Mark Twain: Reiseberichte aus Hawaii:"Reichen Sie mir Ihre Knochen!"

100 Jahre nach seinem Tod feiert Mark Twain mit einer Autobiographie Erfolge - und begeistert sowieso als humorvoller Reiseschriftsteller mit Berichten aus Hawaii.

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Samuel Langhorne Clemens

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Hundert Jahre nach seinem Tod hat der große amerikanische Schriftsteller Mark Twain (1835-1910) einen neuen Bestseller gelandet. Twains Autobiographie wird dem US-Buchhandel aus den Händen gerissen, berichteten US-Medien wie die New York Times und das Nachrichtenmagazin Time. Der Verlag, University of California Press, hatte mit diesem Interesse nicht gerechnet und musste seine Druckerei bereits sechs Mal mit Nachschub beauftragen. Dem Berichten zufolge liegt die Auflage des ersten Teils der Twain-Memoiren jetzt bei 275.000 Exemplaren.

Samuel Langhorne Clemens, Mark Twain

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Twain, mit bürgerlichem Namen Samuel L. Clemens, war bereits zu Lebzeiten als scharfzüngiger Kritiker von Land und Leuten bekannt, der sich nicht scheute, seine politische Meinung kundzutun und soziale Missstände anzuprangern. Er soll die Memoiren bis weit nach seinem Ableben zurückgehalten haben, um sich darin völlig frei und ohne Sorge um Auswirkungen auf seine Familie äußern zu können.

Seine journalistischen und schriftstellerischen Aktivitäten verband Mark Twain mit ausgedehnten Reisen durch Europa, Palästina und die USA. Davon profitieren seine Leser noch heute: Mark Twain beobachtete nicht nur genau, sondern schrieb seine Erlebnisse mit viel, sehr viel Humor und einer bestechend lakonischen Art auf - sei es über schlafende Reittiere, die königliche Familie von Hawaii oder absurde Zeitvertreibe der ersten Touristen.

Mark Twain, Hawaii

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Mit 31 Jahren ist Mark Twain auf die Sandwich Inseln gereist, heute als Hawaii Traumziel von Touristen weltweit. 1866 stieg man dazu nicht einfach in ein Flugzeug, sondern musste sich tagelang auf rauer See durchschaukeln lassen.

Einige amüsante Beobachtungen des großen amerikanischen Autors, dessen Geburtstag sich am 30. November zum hundertfünfundsiebzigsten Mal jährt ...

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Hawaii

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Der Reisebegleiter Brown

"Wir verließen San Francisco nachmittags um vier, allesamt auf die eine oder andere Weise erfüllt - einige waren erfüllt von zärtlichem Bedauern, die Lieben daheim zurücklassen zu müssen, andere waren erfüllt von zunehmender Vorfreude auf eine angenehme Reise und einen belebenden Tapetenwechsel, wieder andere waren erfüllt von Plänen, Handelsbeziehungen zu knüpfen und größere Profite einzustreichen. Die Übrigen waren lediglich von Whiskey erfüllt. Alle außer Brown. Brown hatte ein paar Erdnüsse zu Mittag gegessen, weswegen man ihm schlecht nachsagen kann, er sei lediglich von Whiskey erfüllt gewesen, ohne die Grenzen des Wahrheitsgemäßen schändlich zu überschreiten."

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Seekrankheit

"Ich entdeckte zweiundzwanzig Passagiere, die sich über die Reling beugten, sich übergaben, 'Oh, mein Gott!' riefen und sich erneut übergaben. Brown war auch da. Stets freundlich und zuvorkommend, ging er von einem zum anderen und sagte: 'Gut so - gut so - immer raus damit, reinigt den Magen, bis er blitzblank ist. Man fühlt sich gleich viel besser und stinkt nicht mehr so erbärmlich.'"

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Unterhaltung an Bord

"Auf unserem Vorderdeck hatten wir einen Ochsen angeleint und daneben einen Verschlag mit zwei Schafen und einem Schwein. Diese Tiere sorgten an schönen Tagen für heitere Abwechslung, und wenn es uns möglich war, besuchten wir sie, um sie zu peinigen. Der Ochse hatte immer eine ziemliche Schlagseite. Wenn er es wagte, bei Sturmwetter eine Sekunde lang auf die Beine zu kommen, erwischte ihn das nächste Schlingern des Schiffes 'mit runtergelassenen Hosen', wie Mr. Brown es auszudrücken pflegte, und warf ihn seitwärts auf die Planken. Bei ruhigem Wetter konnte er kaum aufstehen, weil er sich während des Sturms allerhand blaue Flecken und Prellungen eingehandelt hatte."

