SZ-Gesundheitsforum

Cannabis zwischen Gut und Böse

Immer mehr Menschen konsumieren Cannabis als Rauschmittel oder als Medikament. Doch wie gefährlich oder hilfreich sind die Substanzen aus der Hanfpflanze wirklich? Das SZ-Gesundheitsforum beantwortet die wichtigsten Leserfragen zum gesundheitlichen Risiko der Droge, zur Debatte um eine Legalisierung und zum Einsatz in der Medizin.

Von Christina Berndt und Franziska Dürmeier

Cannabis als Droge

Schon seit Jahrtausenden wird die Hanfpflanze als Rauschmittel genutzt. Denn ihre Inhaltsstoffe haben eine entspannende, beruhigende, aber auch stimmungssteigernde und wahrnehmungsverändernde Wirkung. Diese geht vornehmlich von der Substanz THC (Tetrahydrocannabinol) aus, die sich nur in Bestandteilen der weiblichen Pflanze findet. Von dieser werden meist die getrockneten Blütenblätter (Marihuana) oder das Harz (Haschisch) verwendet. Der Wirkstoff CBD aus der Hanfpflanze gilt dagegen als Gegenspieler des THC. Doch so alt die Tradition des Cannabis-Konsums auch ist: Die Droge ist inzwischen eine andere geworden. So hat sich der THC-Gehalt in Cannabis allein in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, deshalb ist das Cannabis von heute nicht mehr mit der Droge der 1970er-Jahre zu vergleichen. Zudem ist der Konsum stark gestiegen - in den vergangenen Jahren fast um das Doppelte. Psychologen und Psychiater warnen zunehmend vor den Folgen für die seelische Gesundheit. Wie Cannabis im Gehirn wirkt, wer besonders vulnerabel ist und ob es Cannabistote gibt:

Wieso wird der heute höhere THC-Gehalt im Cannabis oft als Problem bezeichnet? Müssen die Konsumenten nicht einfach weniger dosieren?

Der Cannabis-Wirkstoff THC erzeugt einen Rausch, es passiert also etwas im Gehirn. Kann es da sein, dass Cannabis keinerlei Auswirkungen auf die Psyche hat, wie manche Studien behaupten?

Wie schädlich ist der Cannabis-Gebrauch für das erwachsene Gehirn? Ist bereits der erste Joint schädlich?

Wie groß ist das oft angeführte Psychose-Risiko von Cannabis-Nutzern im Vergleich zu Leuten, die regelmäßig Alkohol bzw. Psychopharmaka zu sich nehmen?

Gibt es genetische Unterschiede, die vulnerabler für die Folgen von Cannabis machen?

Ist die These der Einstiegsdroge wissenschaftlich haltbar?

Warum werden diese Pflanze und ihre Derivate so verteufelt? Ist es richtig, dass dies seit gut 90 Jahren geschieht? Und hängt das mit Harry Anslinger zusammen, der der Pharmaindustrie (DuPont) nahestand und Angst vor Beschäftigungslosigkeit wegen des Endes der Alkoholprohibition hatte?

Wie viele Menschen sterben an Hanf?

Legalisierung von Cannabis 

In Deutschland ist der Besitz von Cannabisprodukten nach dem Betäubungsmittelgesetz verboten und kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Der Konsum an sich ist aber erlaubt. In der Regel werden Strafverfahren bei "Kleinstmengen" nicht weiterverfolgt. Befürworter einer Legalisierung argumentieren oft, dass Alkohol weitaus gefährlicher sei und gerade die Kriminalisierung zu einem unkontrollierten Markt führe. Was davon zu halten ist, welche Auswirkungen eine Legalisierung in anderen Ländern hatte und welchen Ursprung das Cannabisverbot hat:

Es gibt nun etliche Länder und US-Bundesstaaten, die Cannabis legalisiert haben. Haben sich die Befürchtungen zum vermehrten Konsum unter Jugendlichen dort bewahrheitet?

Gibt es in Ländern und Bundesstaaten, die Cannabis legalisiert haben, mehr gesundheitliche Probleme oder auch Einweisungen in Psychiatrien?

Sind Prohibition und Jugendschutz gleichzeitig möglich?

Warum wurde Cannabis ursprünglich verboten?

Warum wird der Verkauf von Drogen Kriminellen überlassen?

Bestehen aktuell gesetzgeberische Diskussionen darüber, die Strafbarkeit des Besitzes/Erwerbs zu dekriminalisieren und als Ordnungswidrigkeit auszugestalten?

Warum bleibt Cannabis weiterhin verboten, obwohl es in den Parteien durchaus Legalisierungsbefürworter gibt und der Cannabiskonsum unter jungen Leuten in Deutschland trotz des Verbots weiter gestiegen ist?

Was ist Ihrer Meinung nach das effektivste bzw. schlagfertigste Argument, um die Bundesregierung von einer "gerahmten" Legalisierung zu überzeugen?

