11. Station: Tonga-Inseln:Am Tag, als der König kam

Typisch Tupou IV.: Der Herrscher der Tonga-Inseln will wissen, wie ein Kreuzfahrtschiff funktioniert.

Klaus Podak

Kommt er? Kommt er nicht? Was passiert, was muss passieren, wenn er wirklich kommt? Kennt sich wer aus mit all dem, was da beachtet werden muss, wenn der König uns besucht?

Das ist Topou IV. Er wollte nicht wieder Gäste in seinem Palast empfangen, sondern bemühte sich selbst aufs Schiff.

Das ist Topou IV. Er wollte nicht wieder Gäste in seinem Palast empfangen, sondern bemühte sich selbst aufs Schiff.

(Foto: Foto: Podak)

Fragen, die schwer diskutiert wurden an Bord der MS Deutschland, tagelang. Am heftigsten natürlich von Kapitän Jungblut und seiner Crew. Die hatten die Sache schließlich selbst angezettelt. Wir Passagiere warteten lammsgeduldig ab. Was hätten wir auch tun können? Zum Glück gab es Michael Brillat.

Unterdessen fuhr unser Schiff durch die schöne Südsee, vorbei an vielen dieser abertausend Inseln mit ihrem saftig lockenden Grün, mit ihren Sehnsüchte weckenden und stillenden Kokospalmen, manche mit schmalen hellen Stränden versehen, kurzen und langen, manche ganz ohne Strand.

Zuweilen umgab uns auch nur Wasser, seemeilenweit. Friedlich zum Glück sogar in dieser Jahreszeit, die doch laut Kalender für die furchtbaren Taifune reserviert ist. Wir sahen, von Fakarava im Tuamotu-Archipel kommend und auf Tahiti zufahrend, von Tahiti (das selbst dazugehört) weiterfahrend, jene Inseln, die Kapitän Cook 1769 auf den Namen "Gesellschaftsinseln" getauft hatte. Denn sie bilden eine Art Gesellschaft: Von der einen aus kann man immer schon die nächste sehen. Später hat man noch ein paar weiter ab liegende dazugezählt.

Druckmittel Abfahrt

Von Raiatea und seinem gemütlichen Hauptstädtchen Uturoa konnte uns der Kapitän nur mit drohender Abfahrt losreißen, so anheimelnd war die kleine, nach allen Seiten hin offene Gaststätte im Hafen mit den Insulanern, die dort einen Geburtstag feierten.

Alle diese Inseln waren vom Tourismus (also auch von uns) längst entdeckt. Es hat ja auch etwas dem Reisenden Willkommenes, wenn er auf Dienste und Bequemlichkeiten nicht ganz verzichten muss. Und die Bewohner der Perlen des Pazifiks können heutzutage vom Verkauf von Kokosnüssen allein nicht mehr leben.

Wir sahen viel, vielleicht viel zu viel - und doch nicht genug. Der deutsche Naturforscher und Schriftsteller Georg Forster, der James Cook auf dessen zweiter Weltumseglung als Illustrator und Pflanzenpräparator begleitete und mit ihm in der Gegend war, hat in seinem klugen Essay "Cook, der Entdecker" die Schwierigkeiten treffend bezeichnet: "Wenn man eine weit ausgebreitete Küste," schreibt er, "oder eine Insel von beträchtlichem Umfange beschifft, so schränken sich alle Untersuchungen auf die wenigen Anlandungspunkte ein; außer ihnen bleibt alles, und hauptsächlich das Innere des Landes unerforscht."

Der Entdeckungsreisende Forster hat hier vor mehr als zweihundert Jahren schon ein Hauptproblem des heutigen Touristen klar aufgemalt. Alles ist zu viel, alles ist zu wenig, die Zeit ist knapp, das Gedächtnis wird immer löcheriger. Um vieles zu behalten, muss man eben vieles vergessen können.

Und immer noch die Frage: Wird er kommen, der König?

Er kam. Es war aufregend. Obwohl er ein Autokrat ist, ein fast absoluter Herrscher. In unseren Breiten würde man ihn vielleicht sogar Diktator nennen. In seinem Reich nicht, auch wenn er dort inzwischen scharfer Kritik, auch Anfeindungen, umstürzlerischem Gedankengut ausgesetzt ist.

Tupou IV., der König der Tonga-Inseln (vom erfreuten James Cook wegen des netten Empfangs "Freundschaftsinseln" genannt) besuchte die MS Deutschland, seine Besatzung und seine Passagiere. Es war wie ein Staatsbesuch. Das schnell zusammengestellte Protokoll- und Empfangskomitee des Schiffs musste immer die Grenzen seiner Möglichkeiten im Blick behalten.

