriöse Erscheinung im Nebel gesehen haben. Drei der Toten wurden einige Tage später auf dem Matterhorngletscher geborgen, Lord Francis Douglas blieb für immer auf dem Berg.

Später soll Edward Whymper gesagt haben: "In jeder Nacht (...) sehe ich meine Kameraden vom Matterhorn rutschen auf ihrem Rücken, ihre Arme ausgestreckt, in makelloser Reihenfolge bei gleichen Abständen Croz der Führer zuerst, dann Hadow, dann Hudson und zuletzt Douglas. Ja, ich werde sie immer sehen..."

Schweiz feiert Matterhorn-Jubiläum

Quelle: dpa

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Edward Whymper wird auch dieses Zitat zugeschrieben: "Klettere, wenn du willst, aber vergiss nicht, dass Mut und Kraft ohne Besonnenheit wertlos sind und ein kurzer leichtsinniger Augenblick das ganze Lebensglück zerstören kann." Sein Leben hat dieser kurze Augenblick vielleicht geprägt, aber nicht zerstört. Der Ruhm, den er sich so sehr gewünscht hatte, wurde ihm gezollt. Er war der Eine, der als Erster ganz oben auf dem Gipfel des Matterhorns stand.

Und so geht das Zitat noch weiter: "Wir, die wir die Berge erklettern, (...) wissen auch, dass ein entschlossener Wille sich den Weg bahnt, und wenn wir zu unseren täglichen Beschäftigungen zurückkehren, so sind wir für den Kampf des Lebens besser gerüstet und schöpfen aus der Erinnerung neue Kraft und Lebensfreudigkeit."

Im Bild: Eine Plakette erinnert am Hotel Monte Rosa in Zermatt an Edward Whymper

Schweiz feiert Matterhorn-Jubiläum

Quelle: dpa

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Das zerrissene Seil von damals liegt heute im Museum von Zermatt auf einem roten Kissen. Das Schicksal der Erstbesteiger führte zwar zu einer Diskussion um die Risiken, die britische Queen Victoria wollte gar ein Verbot erlassen, damit nicht noch mehr wertvolles englisches Adelsblut am Matterhorn vergeudet würde. Das erweckte erst recht die Neugier und Tatendrang anderer britischer Bergsteiger. Heute sind die Gäste international - und auch die Liste der Toten: Bislang ließen mehr als 500 Menschen am Matterhorn ihr Leben für den Traum vom Gipfel.

© SZ.de/sks/dd
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