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Zugegeben, die Auswahl wird diesem Sommer nicht gerecht. Denn eigentlich war dieser Sommer ein großartiger Sommer: Laue Abende auf dem Balkon, monatelang bestes Badewetter zwischen Boden- und Ostsee. Und Sonnenschein, so viel Sonnenschein.

Doch auch dann, wenn der Sommer besonders schön war, auf der Parkbank mit einer Kugel Eis, beim Baden im warmen Bergsee oder bei einem Bier vor der Kneipe, auch dann kam die Frage auf: Ist das normal?

Und wenn dann beim Spaziergang durch Berlin das Inferno aus Brandenburg zu riechen war oder beim Radeln entlang der Elbe nur noch vertrocknete Felder zu sehen waren, dann wurden die Fragen drängender: Ist das noch Wetter - oder schon Klimawandel? Ist das der Anfang von dem, was bislang vor allem die Polkappen und die Bewohner ferner Südseeinseln berührt hat?

Der Deutsche Wetterdienst bilanziert den Sommer 2018 erst einmal nüchtern: “Außergewöhnlich warm, trocken und sonnig”.

Dabei muss die erste Frage in diesem Jahr eigentlich lauten: Was heißt hier überhaupt Sommer? Denn das vielleicht Außergewöhnlichste an diesem Sommer ist, dass er schon im April begonnen hat.

Die grauen Linien auf dem Diagramm zeigen, wie warm es in Deutschland in der Referenzperiode zwischen 1961 bis 1990 war. Die rote Linie zeigt den Sommer 2018.

Anfang April lagen die Temperaturen vielerorts noch um den Gefrierpunkt. Gut eine Woche später freuten sich die Karlsruher schon über 25,2 Grad.

Anfang Juni steht dann fest: Die Frühlingsmonate April und Mai waren in diesem Jahr so heiß wie nie zuvor in den vergangenen 147 Jahren - und wärmer als früher mancher Sommermonat.

Bei 17,2 Grad liegt der bundesweite Temperaturdurchschnitt zwischen April und August. Das sind 3,6 Grad über dem Wert der gängigen Referenzperiode zwischen 1961 bis 1990. Und was noch erstaunlicher ist: Der Fünf-Monats-Sommer von 2018 ist 0,9 Grad wärmer als der eigentliche Sommer von Juni bis August damals war.

“Es war, als ob ein Schalter umgelegt wird”, sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst. Der Meteorologe macht einen schroffen Übergang zweier Großwetterlagen dafür verantwortlich, dass der Winter fast nahtlos in den Sommer übergegangen ist: Zunächst strömte kalte Polarluft aus Richtung Nordwesten nach Deutschland. Mit einem Mal dann heiße Luft aus dem Südwesten.

Und Friedrich sieht noch eine Besonderheit in diesem Jahr: Der Frühling sei üblicherweise die wechselhafteste Jahreszeit, auf warme Tage mit viel Sonnenschein folgen auch gerne mal wieder Schnee und Eis. “Doch dieses Jahr blieb es einfach beständig sommerlich.”

Und das in ganz Deutschland.

So sieht die Temperaturverteilung eines Aprils in Deutschland im Vergleichszeitraum zwischen 1961 und 1990 aus: In weiten Teilen Deutschlands liegen die Temperaturen im Durchschnitt zwischen 6,8 und 8,0 Grad Celsius. Nur entlang des Rheins werden durchschnittlich mehr als zehn Grad erreicht.

Und das ist das Bild für den April 2018: Mit 12,4 Grad Celsius liegt der Temperaturdurchschnitt um 4,9 Grad über dem langjährigen Durchschnittswert von 7,4 °C. Ohlsbach, südöstlich von Offenburg, verzeichnet schon am 22. April den ersten heißen Tag des Jahres - das Thermometer erreicht 30,4 Grad.

