Wie Fische ihre Punkte bekommen...

... und die Zebras ihre Streifen

Wie Tiere aussehen, wird nicht nur durch die Gene bestimmt.

Sie verdanken ihre Muster einem physikalischen Effekt, der auch Menschen beim Wäschewaschen hilft.

Wie Fische ihre Punkte bekommen...

... und die Zebras ihre Streifen

Wie Tiere aussehen, wird nicht nur durch die Gene bestimmt.

Sie verdanken ihre Muster einem physikalischen Effekt, der auch Menschen beim Wäschewaschen hilft.

9. November 2023 - 3 Min. Lesezeit

Zebras und Tiger tragen Streifen, viele Kühe sind gefleckt, tropische Fische haben leuchtend bunte Punkte: So mannigfaltig die Tierwelt ist, so verschieden sind die Muster, die in ihr auftauchen. Manche Zeichnungen dienen der Tarnung, andere sollen Partner zur Fortpflanzung anlocken. Längst haben Tiermuster auch Einzug in die Modewelt der Menschen gehalten, man denke nur an Wäsche in Leoparden-Print. Doch erst jetzt können Forscher im Detail erklären, wie Fellzeichnungen wie diese entstehen.

Dass zufällige genetische Mutationen ein Faktor sind, das ist bekannt. Solche Veränderungen können dazu führen, dass sich ein bestimmtes Aussehen evolutionär durchsetzt, etwa weil sich durch farbenprächtige Muster Sexualpartner beeindrucken lassen. Doch wie nun die Forscher Benjamin Alessio und Ankur Gupta von der University of Colorado Boulder im Fachblatt Science Advances berichten, spielen bei der Entstehung der Muster auch physikalische Vorgänge eine Rolle – und zwar dieselben Diffusionsprozesse, die dabei helfen, Schmutz aus dreckiger Kleidung zu waschen.

Unter Diffusion versteht man den Ausgleich von Konzentrationsgefällen. Wird etwa Kochsalz in Wasser gegeben, löst sich das Salz auf, und der gelöste Stoff verteilt sich in der Flüssigkeit. Beim Wäschewaschen entsteht nun ein Sonderfall, denn es gibt – abgesehen von der Wäsche selbst – drei Komponenten: das Wasser, die Seife und die Schmutzpartikel. Die Seife erzeugt dabei ein Konzentrationsgefälle zwischen seifenreichem Wasser in der Nähe der Kleidung und dem übrigen, seifenärmeren Wasser. Und dieses Gefälle beeinflusst auch die Schmutzpartikel: Sie wandern dorthin, wo die Seifenkonzentration geringer ist.

Dieser Spezialfall der Diffusion, der bei Mischungen aus drei oder mehr Komponenten auftritt, wird auch als Diffusiophorese bezeichnet. Den Studienautoren zufolge spielt dieser Fall auch beim Heranwachsen von Tierhäuten eine große Rolle. Eine entsprechende Theorie hatte bereits in den 1950er-Jahren der britische Mathematiker Alan Turing formuliert, der unter anderem für die Entschlüsselung der „Enigma“-Chiffriermaschine der deutschen Wehrmacht bekannt ist. Demnach sorgen bestimmte Moleküle in den Hautschichten dafür, dass Farbpigmente durch ein Konzentrationsgefälle diffundieren und sich an manchen Stellen verstärkt ansammeln.

In ihrer Untersuchung von Turings Hypothese konzentrierten sich die Wissenschaftler auf tropische Fische, insbesondere auf Schmuck-Kofferfische (Aracana ornata), deren Männchen sowohl Querstreifen als auch auffällige sechseckige Flecken zur Schau stellen. Sie versuchten, die Bildung eines solchen Musters mit Simulationen nachzuahmen. Dazu nutzten sie die von Turing aufgestellten Gleichungen.

Es zeigte sich aber, dass allein auf klassischer Diffusion beruhende Simulationen keine scharf umrissenen Muster liefern (siehe unteres Bild).

Es waren aber gerade die Kontraste im Muster eines Schmuck-Kofferfisches – einen solchen hatte Erstautor Benjamin Alessio in einem Aquarium beobachtet –, die den Forscher auf den richtigen Gedanken brachte. 

Alessio und Gupta passten ihre Simulationen an und fanden heraus: Die Diffusiophorese liefert nicht nur ein größeres Konzentrationsgefälle, sondern ergibt auch kontrastreichere Muster (siehe mittleres Bild), die der tatsächlichen Maserung des Fisches (oberes Bild) nahekommen.

Es zeigte sich aber, dass allein auf klassischer Diffusion beruhende Simulationen keine scharf umrissenen Muster liefern (siehe unteres Bild).

Es waren aber gerade die Kontraste im Muster eines Schmuck-Kofferfisches – einen solchen hatte Erstautor Benjamin Alessio in einem Aquarium beobachtet –, die den Forscher auf den richtigen Gedanken brachte. 

Alessio und Gupta passten ihre Simulationen an und fanden heraus: Die Diffusiophorese liefert nicht nur ein größeres Konzentrationsgefälle, sondern ergibt auch kontrastreichere Muster (siehe mittleres Bild), die der tatsächlichen Maserung des Fisches (oberes Bild) nahekommen.

Genetische Einflüsse wären die Grundlage für biochemische Reaktionen, die zur Entstehung von Streifen oder Flecken führten, erklärt Ankur Gupta. Die Diffusiophorese leiste dann den entscheidenden Beitrag dazu, dass sich scharf abgegrenzte Strukturen in den Mustern zeigen. „Kurzum: Die Genetik bestimmt, ob ein Tier Muster entwickelt, aber die Diffusiophorese bestimmt darüber, wo genau die Streifen oder Punkte auftauchen.“

Text: Andreas Jäger, Digitales Storytelling und Bildredaktion: Niklas Keller