Warum das Geschäft mit Behindertenwerkstätten umstritten ist
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Das Geschäft mit Behinderten-Werkstätten
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Für wen sind Werkstätten für behinderte Menschen gut?
Diesen Artikel, für den die SZ mit dem inklusiven Magazin andererseits recherchiert hat, gibt es auch in einfacher und Leichter Sprache, damit den Text viele Menschen lesen können. Mit dem Schieberegler können Sie auswählen, was Sie lesen möchten.
Schiene aus der Box nehmen, Feder einspannen, Schrauben eindrehen. Petra Looses Handgriffe sind routiniert, etwa 250 Mal wird sie all das wiederholen. An den Wänden um ihren Arbeitsplatz stehen Spinde, grau und zweckmäßig, dazwischen Rollwagen mit noch mehr Boxen, Schrauben, Plastikisolierungen, LED-Leuchten fluten die leicht abwischbaren Arbeitsflächen. Wie in einer Fabrik eben. Aber Petra Loose arbeitet nicht in einer Fabrik, sondern in einer Behindertenwerkstatt. Am Ende ihres knapp fünfstündigen Arbeitstages wird sie deswegen nur etwa 14 Euro verdient haben.
Bundesweit arbeiten Hunderttausende Menschen so oder so ähnlich. Menschen, deren Arme und Beine gelähmt sind, die von klein auf Lernbehinderungen haben oder so stark mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben, dass sie nicht oder zumindest noch nicht für den Arbeitsmarkt bereit sind. Oder andersherum: Der Arbeitsmarkt ist noch nicht für sie bereit. „Würden die Arbeitgeber ihre gesetzlichen Pflichten erfüllen, könnte mindestens ein Drittel von den rund 300 000 Menschen in Werkstätten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten. Das ist aber offensichtlich weder von der Wirtschaft noch von der Politik oder den Werkstatteignern gewollt“, sagt Ulrich Scheibner. Er leitete früher die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten (BAG), hat das System lange mitgeprägt und gehört heute zu seinen schärfsten Kritikern.
Also machen sie in Werkstätten teils dasselbe, was sie auch außerhalb tun könnten, nur für weniger Geld. Von Ausbeutung ist die Rede, das „bestausgeweitete Billiglohn-Modell EU-weit“ nannte es die Grünen-Abgeordnete Katrin Langensiepen, und eine aktuelle Studie des Bundessozialministeriums zu Entgelten in Behindertenwerkstätten kommt zu dem Schluss, dass die geringe Bezahlung gegen Grundgesetz, EU-Recht und die Behindertenrechtskonvention, der Vereinten Nationen verstößt. Zugleich sollte es Behindertenwerkstätten längst nicht mehr geben. Seit Jahren steht Deutschland in der Kritik, weil es den Vorgaben, für mehr Inklusion zu sorgen, nur unzureichend nachkommt. Wie also kann es sein, dass ein umstrittenes System mit all seinen Ungerechtigkeiten fortbesteht und sogar noch größer wird?
Hubert Hüppe, CDU-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Behindertenbeauftragter, beobachtet gar einen Rückschritt: „In vielen Bereichen ist es eher schlechter als besser geworden“, sagt er. „Die Sonderstrukturen haben sich durchgesetzt.“ Die Gesamtzahl der Plätze in den Werkstätten insgesamt, also inklusive Förderbereich und Berufsvorbereitung (orangefarbene Linie), ebenso wie die Beschäftigtenzahlen im Arbeitsbereich (blaue Linie) etwa stiegen seit Mitte der 1990er-Jahre stark an. Damals arbeiteten noch etwa 100 000 Menschen weniger im Werkstätten als heute.