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Auf dem Schiff vor Honolulu

"Abends schwirren hier jede Menge Moskitos umher. Sie sind ziemlich lästig. Doch ist es für mich überaus befriedigend zu wissen, dass die zwei Millionen, auf denen ich mich vor einer Minute niederließ, niemals wieder summen werden."

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Kleider der Frauen

"Die Eingeborenenfrauen trugen alle das gleiche Gewand - ein leuchtend gefärbtes Wickelkleid von der Größe eines Ballons und mit langen Ärmeln. Dieses Gewand wird vorne und hinten über beide Schultern gewickelt und fällt in großzügigen Falten bis zu den Füßen - selten wird darunter ein Hemd getragen -, und es passt wie ein Zirkuszelt auf den Zeltpfosten."

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Der König - beinahe

"Kapitän Fitch sagte: 'Da ist der König! Der da in der offenen Kutsche. Ich kann ihn schon von Weitem erkennen.' Ich hatte noch nie zuvor einen König gesehen und holte natürlich sofort mein Notizbuch hervor, um Folgendes aufzuschreiben: 'Groß, schlank, dunkel; Vollbart; grüner Gehrock mit breiten Goldbändern an Revers und Kragen; Zylinderhut mit Goldband; das königliche Gewand sieht doch eher wie eine Livree aus; der Mann ist dünner, als ich ihn mir vorgestellt habe.'

Kaum hatte ich alles notiert, bemerkte Kapitän Fitch, dass er den falschen König erspäht hatte - oder eher, dass er den Kutscher des Königs oder eines anderen Edelmannes für den König gehalten hatte. Der König war gar nicht anwesend. Das enttäuschte mich sehr. Später erfuhr ich, dass der gemütliche und leichtlebige König Kamehameha V. (sprich Ka-mei-ahmei-ah) am Vortag auf einer Tonne am Kai gesessen und geangelt hatte. Doch das konnte mich nicht über den Verlust meines Königs hinwegtrösten."

Foto: Statue des Königs Kamehameha / AP

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Tierwelt

"In Honolulu sah ich (...) Katzen - Kater und Kätzinnen, langschwänzige Katzen, kurzschwänzige Katzen, blinde Katzen, einäugige Katzen, schielende Katzen, Katzen mit Silberblick, graue Katzen, schwarze Katzen, weiße Katzen, sandfarbene Katzen, gestreifte Katzen, gescheckte Katzen, zahme Katzen, wilde Katzen, angesengte Katzen, einzelne Katzen, Katzengruppen, Katzentrupps, Katzenkompanien, Katzenregimenter, Katzenarmeen, Katzenheerscharen, Millionen von Katzen, und jede einzelne von ihnen war gepflegt, dick, faul und im tiefsten Schlaf."

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Ernährung

"Obst ist notwendig. Hier spürt man seine Notwendigkeit - ich jedenfalls, obwohl ich mir in San Francisco nichts aus Obst gemacht habe. Ein Dutzend Orangen kosten rund fünfundzwanzig Cent (...). Sie sind so köstlich, dass sie von einigen gern in großen Mengen zum Frühstück verspeist werden. Ich esse jedoch selten mehr als zehn bis fünfzehn am Stück, weil ich übertriebene Fressgier verabscheue."

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Transportschwierigkeiten

"Das Pferd wurde recht friedlich, schien aber in Gedanken versunken. Als ich Letzteres bemerkte, überkamen mich rasch die bösesten Vorahnungen. Ich vermutete, dass dieses heimtückische Tier gerade irgendeinen neuen Unsinn ausheckte, irgendeine Teufelei (kein Pferd hat je über ein Thema so gründlich nachgedacht wie dieses über rein gar nichts). Je länger ich über diesen Umstand nachgrübelte, desto unruhiger wurde ich, bis mir die Geduld riss und ich aus dem Sattel stieg, um nachzusehen, ob das Pferd etwas Wildes im Blick hatte - denn ich hatte gehört, dass das Auge dieses edelsten aller Haustiere überaus ausdrucksvoll sei. Ich kann gar nicht sagen, wie erleichtert ich war, als ich feststellte, dass es nur schlief."

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Bergsteigen mit Pferd

"Wir erklommen einen hundertfünfzig Fuß hohen Berg, der nach oben und unten so steil wie eine Hauswand und mit unzähligen groben Lavablöcken übersät war. Der Weg war vielleicht nicht so breit wie der breite Weg, der zur Verdammnis führt, aber gewiss ebenso gefährlich zu begehen und hatte offensichtlich das gleiche Ziel. (...) Der Weg am Abgrund war manchmal so steil, dass mein Ross aufrecht auf den Hufspitzen stand und sich mit den Vorderhufen festklammerte. Während sein Hinterteil über dem Pazifik schwebte, berührte seine Nase beinahe den Mond. (...) Man könnte meinen, ich hätte Angst gehabt, doch keineswegs. Ich wusste, ich konnte mich gut auf dem Pferd halten, solange seine Ohren nicht abrissen."