Und das ist das Bild für den April 2018: Mit 12,4 Grad Celsius liegt der Temperaturdurchschnitt um 4,9 Grad über dem langjährigen Durchschnittswert von 7,4 °C. Ohlsbach, südöstlich von Offenburg, verzeichnet schon am 22. April den ersten heißen Tag des Jahres - das Thermometer erreicht 30,4 Grad.

Auch im Mai ist der Unterschied zwischen der Vergleichsperiode und dem Jahr 2018 noch enorm. Mit 16,0 Grad Celsius liegt der Temperaturdurchschnitt um 3,9 Grad über dem Wert der Referenzperiode. Lingen meldete am 29. Mai 34,2 Grad. Rund um Berlin und in Frankfurt am Main fiel das Thermometer in der letzten Maiwoche selbst nachts teilweise nicht mehr unter 20 Grad Celsius. Derartige “Tropennächte” kommen normalerweise erst im Juli oder August vor.

Auch im Mai ist der Unterschied zwischen der Vergleichsperiode und dem Jahr 2018 noch enorm. Mit 16,0 Grad Celsius liegt der Temperaturdurchschnitt um 3,9 Grad über dem Wert der Referenzperiode. Lingen meldete am 29. Mai 34,2 Grad. Rund um Berlin und in Frankfurt am Main fiel das Thermometer in der letzten Maiwoche selbst nachts teilweise nicht mehr unter 20 Grad Celsius. Derartige “Tropennächte” kommen normalerweise erst im Juli oder August vor.

Ein ähnliches Bild ergibt sich im Juni, Juli und August: Das Jahr 2018 liegt in Dunkelrot deutlich über den Werten der Referenzperiode - und das in ganz Deutschland. Bernburg an der Saale verzeichnet insgesamt zwölf Tage mit mehr als 35 Grad und mit 39,5 Grad den höchsten Wert des Jahres in Deutschland.

Ein ähnliches Bild ergibt sich im Juni, Juli und August: Das Jahr 2018 liegt in Dunkelrot deutlich über den Werten der Referenzperiode - und das in ganz Deutschland. Bernburg an der Saale verzeichnet insgesamt zwölf Tage mit mehr als 35 Grad und mit 39,5 Grad den höchsten Wert des Jahres in Deutschland.

Der Juli.

Der Juli.

Der August.

Am extremsten war der Sommer wohl Ende Juli und Anfang August in Frankfurt am Main: Mit durchschnittlich 23,6 Grad Celsius war es hier im Juli so heiß wie nirgends sonst in Deutschland. Am Main wurden 18 Tage hintereinander mehr als 30 Grad gemessen.

In der Grafik sind solche Tage mit Maximaltemperaturen von mehr als 30 Grad als “heiße Tage” bezeichnet, als “Sommertage” zählen Tage mit mehr als 25 Grad Höchsttemperatur.

Dabei war Deutschland nur einer von sehr vielen Orten mit ungewöhnlicher Hitze. Skandinavien erlebte ebenfalls eine lange Hitzewelle von Mai bis August. Im Norden Kanadas war es Ende Juni fast 40 Grad warm, in Japan mussten in der dritten Juliwoche 22 000 Menschen aufgrund hoher Temperaturen ins Krankenhaus eingeliefert werden, 65 Personen starben. Selbst im Norden Sibiriens, entlang der Küste des Arktischen Ozeans, wurden Anfang Juli 32 Grad gemessen, 20 Grad mehr als sonst zu dieser Jahreszeit. “Es war nicht eine große Hitzewelle, die die ganze Nordhalbkugel in Beschlag genommen hat”, sagt die Klimaforscherin Friederike Otto. “Aber all diese individuellen Hitzewellen haben einen Faktor, der sie verbindet, und das ist der Klimawandel.”

Otto beantwortet mit ihrem Team an der Universität Oxford Fragen, an die Klimawissenschaftler sich lange nicht heranwagten: Lassen sich einzelne Wetterereignisse auf den Klimawandel zurückführen?