Hinter den Strukturen stehen auch ökonomische Zwänge, weil Behindertenwerkstätten entgegen dem Klischee eben nicht nur Bastelbuden sind, sondern Betriebe, die zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet sind. Auch deswegen verdient Loose so wenig. Im Monat kommt sie mit einer Wochenarbeitszeit von 23 Stunden auf insgesamt 278 Euro und liegt damit bereits über dem Durchschnitt. Der lag 2022 laut der Bundesarbeitsgemeinschaft der Behindertenwerkstätten bei monatlich 224 Euro. Ohne einen staatlichen Lohnzuschuss kam der Entgeltstudie zufolge, für die 2020 Werkstattleitungen befragt wurden, knapp die Hälfte nicht einmal auf 150 Euro im Monat, nur zwei Prozent kommen auf mehr als 500 Euro.
In konjunkturell schwierigen Zeiten, etwa während der Corona-Pandemie, kürzten laut Entgeltstudie 18 Prozent der Werkstätten die Bezüge, weil Gehaltsbestandteile aus dem wirtschaftlichen Ergebnis der Werkstatt finanziert werden. Die Kürzungen sind Vergangenheit, und auch die Bezahlung vonseiten der Werkstätten ist durch die Erhöhung des Grundbetrags leicht gestiegen. Leben können Behinderte von ihrem Gehalt aber trotzdem nur, weil die große Mehrheit staatliche Unterstützung wie Grundsicherung oder Erwerbsminderungsrente bezieht und damit im Monat durchschnittlich um die 1100 Euro zur Verfügung hat. Dem Statistischen Bundesamt zufolge liegt die Armutsgefährdungsgrenze derzeit bei 1310 Euro, 60 Prozent des durchschnittlichen Nettogehalts von knapp 2200 Euro.
Für die nichtbehinderten Beschäftigten gelten unter demselben Dach andere Bedingungen. Sie erhalten meist ein tariflich geregeltes Gehalt, unabhängig von der betriebswirtschaftlichen Entwicklung. Und die Bezüge der Geschäftsführung sind mit um die 150 000 Euro Jahresgehalt mit denen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchaus vergleichbar – ebenso die Boni, die während der schwierigen Corona-Jahre oft ausbezahlt wurden. Damit verdienen die Chefs mehr als 50-mal so viel wie ihre behinderten Mitarbeiter. Das mag innerhalb der Logik des Systems seine Richtigkeit haben, wird aber als „ethisch unerträglich“ kritisiert. „Ein einziger Geschäftsführer ist dem Staat und der Gesellschaft so viel wert wie 54 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Beeinträchtigungen“, rechnet Ulrich Scheibner an einem realen Beispiel vor.
Eine ehemalige Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte, sagt dazu lapidar: „Die wollen nur billige Arbeitskräfte. Man ist froh, dass man gut leben kann.“ Wobei das für sie schon heißt, nicht zur Tafel gehen zu müssen oder zur Kleiderkammer. Sie spricht damit für viele: Zwei Drittel der Werkstattbeschäftigten kritisieren laut der Studie des Bundessozialministeriums, dass ihr Gehalt zu niedrig ist. „Einerseits sind viele von ihnen eingeschränkt und nicht so leistungsfähig wie viele andere Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“, sagt Dietrich Engels, Geschäftsführer des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik und einer der Autoren. „Andererseits arbeiten sie auch zum Teil 39, 40 Stunden die Woche wie andere Arbeitnehmer und schaffen Werte. Also warum sollen sie nicht auch entlohnt werden wie andere Beschäftigte?“ Die Autoren empfehlen den Mindestlohn für Behindertenwerkstätten und halten die „pauschale Ungleichbehandlung“ für rechtswidrig. Auch Petra Loose, die sich selbst für Behindertenrechte einsetzt, fordert: „Es muss eine gerechte Entlohnung kommen“.
Werkstattbeschäftigung gilt als „arbeitnehmerähnlich“, womit die geringere Bezahlung und das Fehlen von Betriebsräten, Tarifverträgen oder ein Streikrecht gerechtfertigt wird. Vielen gehen aber die Parallelen in den Arbeitsbedingungen dafür zu weit – etwa im Fall eines Mannes, der vor dem Arbeitsgericht Koblenz geklagt hatte: Die Richter sahen seine 15-jährige Tätigkeit in der Werkstatt als zu lange für „Heilung“ oder „Wiedereingewöhnung“ an und verwiesen auf weisungsgebundene Arbeit, feste Arbeitszeiten und Urlaubstage – wie bei „normalen“ Arbeitnehmern eben auch.