Es schlugen die Stunden des Michael Brillat. Bei jeder Teilreise kommen hier so genannte Lektoren an Bord. Das sind vom "Kreuzfahrtdirektor" engagierte Fachleute, die uns Weltreisende mit Vorträgen und Antworten auf unsere Fragen vorbereiten, auf das, was wir eigentlich sehen können.

Am Tag, als der König kam

Zeit der Lektoren

11. Station: Tonga-Inseln: Listiger Autokrat: der gegenwärtige König der Tonga-Inseln

Listiger Autokrat: der gegenwärtige König der Tonga-Inseln

(Foto: Foto: Podak)

Einer dieser Lektoren sprach den des Merkens würdigen Grundsatz aus: "Man sieht nur, was man weiß." Brillat ist so einer, der weiß, was man sieht. Und er kann es wunderbar plaudernd in andere Köpfe verpflanzen. Er ist ein weit gereister Geograph, Geologe und Bodenkundler, der auf Tahiti lebt.

Brillat übernahm, verschwunden in Beratungsräumen auf dem Schiff, in Telefonzellen an Land, den Hauptteil der diplomatischen Organisation des königlichen Besuchs, als die Idee nun einmal aufgekommen war. Ein Mordsding, das er da stemmen musste. Denn Majestät wollten nicht etwa allein mal so eben an Bord kommen.

Nicht nur seine mächtige Enkelin Lupepa'u Tu'ita sollte mitkommen, sondern auch (die Aufzählung ist unvollständig) die Botschafter Chinas, der USA, Großbritanniens, die Hochkommissare Neuseelands und Australiens sowie selbstverständlich der ebenfalls schwer in die Vorbereitungen verwickelte deutsche Generalkonsul.

Ein Staatsbesuch eben - mit gemeinsamem Mittagessen. Sofort tauchte die Frage der Tischordnung auf. Aus reinen Platzgründen konnten auch nicht alle Passagiere königlich mitessen. Wen ausschließen und warum? Gelöst wurde das so: Alle 66 Weltreisenden und die paar Amerikaner an Bord durften. Vielleicht ungerecht. Aber was sollte man tun?

Majestät und die Schiffe

Interessant auch die Frage: Warum lud uns der eines Rollstuhls bedürftige Monarch - Tupou IV. wird am 4. Juli 85 Jahre alt - nicht bequem in seinen weißen Holzpalast ein, da wir doch schon, nicht weit entfernt von der königlichen Behausung, in seiner Hauptstadt Nuku'alofa im Hafen lagen? Die Lösung des Rätsels erwies sich als einfach. Majestät interessiert sich brennend für moderne Schiffe.

Die MS Deutschland ist eines. So ließ sich Tupou, das Programm umwerfend, nach der feierlichen Begrüßung an Land - er hatte seine Militärkapelle zur blechmusikalischen Unterstützung vorausgeschickt - erst einmal auf die Brücke transportieren, wo ihm der Kapitän die Vorzüge elektronisch gestützter Leitsysteme erläutern durfte.

Dann ging es ins große Schiffsrestaurant "Berlin", wo das ausgeklügelte, mit dem Protokoll penibel abgestimmte Mahl problemlos eingenommen wurde. Es gab dann im "Kaisersaal", an diesem Tag der fast passende Name für eine Stätte, die ansonsten dem puren Amüsement geweiht ist, noch ein kurzes Konzert für den König, dessen Blechbläser sich später heiter revanchierten. Aber da war ihr Chef schon wieder in sein Reich zurückgekehrt. Kapitän Jungblut und die seinen konnten wieder normal atmen.

Tongas letzter Autokrat

Was sollen wir als Ergebnis der hohen Visite verbuchen? Gewiss hat das feierliche Treffen der tongalesisch-deutschen Freundschaft gut getan. Zu Antworten auf weltpolitische Fragen (Irak-Krise) aber war der listige Monarch in Anwesenheit des fast vollständig angetretenen diplomatischen Corps nicht bereit.

Wir Passagiere, festlich gewandet im gottlob gekühlten Restaurant, hatten ein ungewöhnliches, ernsthaftes Vergnügen. Der Gewinner aber war Tupou IV. selbst. Er weiß nun aus belehrter Anschauung, wie ein flottes Kreuzfahrtschiff heute technisch funktioniert.

Übrigens: Füllig ist er schon. Aber längst nicht so dick und rund wie in europäischen Blättern gelegentlich rapportiert wird. In naher Zukunft wird es auf den Tonga-Inseln keine autokratische Monarchie mehr geben. Ob dann Staatsbesuche wie dieser auf Kreuzfahrtschiffen noch vorkommen werden? Wohl eher nicht.

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