Für die Hitzewelle in Nordeuropa haben die Forscher diese Frage kürzlich mit einem eindeutigen Ja beantwortet. Die Klimatologen lassen dazu Tausende Simulationen ablaufen, um zu ermitteln, wie häufig eine Hitzewelle unter realen Bedingungen zu erwarten ist. Anschließend streichen sie die menschengemachten Treibhausgase aus den Modellen und starten die Simulationen erneut - so isolieren sie den Klimawandel als Faktor.

Das Ergebnis: Die Erderwärmung hat die Wahrscheinlichkeit für die Hitzewelle im Norden Europas auf mehr als das Doppelte erhöht. Ohne den menschengemachten Klimawandel wäre ein solches Wetter also nur halb so häufig zu erwarten. “Das ist nur die konservative Lesart”, betont Otto - an einzelnen Orten lägen die Risiken teilweise höher. In den Niederlanden hat sich das Risiko für Hitzewellen etwa verdreifacht, in Kopenhagen verfünffacht. In Schweden ist es infolge des Klimawandels sechs Mal so groß. Deutsche Städte haben die Forscher zwar nicht explizit analysiert. “Aber die Größenordnung kann man sicher auf Deutschland übertragen”, sagt Otto, “gerade in Norddeutschland, wo das Klima ähnlich ist wie in Skandinavien.”

Das Wetter in Norddeutschland ist so wie in Skandinavien? Fragt man Hamburger, fühlten die sich dieses Jahr eher wie in Italien.

Hamburg

Nordlicht

Noch jetzt, im September, liegt über Hamburg-Rotherbaum diese sommerliche Schwüle, die Luigi gar nicht kennt von seiner Wahlheimat.

Luigi ist Geschäftsführer der Eisdiele „Il Gelato“ im Mittelweg, ein unkomplizierter Italiener mit gutem Draht zur Kundschaft. Über den Sommer in der Hansestadt hat er schon oft schimpfen müssen. Kalt, regnerisch, kein guter Standort für einen Eisverkäufer.

Das vergangene Jahr war für ihn und sein Geschäft ein graues Missvergnügen. „Eine Niederlage.“ Aber jetzt? Es ist neun Uhr Abends Anfang September, die Dunkelheit ist hereingebrochen, und es ist immer noch so warm, dass Leute Lust auf ein paar Kugeln haben. Diese ganze Saison war für ihn eine Freude. „20 bis 30 Prozent mehr Umsatz“ habe der Hitzesommer gebracht, schätzt er. Die Eisproduktion lief auf Hochtouren. Schön? „Ja“, sagt Luigi, „aber auch anstrengend.“

Dieser Sommer brachte Hamburg verschiedenste Rekordwerte. 2018 gab es hier 58 “Sommertage”, an denen es wärmer als 25 Grad wurde; 1947 wurden 51 gezählt.

Es fiel nur halb so viel Regen wie in einem normalen Sommer, 112 Liter pro Quadratmeter in Juni, Juli und August. Und die Durchschnittstemperaturen waren auch denkwürdig. 26,1 Grad allein im August. "Normal wären 21,6 Grad", sagte der Meteorologe Frank Böttcher vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation im Hamburger Abendblatt. Das sind Werte, wie man sie im August eher aus Norditalien kennt.

Es war in Hamburg aber nicht nur ungewöhnlich warm. Vor allem hat die Sonne gar nicht mehr aufhört zu scheinen. Das ist in Hamburg besonders aufgefallen, weil Wolken und Nieselregen im Grunde zur Hansestadt gehören wie Michel oder Alster.

Zwischen April und August schien die Sonne in Hamburg 1464 Stunden. Im Vergleich zum Vorjahr sind das etwa 35 Tage mit nix als Sonnenschein. Und auch den Jahrhundertsommer 2003 hat das Jahr 2018 weit abgehängt. 