„Ich beute keinen aus“, sagt die Chefin eines Betriebs
Von Werkstattseite hält man der Kritik entgegen, dass die Arbeit dort freiwillig sei und dass darüber hinaus neben staatlichen Zuschüssen oft noch Wohngeld oder andere Leistungen hinzukommen und der Stundenlohn unter dem Strich nicht mehr weit vom allgemeinen Arbeitsmarkt entfernt ist. „Ich beute keinen aus“, sagt Karla Bredenbals, Geschäftsführerin von Looses Werkstatt. Die BAG verweist darauf, dass man seit Jahren eine Verbesserung der Einkommenssituation fordere und man an einer Weiterentwicklung der Werkstattleistung arbeite. Andere argumentieren, dass Behindertenwerkstätten mehr als reine Lohnarbeit bieten. „Zu uns kommt niemand wegen des Geldes“, sagt Thomas Wedel, Geschäftsführer der Boxdorfer Werkstätten in Nürnberg. „Der Grund, warum Menschen hier in die Arbeit kommen, ist, dass sie eine sinnvolle und gute Aufgabe haben, Begegnung und einen Grund aufzustehen.“
Für viele Unternehmen sind die Werkstätten teils aber durchaus eine verlängerte Werkbank, an der weitaus mehr passiert als Laubsägen oder Grußkartenmalen aus dem Klischee. Lufthansa, Siemens, BMW, Drogerien und Discounter, viele bekannte Firmen lassen dort Teile zusammenbauen, Ware verpacken, Dokumente einscannen und vieles mehr. Die häufigsten Angebote von Werkstätten fallen der Entgeltstudie zufolge in den Bereich der Montage und Verpackung. 50 bis 60 Prozent der Arbeiten, schätzt Dieter Basener, sind eher solch einfache Tätigkeiten. Basener hat jahrelang als Pädagoge und Psychologe in Behindertenwerkstätten gearbeitet, dann aber mehrere Organisationen gegründet, die sich für die Integration Behinderter einsetzen. „Aber es gibt auch anspruchsvolle Tätigkeiten. 30 bis 40 Prozent sind durchaus komplex und herausfordernd.“ Petra Loose etwa steckt heute Schienen zusammen, ...
Unternehmen kooperieren nicht nur aus Imagegründen mit Behindertenwerkstätten, sondern weil es sich lohnt. Knapp 700 Millionen Euro zahlen deutsche Unternehmen im Jahr, weil sie nicht genug behinderte Menschen einstellen. Eigentlich gibt es ab einer Betriebsgröße von 20 Mitarbeitenden eine Beschäftigungspflicht, eine Vorgabe, die Inklusion fördern soll. Zugleich gibt es aber eine Hintertür für Firmen, die diese Pflicht nicht erfüllen. Kritiker sagen auch: Die Arbeitgeber kaufen sich frei, zahlen die sogenannte Ausgleichsabgabe, statt Teilhabe zu ermöglichen. Und dann gibt es noch die Hintertür zur Hintertür, denn wenn Unternehmen Aufträge an Behindertenwerkstätten vergeben, können sie die Kosten dafür bis zu 50 Prozent mit der Abgabe verrechnen. Und die Zusammenarbeit selbst rechnet sich mitunter auch. Ein Beispiel: Eine Supermarktkette bekam in China bestellte Müllbeutel mit einem falschen Barcode geliefert, an der Kasse wäre statt Plastiktüten ein Cocktail-Set verrechnet worden. Weil es schnell gehen musste, lieferten sie die Ware containerweise an eine Werkstatt in der Nähe, wo 160 Menschen mit Hochdruck neu etikettierten. Auch weil sie wenig kosten.
