Wirtschaftspolitik

Selbst Goethe war mal Bürokrat

Bürokratie ist verhasst. Fast jede Partei will sie seit Neustem beseitigen. Notfalls mit der Kettensäge. Doch das ist gefährlich. Zeit für ein leises Lob der geordneten Verwaltung.

Essay von Kurt Kister
3. Dezember 2024 - 9 Min. Lesezeit

Für die meisten Menschen ist „Bürokratie“ ein Hasswort. Es beschwört sehr unterschiedliche Assoziationen herauf, weil fast jeder Erwachsene unterschiedliche, persönliche Erfahrungen „auf dem Amt“, in der Firma und anderswo mit dem gemacht hat, was er als, man verzeihe den starken Ausdruck, „Scheißbürokratie“ wahrnimmt. Gefühle im Zusammenhang mit Bürokratie sind oft sehr stark: Man muss nur mal versuchen, für eine alte, leidende Tante schnell einen Pflegeplatz zu bekommen oder als Kleinunternehmer alle jene Meldepflichten pünktlich zu erfüllen, die man erfüllen muss, weil man sonst Ärger mit – wem? – „den Bürokraten“ bekommt. Und wenn einem als Privatmann einmal jene Unbill widerfahren ist, dass man unverrichteter Dinge von einer Behörde zurückkehrt, weil man ein Dokument nur in Kopie, nicht aber im Original dabeihatte, werden die Gefühle noch stärker, zumal in einer Zeit, in der man all diese Dokumente längst digitalisiert verschicken könnte, wenn man denn dürfte. (Ja, die Digitalisierung schreitet auch in der Bürokratie voran. Sie tut das aber bedächtig.)

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