Doch nicht nur der Norden wurde mit Sonne verwöhnt, wie ein Blick auf die Karte verrät.

Schon im April zeigt sich die Sonne deutlich öfter als sonst zu dieser Jahreszeit. 225 Stunden beträgt die durchschnittliche Sonnenscheindauer in Deutschland 2018, 73 Stunden länger als im langjährigen Mittel von 1961 bis 1990.

Im Mai scheint in Hamburg 335 Stunden lang die Sonne, 120 Stunden länger als üblich. In Schleswig-Holstein werden gar 350 Stunden Sonnenschein gezählt, neuer Rekord für den Mai. Etliche lokale Rekorde werden von Orten an der Ostseeküste gemeldet.

Im Mai scheint in Hamburg 335 Stunden lang die Sonne, 120 Stunden länger als üblich. In Schleswig-Holstein werden gar 350 Stunden Sonnenschein gezählt, neuer Rekord für den Mai. Etliche lokale Rekorde werden von Orten an der Ostseeküste gemeldet.

Im Juni bleibt es weitgehend warm, trocken und sonnig, es werden aber kaum neue Rekorde gebrochen. Wärmstes Bundesland im Juni ist Berlin.

Im Juni bleibt es weitgehend warm, trocken und sonnig, es werden aber kaum neue Rekorde gebrochen. Wärmstes Bundesland im Juni ist Berlin.

Insgesamt 770 Stunden schien die Sonne von Juni bis August durchschnittlich. Rechnet man die sonnigen Monate April und Mai dazu, sind es sogar insgesamt 1270 Stunden Sonne.

Insgesamt 770 Stunden schien die Sonne von Juni bis August durchschnittlich. Rechnet man die sonnigen Monate April und Mai dazu, sind es sogar insgesamt 1270 Stunden Sonne.

Am häufigsten zeigt sich die Sonne von Juni bis August mit mehr als 900 Stunden auf Rügen.

Viel Sonne heißt viel Sommer und viel Sommer ist vor allem gut für den Tourismus. An Nord- und Ostsee verzeichneten sie Besucherrekorde, die Zeit schwärmt von der “neuen deutschen Welle”

In den Konsumwelten der Hansestadt kam die ungewohnte Wärme unterschiedlich gut an.

Luigi, der Eisverkäufer, war natürlich froh. Gaststätten mit Terrasse, Schwimmbäder und Festivals profitierten.

Das Volksfest Hamburger Dom verzeichnete ebenfalls gute Geschäfte, vor allem an den lauen Abenden. Andererseits musste wegen der Trockenheit das Feuerwerk zum Auftakt abgesagt werden. Wuchernde Blaualgen verleideten teilweise den Badebetrieb an den städtischen Gewässern Öjendorfer und Hohendeicher See. Blaualgen in der Alster waren der Grund, dass beim Ironman-Triathlon Ende Juli das Schwimmen ausfallen musste.

Es gibt Schlimmeres. Stadtbürger in naturfernen Jobs nehmen die Hitze leicht als Luxus-Problem wahr, das aber im Grunde die Lebensqualität verbessert - gerade in Hamburg mit seinen Elbstränden, Parks und Wasserflächen.

Andererseits ist die Hitze gerade in der geladenen urbanen Atmosphäre mit ihren Abgasen und Betonflächen auch eine Belastung. Die Hamburger Notaufnahmen hatten viel zu tun. Flüssigkeitsmangel. Kreislaufprobleme. Vor allem ältere Menschen waren betroffen.

Und noch ein ganz anderes Zeichen gab es dafür, dass der Sommer in Hamburg zu heiß war. Die Schwäne auf der Alster wurden müde. Sehr müde. Vier starben sogar, wahrscheinlich weil sie sich im warmen Wasser tödliche Bakterien eingefangen hatten. 