Dahinter stehen auch wirtschaftliche Zwänge. „Wir müssen uns am Markt behaupten und wenn wir teurer sind, bekommen wir die Aufträge nicht“, sagt Thomas Wedel. Er ist Geschäftsführer der Boxdorfer Werkstätten in Nürnberg. Man wolle kein Bittsteller sein und Spendenakquise betreiben. Die Firmen würden sehr genau rechnen, wie viel im Vergleich zum Ausland die zeitliche und finanzielle Ersparnis mit der Werkstatt sei. „Bei großen Firmen, die vielleicht eine Million Bleistifte für ihren kompletten Büromaterialbedarf brauchen, geht es beim einzelnen Stift um die dritte oder vierte Nachkommastelle in den Verhandlungen.“
Auch wenn dort gefertigte Artikel bald wieder an den Weihnachtsmärkten ausliegen, ist „Werkstatt“ letztlich oft ein veralteter Begriff. Die Vorstellung von Bastelbuden, in denen Behinderte vor allem nette Kleinigkeiten für die als Geschenke verpackte Corporate Social Responsibility herstellen, führt in die Irre. Werkstätten sind Wirtschaftsunternehmen, gesetzlich dazu verpflichtet. Sie werden von der öffentlichen Hand gefördert, müssen aber einen Teil ihrer Ausgaben selbst decken und von ihren Erträgen die Beschäftigten bezahlen. Sie sind quasi ein eigener Wirtschaftszweig mit fast 3000 Betriebsstätten. Die große Mehrheit beschäftigt mehr als 300 behinderte Mitarbeiter, teils weit mehr, auch wenn sie mitunter auf mehrere Standorte verteilt sind, wie aus einer der BMAS-Studie hervorgeht. Das Statistische Bundesamt geht ab 250 Beschäftigten von Großunternehmen aus.
Ähnlich beim Umsatz: Der Jahresumsatz eines Großunternehmens beginnt definitionsgemäß bei mehr als 50 Millionen Euro. Behindertenwerkstätten kamen der Studie zum Entgeltsystem zufolge 2019 inklusive öffentlicher Gelder auf einen Umsatz von knapp fünf Millionen Euro pro Jahr – im Schnitt, die Big Player auf mehr als 80 Millionen.
Auch hier Tendenz steigend. „40 Jahre lang sind die Werkstätten gewachsen“, sagt Basener dazu. „Wachstum bedeutete für sie immer wirtschaftlichen Erfolg, aber auch Größe und Bedeutung.“ Zwar machen Gelder der öffentlichen Hand den Löwenanteil aus, aber Experten sehen diese Entwicklung kritisch, weil Behindertenwerkstätten eben nicht nur Unternehmen sind. Es gibt oft unter demselben Dach in der Regel auch einen Förderbereich für Therapie, Reha oder Berufsvorbereitung. Werkstätten sind zugleich Sozialbetriebe und ein Schutzraum für Menschen, die vielleicht noch nicht bereit sind für ein reguläres Arbeitsverhältnis oder es nie sein werden. Und dieses Spannungsverhältnis zwischen einem sozialen und einem wirtschaftlichen Anspruch führt dazu, dass es im System knarzt. „Beide Aufträge einer Institution zu geben, konnte nur scheitern“, sagt Dieter Basener dazu. „Der Doppelauftrag war eine Fehlkonstruktion von Anfang an.“
Petra Loose arbeitet in einer Behinderten-Werkstatt.
In einer Behinderten-Werkstatt machen Menschen mit Behinderung verschiedene Arbeiten. Zum Beispiel Dinge zusammenbauen oder verpacken.
Petra Loose macht dort zum Beispiel diese Arbeit:
Sie nimmt eine Schiene aus einer Box. Sie spannt eine Feder ein. Sie dreht Schrauben ein. Das sieht man auch auf diesem Foto:
Petra Loose arbeitet fast 5 Stunden am Tag. Dafür bekommt sie nur 14 Euro.