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Auf dem Schlachtfeld

"Man konnte alle Arten von Knochen finden, aber keine Schädel. Ein Anwohner erzählte ohne jeden Respekt, kürzlich seien ungewöhnlich viele 'Schädeljäger' hier gewesen - eine Art Sportsmann, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Die Gespräche nahmen an dieser Stelle einen sonderbar gespenstischen Ton an. Ein Gentleman sagte: 'Reichen Sie mir Ihre Knochen, Miss Blank. Ich trage sie für Sie.' Ein anderer sprach: 'Sie haben so wenig Knochen, Mrs. Blank. Vielleicht hätten Sie gern dieses prächtige Schienbein?' "

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Fremde Sitten

"So mancher Finger unterschiedlichster Herkunft wird in dieselbe Schüssel gesteckt und mischt seinem wertvollen Inhalt mancherlei ungewollte Zutaten bei und sorgt so für neue Geschmacksvariationen. Ein großer Herr, der nichts als ein schmutziges und fettiges Hemd am Leib trug, steckte den Finger in das poi, kostete es, schüttelte den Kopf, kratzte sich nachdenklich mit demselben Finger, nahm eine zweite Probe, kämmte sich durchs Haar, entdeckte etwas und aß es, kostete erneut, wischte sich mit der nützlichen Hand den öligen Schweiß von der Stirn, kostete noch einmal, schnäuzte sich ...'Gehen wir weiter, Brown', sagte ich, und wir gingen."

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Tanzabend

"Der Hula-Hula wurde von einer Gruppe Mädchen vorgeführt, die so gut wie nichts am Leib trugen und ohne erkennbare Regeln eine unendliche Vielzahl von Bewegungen und Figuren zur Schau stellten. Doch ihr 'Takt' war so genau und so perfekt abgestimmt, dass sie, als sie in einer geraden Linie standen, ihre Hände, Arme, Beine, Körper und Köpfe schwenkten, wiegten, gestikulierten, beugten, neigten, wirbelten, wanden, drehten und wallten, als seien sie alle Teil ein und derselben Person, und man konnte kaum glauben, dass sie nicht allesamt durch eine raffinierte Maschine in Einklang gebracht wurden."

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Badetag

"Zu Mittag bemerkte ich eine Schar nackter junger Eingeborenendamen, die im Meer badeten, und ging hinunter, um sie mir anzusehen. Doch mit einer Prüderie, die für dieses Geschlecht überall typisch ist, sprangen sie mit einem verlogenen Schrei ins Wasser, und als sie wieder auftauchten, hielten sie nur den Kopf über die Oberfläche und schienen nicht geneigt, weiter herauszukommen. Ich war von diesem Verhalten natürlich verärgert, stapelte ihre Kleider auf einem Felsen am Strand, setzte mich darauf und ließ die Mädels zappeln, bis sie völlig erschöpft waren.

Ich hatte sie im Sack, wie die Missionare sagen. Ich saß bequem und ließ sie betteln. Ich dachte, irgendwann würden sie kalte Füße bekommen, aber ich hatte mich getäuscht. Schließlich gab ich auf und ging fort, in der Hoffnung, dass sie meinen Tadel verstanden hatten. Ich ging fort, zog mich aus und sprang selbst ins Wasser. Da kamen sie heraus. Ich habe noch nie eine so verdrehte Dickköpfigkeit erlebt."

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Im Feenreich

"Einzelne Abschnitte unserer kleinen Reise waren von herrlichen Blumen und Blüten geziert. Immer wieder durchquerten wir kleine, von niedrigen Klippen begrenzte Mulden, die von saftigstem Gras bedeckt waren und in denen Sträucher und kleine Bäume wuchsen, deren Laub smaragdgrün schimmerte. (...) Das satte Grün dieser Feengärten wurde nur durch die prachtvoll karminroten Blütenbüschel des Ohiabaumes unterbrochen und variiert. Es fehlte nichts außer den Feen."

Alle Zitate stammen aus dem Buch "Mark Twain - Post aus Hawaii", herausgegeben und übersetzt von Alexander Pechmann, mareverlag GmbH.

Foto: AP

(sueddeutsche.de/kaeb/beu)

© sueddeutsche.de/dpa/dd
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