Daniel Bockwoldt/dpa

Für die Hansestadt war das ein mächtiges Thema. Das Schwanenwesen ist eine Institution hier, etabliert wohl im elften Jahrhundert, gepflegt von einem spezialisierten Beamten, dem sogenannten Schwanenvater. Es gab Zeiten, in denen es per Senatsverordnung verboten war, Schwäne zu beleidigen.

Anfang August war die Sorge groß. Kraftlose Tiere hatten ihre langen Hälse in die Uferböschung fallen gelassen. Es folgte eine Notfallverlegung. Schwanenvater Olaf Nieß ließ sie ins Winterquartier am Eppendorfer Mühlenteich bringen. Dort war das Wasser auch warm, aber Nieß hatte die Vögel besser im Blick.

Wittenberg

Ernte krank

Auf der Futterwiese knirschen die Schritte über braunes Gestrüpp. “Wie in Kasachstan”, sagt Volker Ziegler. Der Mais auf dem nächsten Feld, trocken und gelb, raschelt wie Laub im Herbst.

“Und hier sollte eigentlich ein Blätterwald sein”, sagt Ziegler. “So hoch”, sagt er und deutet auf eine Stelle unterhalb seines Knies. Doch so sieht es tatsächlich aus:

Hannah Beitzer

Volker Ziegler ist seit 1991 Chef der Agrargenossenschaft Wörlitz im Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt: 650 Milchkühe, fast noch einmal so viele Jungtiere und dazu Felder, auf denen das Futter für die Tiere wächst, insgesamt 2720 Hektar Fläche. Und wie viele Landwirte in der Gegend, ach, in ganz Deutschland, hat Ziegler diesen Sommer ein ernsthaftes Problem. Es regnet nicht. 

Schon im April ging das los. Es regnete deutlich weniger als im Referenzzeitraum. In Singen zum Beispiel 3,9 Liter pro Quadratmeter und damit nur sechs Prozent der hier sonst üblichen Regenmenge. Auch in Wittenberg blieb es trockener als gewöhnlich. Aber bitter wird es erst im Mai.

Zumindest für den Norden Deutschlands. Während es im Süden wieder mehr regnet, kommt es zwischen Niedersachsen und Sachsen kaum zu Niederschlägen. Am wenigsten in Wittenberg. Hier regnet es den gesamten Mai über nur 0,4 Liter pro Quadratmeter. Das entspricht einem Prozent der üblichen Regenmenge.

Zumindest für den Norden Deutschlands. Während es im Süden wieder mehr regnet, kommt es zwischen Niedersachsen und Sachsen kaum zu Niederschlägen. Am wenigsten in Wittenberg. Hier regnet es den gesamten Mai über nur 0,4 Liter pro Quadratmeter. Das entspricht einem Prozent der üblichen Regenmenge.

Juni, Juli und August - immer dasselbe Bild: Viel zu wenig Regen. Der Sommer 2018 mag etwas zu heiß gewesen sein, vor allem aber war er viel zu trocken. 

Juni, Juli und August - immer dasselbe Bild: Viel zu wenig Regen. Der Sommer 2018 mag etwas zu heiß gewesen sein, vor allem aber war er viel zu trocken. 

Der Juli.

Der Juli.

Der August.

Bauern in ganz Deutschland bereitete die Dürre Probleme, aber am härtesten traf es die Wittenberger. Vom 27. April bis zum 20. Juni, also in fast acht Wochen fielen hier nur 0,9 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Das muss man sich mal vorstellen: Ein Maßkrug Wasser! Für einen Quadratmeter! In acht Wochen!

Und es wurde kaum besser. Selbst jetzt im September ist der Himmel blau, die Luft warm und trocken. Kein Regen, nirgends.

Das ist die Regenbilanz in Wittenberg für 2017 und den Jahrhundertsommer 2003. Dunkel markiert sind die Tage, an denen wenigstens ein paar Tropfen vom Himmel gefallen sind:

Und so sah es in diesem Jahr aus.

