125 Jahre Kurfürstendamm:Von Berlins Prachtstraße zum "Buletten-Boulevard"

Während der Teilung Berlins war der Kurfürstendamm das künstliche Herz des Westteils, heute kämpft er um den Anschluss an alte Glanzzeiten.

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125 Jahre Kurfürstendamm

Quelle: 125-jahre-kudamm.de.

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Milchshakes, Cocktails und die Bratwurst frisch vom Grill: Diese Kombination gab es bereits 1928 im ersten Fast-Food-Restaurant auf dem Berliner Kurfürstendamm - lange bevor sich auf dem Ku'damm in den siebziger Jahren die amerikanischen Ketten ansiedelten. Diese und andere Geschichten und Anekdoten erfahren Passanten in der Vitrinenausstellung "Der Kurfürstendamm. 125 Jahre - 125 Geschichten", die bis 16. Oktober entlang des Boulevards zu sehen ist. Am 5. Mai vor eineinviertel Jahrhunderten fuhr die erste Dampfstraßenbahn vom Zoo in den Grunewald und machte die Ost-West-Achse damit zur Straße fürs Volk. Dem wird nun die Historie wieder anschaulich präsentiert - und dabei erklärt, warum der Ku`damm erst mit der Hausnummer elf beginnt.

Die Ku'damm-Chronik: In den beiden Vitrinen vor Ku'damm 231 erhält der Besucher Einblicke in die bewegte Geschichte des Kurfürstendamms.

125 Jahre Kurfürstendamm

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Der Grund dafür ist profan: Seit einer Straßenumbenennung im Jahr 1925 existieren die Nummern eins bis zehn nicht mehr. Warum auch die Hausnummern 77 bis 89 stets fehlten und noch immer fehlen, bleibt bis heute ungeklärt. Der Kurfürstendamm ist ein Ort ...

Male participants in fancy costumes enjoy the Christopher Street Day festival in Berlin

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... der Premieren: Hier fand 1979 der erste Christopher Street Day statt (in Bremen ebenfalls, im Bild: Teilnehmer in Berlin 2005) und zehn Jahre später die erste Loveparade, das größte Kaufhaus Europas, das KaDeWe, eröffnete 1907 seine Tore. Heiß diskutiert wurden 1904 die Attraktionen im Luna-Park: Am Ende einer "Wackeltreppe" wurden Damen durch ein Gebläse der Rock hochgeweht, lange vor Marilyn Monroes berühmten Filmauftritt. Und weil Frauen im Wellenbad des Luna-Parks in der neuesten Bademode tiefe Einblicke gewährten, wurde das Bad von den Berlinern "Nuttenaquarium" genannt.

125 Jahre Kurfürstendamm

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Die Vitrinen sind ein Sinnbild für den Kurfürstendamm: Bereits 1920 standen dort die ersten Schaukästen. Im Rahmen der Olympischen Spiele entschied man sich für eine einheitliche Gestaltung der Straße, der Ku'damm wurde auf seiner ganzen Länge mit Vitrinen bestückt. Nach der starken Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg dienten die Schaukästen der dreißiger Jahre beim Wiederaufbau als Vorbild. Sie sollten die Ladenzeile vom Fußweg abgrenzen und wurden im Laufe der Zeit zum "Schaufenster des Westens". Es kamen immer neue Kästen dazu. Heute schmücken über 300 Vitrinen in den unterschiedlichsten Formen den Ku'damm.

Während der Trennung Berlins war der Kurfürstendamm das künstliche Herz des Westteils, heute kämpft er um den Anschluss an alte Glanzzeiten ...

Vitrine 63, Standort: vor Ku'damm 205: "Heute Nacht oder nie": Was tut der Großstädter in den "leeren Stunden" von elf bis zwei Uhr nachts? Er besucht in der Komödie am Kurfürstendamm die Nacht-Revue, schreibt die Vossische Zeitung 1927. Da tritt die Jazzkapelle Weintraubs Syncopators auf, Friedrich Hollaender sitzt am Klavier und Margo Lion singt mit der jungen Marlene Dietrich im Duett.

125 Jahre Kurfürstendamm

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Im Schaufenster der Juweliere glitzern Diamanten, das Handtäschchen nebenan kostet 1500 Euro und die Namen der Kanzleien sind in edles Metall gestanzt. So präsentiert sich der neue Berliner Westen, gebündelt am nördlichen Kurfürstendamm zwischen Knesebeck- und Giesebrechtstraße.

Kurfürstendamm historisch

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Tourismusexperten sehen die Luxusgeschäfte mit Wohlwollen und glauben an eine Renaissance der gesamten Gegend um den Bahnhof Zoo und die Gedächtniskirche. Stadtforscher zweifeln jedoch, dass dieser Kiez, der zu Mauerzeiten das künstliche Herz Westberlins war, dem alten Zentrum Unter den Linden Paroli bieten kann.

Große Versprechen nach der Währungsreform 1948.

Schlussverkauf

Quelle: dapd

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Stöckelschuhe klackern auf dem oberen Kurfürstendamm, die Pelzmantel-Dichte ist hoch, Hochsteckfrisuren aus gefärbtem Blondhaar sind beliebt. Man spricht russisch, die Limousine wartet. Weiter östlich ist der Ku'damm für alle da, die Kettenläden der Mode- und Schuhhäuser locken die Massen. Hier ist der Boulevard eine normale und umsatzstarke Großstadt-Einkaufsstraße - wären da nicht noch der klangvolle Name und die wechselvolle Geschichte.

Kurfürstendamm historisch

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Sie reicht von den mondänen Anfangszeiten als protziges Großbürger-Quartier zuerst bis in die blühenden, wilden 20er-Jahre. Damals steppte der Bär im Westen, der Osten galt als biederer. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekommt ...