In Deutschland arbeiten viele Menschen in Behinderten-Werkstätten. Diese Menschen haben zum Beispiel:
• Probleme mit Armen oder Beinen.
• Probleme mit dem Sehen oder Hören.
• Schwierigkeiten beim Lernen.
Sie können nicht in normalen Firmen arbeiten. Oder die Firmen sind nicht bereit, sie einzustellen.
Ein Experte sagt:
Ein Drittel der Menschen aus Werkstätten kann in normalen Firmen arbeiten. Aber die Firmen, die Politiker und die Werkstätten wollen das oft nicht.
Menschen in Behinderten-Werkstätten verdienen wenig Geld. Viele Leute sagen: Das ist ungerecht.
Eine Untersuchung sagt sogar: Das ist nicht erlaubt. Es sollte keine Behinderten-Werkstätten mehr geben. Deutschland soll Menschen mit Behinderung normal arbeiten lassen.
Aber das passiert nicht genug. Manche finden, dass die Situation sogar schlimmer wird statt besser. Es arbeiten zum Beispiel auch immer mehr Menschen in Behinderten-Werkstätten.
Behinderten-Werkstätten müssen Geld verdienen.
Auch deswegen bekommen die Menschen mit Behinderung dort oft wenig Lohn. In der Corona-Zeit bekamen manche sogar noch weniger.
Petra Loose arbeitet 23 Stunden pro Woche. Sie bekommt 278 Euro im Monat. Im Durchschnitt bekommen die behinderten Mitarbeiter in den Werkstätten 224 Euro im Monat.
Ohne extra Geld vom Staat haben die meisten vor ein paar Jahren sogar weniger als 300 Euro im Monat bekommen. Das hat eine Untersuchung gezeigt, bei der die Chefs von Werkstätten befragt wurden.
Diese Grafik zeigt, was die Chefs gesagt haben zu dem, was ihre behinderten Mitarbeiter verdienen. Man sieht:
Die längsten Balken, also die meisten Menschen, haben unter 100 Euro oder unter 299 Euro bekommen. Viele Menschen haben weniger als 100 Euro verdient. Nur 2 von 100 Mitarbeitern mit Behinderung haben mehr als 500 Euro bekommen.
Heute bekommen die Mitarbeiter mit Behinderung ein bisschen mehr Geld von den Werkstätten. Und sie bekommen auch Geld vom Staat.
Insgesamt haben sie etwa 1.100 Euro im Monat.
Das ist weniger als die Armuts-Grenze von 1.310 Euro.
Die Armuts-Grenze ist das Geld, das man mindestens braucht, um nicht arm zu sein.
Mitarbeiter ohne Behinderung bekommen mehr Geld.
Sie bekommen ein normales Gehalt.
Die Chefs verdienen etwa 150.000 Euro im Jahr.
Das ist ungefähr 50-mal so viel wie Mitarbeiter mit Behinderung.
Viele möchten, dass das Gehalt fairer ist. Zwei von drei Mitarbeitern mit Behinderung finden ihr Gehalt zu niedrig.
Sie arbeiten oft genauso viel wie andere. Sie wollen fair bezahlt werden.
Experten sagen:
Mitarbeiter mit Behinderung sollten den Mindestlohn bekommen.
Ein Mindestlohn ist das Geld, das jeder Arbeiter mindestens bekommen muss. In Deutschland sind das etwas mehr als 12 Euro pro Stunde.
In Behinderten-Werkstätten arbeiten Menschen anders als in normalen Jobs:
• Es gibt keine Tarif-Verträge.
Tarif-Verträge sind schriftliche Vereinbarungen.
Darin steht, wie viel Geld die Arbeiter bekommen und wie sie arbeiten müssen.
• Es gibt kein echtes Streik-Recht.
Streik-Recht bedeutet: Wenn die Arbeiter mit der Arbeit und dem Geld nicht zufrieden sind, können sie aufhören zu arbeiten. So lang, bis ihre Chefs versprechen, etwas zu verbessern.