Im Frühjahr legten Ziegler und seine Leute wie immer den Mais, drillten die Rüben. Doch die Rüben blieben klein. Normalerweise mähen die Landwirte zweimal, in guten Jahren sogar dreimal die Futterwiesen. In diesem Jahr blieb es bei einem Schnitt. Die Biogasanbieter, die die Genossenschaft mit ihrem überschüssigen Futtergras beliefert, werden leer ausgehen. Beim Mais konnte Ziegler zusehen, wie die Farbe der Pflanzen von Grün zu Gelb wechselte. Heute sind die Kolben klein und trocken und die Maisfelder sehen von weitem aus wie Weizenfelder.

Im August war die Rapssaat dran. “Aber es wächst nichts”, sagt Ziegler, zeigt auf den trockenen Boden. Selbst wenn es zufällig mal einen Tag regnen sollte, der Raps tatsächlich beginnen könnte zu keimen: “Dann vertrocknet er hinterher.”

Wenn man von oben auf Wittenberg schaut, wird das Drama sichtbar:

So sahen die Felder um Wittenberg im April 2018 aus, als es noch ausreichend geregnet hat. (Fotos: Planet Labs)

Vier Monate später sind die Felder von Bauer Ziegler allesamt braun. Ziegler schätzt, dass sich die Einbußen beim Mais auf 40 Prozent, beim übrigen Getreide auf 30 bis 35 Prozent und bei den Rüben auf mindestens 70 Prozent belaufen. 

Seine Tiere wird er damit gerade noch gefüttert kriegen. Andere Landwirte, so hat er es gehört, stoßen schon Jungtiere ab, weil sie nicht genug Futter haben.

Doch auch er kann nicht aufatmen - denn die Trockenheit hat auch Auswirkungen auf die Qualität des Tierfutters. "Die Inhaltsstoffe sind geringer", sagt er, "deswegen wird die Milchleistung meiner Tiere nachlassen, die Fruchtbarkeit wird sinken." Er vergleicht das mit einem Menschen, der jeden Tag 5000 Meter sprintet: "Da können Sie sich auch nicht nur von Wasser und Trockenbrot ernähren, sondern brauchen mindestens ein ordentliches Wurstbrot."

Was aber, wenn dieser Ausnahmesommer in Zukunft gar nicht mehr die Ausnahme sein wird? Ziegler seufzt. Gerade baut die Genossenschaft eine kleine Käserei auf, ein weiteres Standbein, aber natürlich keines, das einen Sommer wie diesen ausgleicht.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat den hitzegeplagten Landwirten bereits Entschädigungen versprochen. Doch das ist natürlich auch keine Lösung für die Zukunft.

Was also muss sich ändern? Die Antwort fällt je nach Gesprächspartner sehr unterschiedlich aus. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft nimmt die Landwirte als Mitverursacher des Klimawandels stärker in die Pflicht - und fordern mehr Nachhaltigkeit und Vielfalt auf den Feldern. Volker Ziegler wünscht sich weniger Regeln und Vorschriften für Bauern und höhere Preise für Lebensmittel.

Freiburg

Flusssterben

Erst sind die Groppen gestorben, dann die Bachforellen und dann, dann ist der ganze Fluss gestorben. Kein Rauschen, kein Plätschern, kein Wasser, kein Fluss.

Das ist vielleicht ganz praktisch für Hundebesitzer, die im Kiesbett der Dreisam spazieren gehen können. Für einen wie Franz Bühler ist das aber natürlich Wahnsinn. Bühler ist Vorsitzender des Angelsportvereins Freiburg und als solcher ja dafür zuständig, Fische zu töten. Aber in diesem Sommer kommt er gar nicht dazu, weil er die ganze Zeit Fische retten muss.

Immer wieder ist er mit seinen Angelfreunden zur Dreisam gekommen, um mit Elektrokeschern Bachforellen, Groppen und Dolenkrebse zu betäuben und einzufangen und sie dann in den Oberläufen der Dreisam wieder auszusetzen. 3300 Fische haben sie so gerettet, schätzt Bühler.