Aus dem durchs Grundgesetz garantierten Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung leitet sich das Recht auf Wagnis ab, mit dem man beispielsweise ein Motorrad kaufen kann, obwohl Autos viel ungefährlicher sind. Bezieht man diese Logik auf die Substanzen Alkohol und Cannabis, besteht dann nicht ein immenses Missverhältnis?

Weshalb ist nicht einmal der Eigenanbau für Patienten möglich – nicht einmal, wenn es sich nur um Nutzhanf handelt, der keine berauschende Menge an psychoaktiven Cannabinoiden beinhaltet? Hier wird oft argumentiert, man könne (wenn auch mit unaufbringlich hohem Aufwand) das restliche THC aus dem Nutzhanf extrahieren... Aber ist das Verbot somit gerechtfertigt?

Warum sind Drogen steuerfrei?

Cannabis und Strafverfolgung im Straßenverkehr

Wer unter der Wirkung von Cannabis fährt, muss mit Geldstrafen oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. In der Folge kann auch der Führerschein entzogen werden. Doch welcher Abstand zwischen Konsum und Fahren ist bedenklich, weshalb werden Alkohol und Cannabis am Steuer ganz anders geahndet - und wann gilt man als fahruntüchtig?

Wann sind ein Einsatz mit Maschinen und das Führen von Kraftfahrzeugen unbedenklich, wenn Tage vorher Cannabis konsumiert wurde, und wie unterscheidet sich der Abbau von Cannabis zu Alkohol im Körper?

Stichwort Fahrtüchtigkeit: Wenn ich am Wochenende einen Vollrausch habe, komme ich am Donnerstag drauf ohne Probleme durch eine Polizeikontrolle. Tage nach dem Kiffen ist THC aber immer noch im Blut nachweisbar – und man kann schwer bestraft werden. Ist das nicht ungerecht?

Könnte hier nicht ein Hanfmerkmal auf EU-Führerschein Klarheit und vor allem endlich Rechtssicherheit schaffen?

Wann kommt ein Ausweisdokument für die Menschen, die Cannabis als Medizin nehmen? Immer noch verlieren Cannabis-Patienten ihren Führerschein. Dabei hat die Bundesregierung 2017 bestätigt, das Cannabis-Patienten unter Medikation am Straßenverkehr teilnehmen dürfen.

Cannabis als Medikament

Seit März 2017 ist der Einsatz von Cannabis und seinen Wirkstoffen in Form von Arzneimitteln gesetzlich geregelt: Die Droge darf in Einzelfällen bei schwerwiegenden Erkrankungen von Ärzten verschrieben werden, etwa um Schmerzen zu lindern. Cannabis wird in der Medizin in Form von getrockneten Blüten, Extrakten oder auch als Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon verabreicht. In welchen Fällen wird Cannabis verschrieben, wirken die im Handel verfügbaren CBD-Öle und wann übernimmt die Krankenkasse Kosten?

Ich bin an einer Colitis Ulcerosa (CED) erkrankt und konsumiere seit zwei Jahren täglich Cannabis, da ich dadurch Appetit bekomme und essen kann. Auch reduziert Cannabis die Anzahl der Magenkrämpfe. Mein Arzt weigert sich trotzdem, mir medizinisches Cannabis zu verschreiben, obwohl ich bereits einige Immunsuppressiva ausprobiert habe, die nur Teilerfolge gebracht haben. Wie kann das sein?

Weshalb stellt so gut wie kein Neurologe einem MS-Patienten ein Cannabis-Rezept aus? Das geschieht in der Regel erst, wenn die Patienten zu 100 Prozent austherapiert sind.

Ich selbst wurde 10,5 Jahre lang mit teils starken Pharmazeutika gegen meine Depressionen, Autismusspektrumstörung und Angststörungen erfolglos behandelt. Die gewünschte Wirkung blieb aus; dafür quälten mich heftige, zum Teil persönlichkeitsverändernde Nebenwirkungen, die sogar zu suizidalen Verhalten geführt haben. Wie kann die Verschreibung von solch harten Medikamenten verantwortet werden, während Cannabis eine sicherere Alternative darstellt?

Könnte auch eine 13-Jährige mit starken Regelschmerzen Cannabis nutzen – oder gibt es ein Mindestalter für die Anwendung von medizinischem Cannabis?

Ich habe eine Muskelkrankheit, die starke Schmerzen und Krämpfe auslöst. Seit ich Cannabisextrakte und Blüten nehme, brauche ich keine einzige Schmerztablette mehr. Ich kann schlafen, zur Arbeit gehen und für meine Familie da sein. Trotzdem übernimmt meine Krankenkasse die Kosten nicht. Wie kann das sein?

Was kann ich tun, wenn meine Krankenkasse die Kostenübernahme für Cannabis ablehnt?

Ich nehme seit einem halben Jahr zweimal täglich CBD-Öl als Kapseln ein. Mir hilft es, meine Depersonalisation, Derealisation und mein selbstverletzendes Verhalten in den Griff zu bekommen – und das ohne Nebenwirkungen. Ich kann ohne Panikattacken öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Ich fühle mich auch unter Menschen wohler und spreche mehr. Wieso musste ich über einen illegalen Weg eine Medizin finden, die endlich hilft?

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