• Es gibt weniger Lohn.
Im Durchschnitt verdienen die Menschen weniger als 250 Euro im Monat.
Aber sonst ist die Arbeit oft ähnlich wie die Arbeit in Firmen:
• Die Arbeiter müssen tun, was der Chef sagt.
• Es gibt feste Arbeits-Zeiten.
• Es gibt Urlaubs-Tage.
Manche Menschen finden das ungerecht.
Aber die Werkstätten sagen:
Die Arbeit ist freiwillig. Die Menschen mit Behinderung in Werkstätten bekommen noch mehr Geld vom Staat. Insgesamt verdienen sie fast so viel wie andere Arbeiter.
Die Werkstätten sagen auch:
Viele Menschen kommen gerne in die Werkstatt. Sie haben dort eine Aufgabe. Sie treffen andere Menschen. Das ist ihnen wichtiger als das Geld.
In den Werkstätten gibt es verschiedene Arbeiten:
• Teile zusammen-bauen
• Sachen verpacken
• Dokumente ein-scannen
Viele bekannte Firmen geben dort Arbeiten in Auftrag. Viele Arbeiten sind einfach. Aber es gibt auch schwierige Aufgaben.
Das zum Beispiel hat Petra Loose schon gemacht:
• Monitore prüfen
• Teile von Geld-Automaten reparieren
Firmen arbeiten mit Behinderten-Werkstätten zusammen.
Das machen sie nicht nur, um anderen zu zeigen, dass sie Gutes tun.
Es lohnt sich auch für die Firmen.
Firmen müssen Menschen mit Behinderung einstellen. Das ist ein Gesetz.
Aber viele Firmen machen das nicht. Sie zahlen deswegen Geld an den Staat, insgesamt fast 700 Millionen Euro im Jahr.
Firmen können auch mit Behinderten-Werkstätten zusammenarbeiten. Das ist für die Firmen oft günstiger. Dann müssen sie weniger Geld an den Staat zahlen. Und die Werkstätten machen die Arbeit für wenig Geld.
Werkstätten für Menschen mit Behinderung bekommen auch Geld vom Staat. Aber sie müssen auch selbst Geld verdienen. Davon bezahlen sie auch die Menschen, die dort arbeiten.
Es gibt fast 3.000 Behinderten-Werkstätten in Deutschland.
Viele Werkstätten sind groß und haben mehr als 300 Mitarbeiter.
Diese Grafik zeigt, was die Chefs dazu gesagt haben, wie groß ihre Werkstätten sind, also wie viele Menschen dort arbeiten. Man sieht:
In kleinen Werkstätten mit weniger als 120 behinderten Mitarbeitern arbeiten nur wenige Menschen, das zeigt der kurze Balken ganz unten. Die Hälfte sind in Werkstätten mit 120 bis fast 400 Leuten, das zeigen die beiden Balken darüber.
Die beiden Balken oben zeigen: Viele arbeiten in Werkstätten, die noch größer sind und mehr als 500 oder sogar mehr als 800 Mitarbeiter haben. Bei 1 von 3 behinderten Mitarbeitern ist das so.
Manche Werkstätten nehmen sehr viel Geld im Jahr ein.
Behinderten-Werkstätten sind aber nicht nur Unternehmen.
Sie sollen auch Menschen mit Behinderung helfen und schützen.
Diese beiden Aufgaben passen nicht immer gut zusammen. Das macht Probleme.
300 Tausend Menschen mit Behinderungen in Deutschland arbeiten in Werkstätten für behinderte Menschen.
Die Menschen mit Behinderungen bauen oder verpacken zum Beispiel Sachen.
Die Werkstätten bekommen dann Geld von anderen Firmen,
weil die Firmen die Sachen brauchen.
Auf diesem Bild ist ein Beispiel für so eine Arbeit zu sehen: Eine Frau mit Behinderung baut in einer Werkstatt Schienen aus Metall zusammen:
Manchmal machen Menschen mit Behinderungen in Werkstätten Arbeit,
die sie vielleicht auch in einer Firma machen könnten.