Wie viele gestorben sind, das kann er nicht wissen. Und es trifft ja nicht nur die Dreisam. Anfang August häufen sich die Meldungen von der Alster in Hamburg bis zum Hochrheingebiet zwischen Basel und Bodensee: Eine Tonne, fünf Tonnen, 20 Tonnen toter Fisch wurden aus dem Wasser geholt.

Vor allem die Hitze ist ein Problem für die Fische. Die Elbe in Hamburg und die Havel in Berlin wurden 26 Grad warm, der Rhein erreichte stellenweise 28 Grad. Karpfen vertragen solche Temperaturen. Für Fische wie Äschen oder Bachforellen wird es eng, wenn das Wasser auf mehr als 27 Grad steigt.

Am Hochrhein und Oberrhein wurden Kaltwasserbecken ausgebaggert, um den Tieren Zuflucht zu geben. So konnte ein Massensterben wie im Sommer 2003 verhindert werden.

Die Temperatur hängt auch davon ab, wie viel Wasser ein Fluss gerade führt - denn weniger Wasser heizt sich schneller auf. Und auch hier war dieser Sommer rekordverdächtig.

Im Juli und August floss bei Hofkirchen so wenig Wasser durch die Donau wie mindestens seit den 60er-Jahren nicht.

Auch in der Elbe bei Dresden floss extrem wenig Wasser, vor allem im Mai und Juli.

Auch in der Elbe bei Dresden floss extrem wenig Wasser, vor allem im Mai und Juli.

Der Rhein bei Köln führte Anfang des Jahres noch Hochwasser, im Sommer lag der Durchfluss auch hier weit unter dem langjährigen Mittel.

Liegen Teile eines Flusses ganz trocken, sind die Fische gefangen. Diesen Sommer war das für Seitenarme von größeren Flüssen ein massives Problem. Nicht nur Abschnitte der Dreisam, sondern auch der Schwarzen Elster in Brandenburg und der Thyra im Südharz trockneten aus.

Noch dramatischer ist die Lage in stehenden Gewässern. 30 Grad waren in diesem Sommer keine Seltenheit. Steigt die Wassertemperatur, sinkt der Sauerstoffgehalt im Wasser. Gleichzeitig erhöht sich durch die Wärme der Stoffwechsel der Tiere, was den Bedarf an Sauerstoff noch größer werden lässt als bei kühlen Temperaturen. Während Fische unter der Wärme leiden, gedeihen Wasserpflanzen prächtig. Der Lebensraum für Fische schrumpft, abgestorbenes Pflanzenmaterial trübt das Wasser und bestimmte Organismen wie Blaualgen setzen Giftstoffe frei.

Was dann im schlimmsten Fall passiert, war in diesem Sommer im Aasee bei Münster zu sehen. Dort starben Zehntausende Fische, weil der Sauerstoffgehalt im See zu stark absank.

dpa

Wie viele Fische insgesamt den Sommer gestorben sind, ist unklar. Fest steht, dass es diesen Sommer deutlich mehr waren als gewöhnlich. 

Treuenbrietzen

Verbrannte Erde

Wenn der Waldbrand rennt, wird es schwierig, ihn aufzuhalten. Dann klettert das Feuer vom Boden in die Kronen der Bäume und greift rasend schnell aus. Feuerwehrleute können dann nur mit Mühe versuchen, das Feuer an einem Ort zu halten und einzudämmen. Mit viel Gerät, Personal und Wasser. Was gerade zu Beginn der Brandbekämpfung noch nicht vor Ort ist. Dann heißt es manchmal für die Helfer: wegrennen.