Café auf dem Kurfürstendamm, 1957

Kurfürstendamm historisch

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... der Ku'damm eine neue Funktion: Schaufenster des Westens im Kalten Krieg. Im November 1948 erreichen die Waren via Luftbrücke den Westteil von Berlin.

Kurfürstendamm historisch

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In den späten 60er Jahren wird die Gegend zum Ort erbitterter Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Staat.

Kurfürstendamm historisch

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Nicht alle Proteste waren auf gewaltsame Konfrontation ausgelegt: Unter dem Motto "Man muss den Teufel feiern, solange er los ist" ließen es im August 1967 Mitglieder der Kommune 1 und deren Anhänger auf dem Kurfürstendamm krachen. Anführer waren hierbei Fritz Teufel (links) und der Kommunarde Rainer Langhans.

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Dieses Bild ging um die Welt: Auf dem Kurfürstendamm liegen die Schuhe, das Rad und die Aktentasche von Rudi Dutschke. Am 11. April 1968 hatte der Münchner Gelegenheitsarbeiter Josef Bachmann drei Mal auf den Studentenführer geschossen - Dutschke überlebte nur knapp nach einer Notoperation.

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Nach den wilden Protesten rückte das Amüsement am Ku`damm in den Vordergrund - bis zum Niedergang in den 80er-Jahren: "Buletten- Boulevard" hieß der Ku'damm da abschätzig, voller Billigläden, Fast-Food-Lokalen und Unterhaltung für Schulklassen aus Westdeutschland. Dann fiel die Mauer.

Kurfürstendamm historisch

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Die Ostberliner strömten 1989 auf die Einkaufsmeile, sie wurden mit Gratiskaffee und Schokolade empfangen ...

Kurfürstendamm historisch

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... und mit Sonderangeboten. Nach dem ersten Trubel konzentrierte sich alles auf den Aufbau Ost, in den Kurfürstendamm wurde weniger investiert. Aus diesem Tief hat sich die einstige Prachtstraße langsam aufgerappelt. "Es strömt wieder Geld in den Westen", sagt Burkhard Kieker, Geschäftsführer der Tourismusorganisation Visit Berlin. Der Boulevard könne neben Friedrichstraße und Gendarmenmarkt existieren. "Beides lebt", betont Kieker. Der Berliner Osten sei nun fast fertig saniert und der Blick wende sich wieder nach Westen. Die Galerien, die vielen kleinen Läden in den Seitenstraßen des Kurfürstendamms, das alles sei attraktiv für Berliner und Touristen. Allerdings ziehe der Boulevard ein anderes Publikum an als die neue Mitte.

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Die Flaneure hier sind älter - und sie haben meist eine dickere Brieftasche. Investoren haben den alten Westen schon wiederentdeckt. Direkt neben dem Bahnhof Zoo zieht die Hilton-Luxusmarke Waldorf-Astoria bald in ein neues Hochhaus-Hotel, nahe Erotik-Museum und vielspurigen Straßen. Doch es tut sich mehr.

Ein Model präsentiert ein Modell im Mai 2003 auf dem Kurfürstendamm.

Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Gedächtniskirche Berlin

Quelle: dpa

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Das nahe "Bikini-Haus", zuletzt Berlinkitsch-Meile, wird für viele Millionen Euro geliftet, die Gedächtniskirche saniert. Die Gebäude des Ku'damm Karrees weiter westlich soll Architekt David Chipperfield umgestalten, der im Osten das Neue Museum rekonstruierte. Und im ehrwürdigen Haus Cumberland, vor 100 Jahren erbaut, entstehen Eigentumswohnungen mit Quadratmeterpreisen bis zu 7500 Euro.

Doch der Stadtsoziologe Hartmut Häussermann misst dieser Entwicklung noch keine große Bedeutung bei. "Der Kurfürstendamm ist kaum mehr als hochkreativer Konsum", urteilt der emeritierte Professor der Humboldt-Universität. Die City West zu einer Art zweitem Stadtzentrum zu erheben, das sei "lächerlich". Was dem Kurfürstendamm heute fehlt, sind ...

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... die berühmten Gäste, die dem Boulevard zu seinen besten Zeiten ein Flair des Sehen-und-Gesehen-Werdens verliehen. Es gibt kein "Romanisches Café" mehr, in dem sich Künstler und Intellektuelle treffen. Und das berühmte Café Kranzler, hier zu sehen im Jahr 1960, ist ...

CAFE KRANZLER

Quelle: AP

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... zu einer Rotunde auf einem Bekleidungshaus geschrumpft. Die einstigen Star-Gäste des Kempinski-Hotels Bristol sind fast alle tot, Berlinale-Prominenz tummelt sich heute überwiegend am Potsdamer Platz. Politische Kundgebungen gibt es im Westen selten. Der Ku'damm dient eher als Autocorso- und Jubelmeile nach wichtigen Sportereignissen. Angestaubt finden viele Jüngere die Atmosphäre am Kurfürstendamm. Im besten Sinne konservativ, sagen die Älteren.

Kurfürstendamm

Quelle: picture alliance / dpa

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Ein ruhender Pol sei die Gegend - verglichen mit dem Durchlauferhitzer im Berliner Osten. Im Westen werben Lokale nicht damit, dass sie hip sind, sondern dass es sie vor 40 Jahren auch schon gab. Der Kiez gibt sich gesetzt, nicht gehetzt - und gern auch wieder ein bisschen mondän. In einem Punkt sind sich die Hauptstadt-Experten einig: Die Stadt verträgt dieses Wechselbad der Berlin-Gefühle durchaus.

© dpa, Ulrike von Leszczynski/kaeb/dapd/AFP/dd
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