Aber sie bekommen weniger Geld als die Angestellten in einer Firma.
Manche Menschen finden die Werkstätten schlecht.
Sie sagen:
Menschen mit Behinderungen bekommen in Werkstätten zu wenig Lohn.
Lohn ist Geld, das man für die Arbeit bekommt.
Die meisten Menschen mit Behinderungen bekommen ungefähr 220 Euro Lohn im Monat.
Manche bekommen mehr Lohn.
Zum Beispiel 500 Euro.
Aber das ist sehr selten.
Der Werkstatt-Lohn reicht nicht
Man kann nicht leben von 220 oder 500 Euro im Monat.
Das Geld ist zu wenig,
- um eine Wohnung zu mieten
- um genug Essen zu kaufen.
Deshalb bekommen viele Menschen mit Behinderungen Geld vom Staat.
Der Staat ist die Gemeinschaft von allen Menschen,
die in einem Land leben.
Die Gemeinschaft gibt Menschen Geld,
wenn die Menschen nicht genug Geld zum Leben verdienen.
Das Geld heißt zum Beispiel Grund-Sicherung.
Grund-Sicherung und Werkstatt-Lohn zusammen sind oft 1100 Euro im Monat.
1100 Euro im Monat sind sehr wenig Geld.
Ein Mensch braucht in Deutschland wenigstens 1300 Euro im Monat.
Die meisten Menschen in Deutschland bekommen mehr Lohn als 1300 Euro.
Wenn man weniger als 1300 Euro im Monat hat,
ist man arm.
Viele Menschen mit Behinderungen sind arm.
Menschen ohne Behinderungen bekommen mehr Geld
In Werkstätten arbeiten auch Menschen ohne Behinderungen.
Zum Beispiel die Chefinnen und Chefs von den Werkstätten.
Und Menschen,
- die mit den Menschen mit Behinderungen für die Arbeit üben
- die den Menschen mit Behinderungen bei der Körper-Pflege helfen.
Die Menschen ohne Behinderungen bekommen in den Werkstätten mehr Lohn als die Menschen mit Behinderungen.
Menschen ohne Behinderungen bekommen einen Lohn,
von dem sie leben können.
Für den Lohn von Menschen ohne Behinderungen gibt es feste Regeln.
Zum Beispiel:
Menschen ohne Behinderungen dürfen nicht plötzlich weniger Lohn bekommen.
Für den Lohn von Menschen mit Behinderungen gibt es die Regel nicht.
Zum Beispiel:
In der Corona-Zeit haben manche Werkstätten den Menschen mit Behinderungen weniger Lohn gezahlt.
Aber Menschen ohne Behinderungen haben in den Werkstätten ihren normalen Lohn bekommen.
Menschen mit Behinderungen wollen einen gerechten Lohn
Viele Menschen mit Behinderungen wollen mehr Geld bekommen für die Arbeit in Werkstätten.
Eine Frau mit Behinderungen sagt:
Es muss einen gerechten Lohn geben.
Ein Forscher sagt:
Viele Menschen mit Behinderungen in Werkstätten schaffen bei der Arbeit weniger als Angestellte in Firmen.
Aber Menschen mit Behinderungen arbeiten oft genauso viele Stunden am Tag wie Angestellte in Firmen.
Und Menschen mit Behinderungen machen in Werkstätten Arbeit,
die für andere Firmen wichtig ist.
Die Firmen bezahlen den Werkstätten Geld für die Arbeit von den Menschen mit Behinderungen.
Der Forscher hat die Meinung:
Deshalb sollen Menschen mit Behinderungen in der Werkstatt
den Mindest-Lohn bekommen.
Mindest-Lohn heißt:
So viel Geld muss ein Mensch für eine Stunde Arbeit wenigstens bekommen.
