Transparenzblog

KI und ein Regler für einfache Sprache

Wie die SZ versucht, ihre Texte bei einer Recherche zu Behindertenwerkstätten barrierefreier zu gestalten – auch sprachlich.

1. November 2024 - 3 Min. Lesezeit

Dieser Text ist so geschrieben, wie Texte in der SZ üblicherweise geschrieben werden. Das hört sich selbstverständlicher an, als es ist. Deutsch kann durchaus babylonisch sein, gerade in seinen regionalen Darreichungsformen. Es gibt aber auch jenseits der Dialekte verschiedene Formen von Deutsch, und da wird es dann oft verständlicher statt unverständlicher. Denn die sogenannte Standardsprache, wie sie auch in der SZ in der Regel verwendet wird, ist für viele Menschen mitunter nur schwer zugänglich.

Etwa 17 Millionen Erwachsene in Deutschland haben Schwierigkeiten, so geschriebene Texte zu verstehen, weil sie noch dabei sind, Deutsch zu lernen, weil sie in der Schule irgendwann abgehängt wurden, weil sie Demenz oder eine Lernbehinderung haben. Damit sie sich Informationen leichter erschließen können, werden Texte immer häufiger in einfache oder Leichte Sprache übersetzt. Alle öffentlichen Institutionen etwa sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre digitalen Angebote möglichst barrierefrei aufzusetzen, auch sprachlich.

Seit einigen Monaten recherchiert die SZ mit dem inklusiven Magazin andererseits, in dessen Redaktion Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten, zum System der Behindertenwerkstätten und zu Inklusion. Damit die Rechercheergebnisse für Menschen, die in Werkstätten gefördert werden oder dort arbeiten, besser zugänglich sind, haben wir versucht, den Artikel noch barrierefreier zu machen.

Die SZ bemüht sich im Redaktionsalltag ohnehin darum, indem etwa klare Gestaltung und Kontrastreichtum eine gute Lesbarkeit ermöglichen, indem man Schriftgrößen anpassen kann oder durch die Vorlesefunktion.

Beim Storytelling zum Geschäft mit Behindertenwerkstätten haben wir diese Bemühungen noch einmal verstärkt, in der Gestaltung, aber auch bei den Grafiken und der Sprache. Die Grafiken etwa sind mit dem Tool Daten für alle programmiert worden, das mit Screen-Reader-Tauglichkeit und ausführlicheren Beschreibungstexten mehr Barrierefreiheit auch für Menschen mit Seh- und Lernbehinderung bewirkt.

Außerdem kann man mit einem Schieberegler zwischen Versionen in Standardsprache, einfacher und Leichter Sprache wechseln und diejenige auswählen, die am besten zu einem passt. Den Text in einfacher Sprache hat die SZ mit Unterstützung einer KI auf Basis des Originaltextes generiert. Er ist das Ergebnis einer Kombination von zwei KI-Sprachmodellen: Das erste (Claude Sonnet 3.5 von Anthropic) hat den ursprünglichen Artikel in Einfache Sprache übersetzt. Das zweite (o1-preview von Open AI) hat diese Übersetzung überprüft und Verbesserungen vorgeschlagen, die in die Endfassung eingeflossen sind.

Zu diesem Zweck wurden spezielle Prompts, also Aufforderungen an das KI-Sprachmodell, entwickelt. Diese Prompts enthalten wesentliche Grundsätze der einfachen Sprache, wie zum Beispiel „Vermeide Synonyme und Metaphern“ oder „Verwende maximal zwei Satzzeichen pro Satz, teile längere Sätze auf“. Auch Abkürzungen, Fremdwörter und komplizierte Fachbegriffe haben dort nichts zu suchen, die Sätze sollen aktiv formuliert sein. Das Ergebnis haben SZ-Redakteurinnen dann nochmals geprüft und redigiert. In der Einfachen-Sprache-Version haben wir weniger Grafiken und Fotos eingebaut als bei der Version in Standardsprache und dafür mehr Abstände.

Vieles davon gilt auch für die Leichte Sprache. Für sie gibt es aber anders als bei der einfachen Sprache höhere Anforderungen an die Verständlichkeit und ein festes Regelsystem, deswegen wird sie auch großgeschrieben. Zum Beispiel sollen dort die einzelnen Sätze mit Umbrüchen voneinander abgesetzt sein. Diese Textversion wurde deswegen eigens von einer Übersetzerin erstellt und von einer Prüferin mit Lernbehinderung auf Verständlichkeit hin kontrolliert. Beide haben dazu geraten, hier auf Grafiken zu verzichten und stattdessen mit vielen Abständen eine klare Struktur und noch mehr Übersichtlichkeit herzustellen. Auch hier haben SZ-Redakteurinnen die Übersetzung schließlich mit dem Originalartikel abgeglichen und sichergestellt, dass trotz der nötigen Vereinfachung keine verzerrenden Informationen enthalten sind.

Die 3-in-1-Variante bei diesem Artikel ist erst einmal ein Experiment, umso mehr interessiert uns das Feedback unserer Leserinnen und Leser, egal ob mit oder ohne Behinderung. Was Sie von Recherche und Umsetzung halten, können Sie uns über das Postfach am Ende des Artikels mitteilen.

Text: Sabrina Ebitsch, Alessandro Alviani; Digitales Design: Lea Gardner; Redaktion: Daniel Wüllner

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