Erst zweimal in seinem Leben ist Olaf Fetz vor einem Waldbrand davongelaufen. Einmal als junger Feuerwehrmann, Anfang der 1980er Jahre. Und diesen Sommer. Bei einem Waldbrand nahe Treuenbrietzen südlich von Potsdam, in dem kleinen Städtchen leitet Fetz seit einem Jahr die Feuerwehr. 400 Hektar Wald standen dort im August in Flammen, nebenan bei Jüterbog noch einmal 240 Hektar.

Fetz merkte bald: Das ist kein normaler Brand. Immer wieder erschütterten Explosionen den Wald, in dem noch Munition und Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg im Boden schlummern. Und dann begann das Feuer zu rennen. "Wenn man nicht weiterkommt und merkt, dass sich der Wasserbehälter dem Ende zuneigt, dann ist es kein Standardeinsatz mehr. Dann läuft man vor dem Feuer davon, bis Unterstützung eintrifft", sagt Fetz. Und die Unterstützung kam. 

Rund 2700 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr und THW waren etwa eine Woche lang im Einsatz.

Die Männer von Fetz löschten abwechselnd in Sechs- bis Acht-Stunden-Schichten. 

Die Männer von Fetz löschten abwechselnd in Sechs- bis Acht-Stunden-Schichten. 

Dann war das Feuer besiegt. Die Schäden werden für einige Zeit bleiben.

Brandenburg ist wegen seiner sandigen Böden und leicht brennbaren Kiefernwälder besonders anfällig für Feuer. Jeder dritte Waldbrand in Deutschland ereignet sich hier. Etwa 440 Brände hat der Landesbetrieb Forst Brandenburg bislang für das Jahr 2018 gezählt, sie zerstörten eine Fläche von ungefähr 1450 Hektar Wald. 2017 gab es nur 100 Brände.

Auch andere Regionen werden in diesem Jahr von Waldbränden heimgesucht. Offizielle Zahlen gibt es zwar noch keine. Eine SZ-Anfrage an alle deutschen Flächenstaaten hat aber gezeigt: 2018 hat es vor allem im Norden und der Mitte Deutschlands sehr viel häufiger gebrannt als gewöhnlich und es wurde deutlich mehr Fläche vernichtet. Die Trockenheit und die hohen Temperaturen wirkten wie Zunder.

Wie Wälder in Zukunft den Klimawandel überstehen sollen, sorgt Fachleute wie Andreas Wiebe, Leiter von Wald und Holz NRW: "Es gibt keine Erfahrungswerte für die Rettung von Wäldern im Klimawandel." Die Bäume könnten zwar ab und zu ein Extrem verkraften, aber nicht, wenn Extreme zur Normalität würden. Gerade Wälder bräuchten mehrere Tausend Jahre, um sich an geänderte Umweltbedingungen anzupassen.

Deshalb müssen sich die brandenburgischen Feuerwehren stärker für Waldbrände wappnen: Das Bundesland verfügt über einen Löschpanzer, der bei Bedarf ausrückt. Er dringt selbst in Bereiche vor, an denen noch Munitionsreste vermutet werden. Es gibt eigene, geländegängige Tanklöschfahrzeuge mit 5000 Litern Fassungsvermögen. Ein flächendeckendes Kamerasystem im Wald meldet Rauch automatisch an die Leitstellen.

Das wird helfen, aber es wird nicht verhindern, dass es wieder brennen wird in Brandenburg. Es werden wieder Flüsse austrocknen und Fische sterben.

Wie außergewöhnlich war die lange Hitzewelle in diesem Sommer also? Klimaforscherin Friederike Otto dreht den Spieß um: "Die einzelnen Hitzewellen sind in unserem jetzigen Klima nicht besonders ungewöhnlich. Aber eine solche Anzahl von Hitzewellen wäre ohne den Klimawandel sehr ungewöhnlich."

Man kann also schon nicht mehr von außergewöhnlicher Hitze und Trockenheit sprechen. Die Erderwärmung macht sie zu gewöhnlichen Ereignissen.

Nur muss man sich daran erst gewöhnen.

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