Menschen mit Behinderungen bekommen in Werkstätten bisher nicht den Mindest-Lohn.
Werkstätten sind gut für viele große Firmen
Werkstätten für behinderte Menschen machen oft Arbeit für große Firmen.
Die Werkstätten verlangen nicht so viel Geld für die Arbeit.
Das ist gut für die großen Firmen,
weil die Firmen Geld sparen wollen.
Manche großen Firmen sparen sogar noch mehr Geld,
wenn Werkstätten für behinderte Menschen für sie arbeiten.
Große Firmen müssen eigentlich Menschen mit Behinderungen als Mitarbeiter anstellen.
Das ist in Deutschland eine Regel für Firmen,
die wenigstens 20 Angestellte haben.
In Firmen bekommen Menschen mit Behinderungen mehr Lohn als in Werkstätten.
Die Firmen müssen wenigstens den Mindest-Lohn bezahlen.
Wenn Firmen zu wenige oder keinen Menschen mit Behinderungen anstellen,
müssen sie Geld an den Staat bezahlen.
Das Geld heißt: Ausgleichs-Abgabe.
Aber es gibt einen Trick für Firmen.
Firmen können Geld sparen,
wenn Werkstätten für behinderte Menschen Arbeit für die Firmen machen.
Dann müssen die Firmen weniger Ausgleichs-Abgabe bezahlen.
Obwohl die Firmen zu wenige oder keine Menschen mit Behinderungen anstellen.
Das haben wir herausgefunden
Menschen mit Behinderungen verdienen wenig Geld in Werkstätten.
Menschen ohne Behinderungen verdienen mehr Geld in Werkstätten.
Und Werkstätten sind gut für viele große Firmen,
- weil die Werkstätten für wenig Geld gute Arbeit für die Firmen machen
- weil die Firmen weniger Ausgleichs-Abgabe bezahlen müssen.
Es für viele große Firmen also gut,
dass Menschen mit Behinderungen in Werkstätten wenig Geld verdienen.
So haben wir für diesen Artikel recherchiert
Für diesen Artikel haben wir über Werkstätten für Menschen mit Behinderung recherchiert.
Dabei haben wir mit dem Magazin andererseits zusammengearbeitet. andererseits ist ein Magazin, das über Behinderung schreibt. Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten dort zusammen. Was andererseits geschrieben hat, können Sie hier lesen.
Wir veröffentlichen noch mehr Artikel zu diesem Thema in den nächsten Monaten. Dafür arbeiten wir auch mit der Webseite Frag den Staat zusammen.
Das ist bei diesem Artikel besonders
Wir haben den Artikel in einfache Sprache übersetzt. Dafür haben wir ein Programm in einem Computer benutzt und den Text dann überprüft.
Für Leichte Sprache gibt es besondere Regeln. Eine Übersetzerin hat den Text in Leichte Sprache übersetzt.
Ein Mensch mit Lern-Schwierigkeiten hat den Text geprüft.
Wir haben die Grafiken im Artikel mit einem besonderen Programm gemacht. Das Programm heißt „Daten für alle“.
Es macht Grafiken, die auch für blinde Menschen verständlich sind. Die Beschreibung der Grafiken ist so gemacht, dass sie auch für Menschen mit Lernbehinderung gut verständlich ist.
Wir haben das Aussehen vom Artikel so gemacht, dass alle es gut lesen können. Dafür haben wir auf die Schrift-Größe, Abstände und Farben geachtet.
So können Sie uns erreichen
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Dann können Sie uns eine E-Mail schreiben an datenteam@sz.de
Infos über den Text
Die Süddeutsche Zeitung hat zusammen mit dem Magazin andererseits viel über Werkstätten für behinderte Menschen herausgefunden.
Den Text von der Süddeutschen Zeitung können Sie hier oben lesen.
Bei andererseits arbeiten Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen.
andererseits hat über die Werkstätten auch Texte in Leichter Sprache geschrieben.
Die Texte von andererseits in Leichter Sprache können Sie hier lesen.