Aktienindizes
Dax, Dow oder MSCI World: Wer hat die besseren Karten?
Vielleicht war es ein völlig verrückter Marketingschachzug, Anleger weltweit ausgerechnet mit einem unaussprechlichen Kürzel überzeugen zu wollen. Während komplizierte Buchstabenreihungen wie zum Beispiel Währungswetten mit sogenannten CFDs Sparern oft bloß Unglück brachten, ist folgenden neun Buchstaben an der Börse inzwischen ein Legendenstatus sicher: Hinter dem Kürzel „MSCI World“ verbirgt sich schließlich der wohl bekannteste Weltaktienindex am Parkett. Milliardenfach gegoogelt, millionenfach gekauft, tausendfach empfohlen.
Viele Börsenindizes umrankt nach einigen Jahren ein solcher Legendenstatus an der Börse: Nicht nur der beliebte Weltindex gehört inzwischen zum Börseninventar, auch der deutsche Leitindex Dax ist inzwischen international eine feste Größe, vom US-amerikanischen Dow Jones ganz zu schweigen. Wollen Anlegerinnen und Anleger mit börsengehandelten Indexfonds (ETFs) eins zu eins einem Börsenindex folgen, folgen sie gern den bekanntesten Indexlegenden. Wem auch sonst?
Nicht immer müssen die bekanntesten Indizes jedoch automatisch auch die besten sein. Ein Überblick.
Weltindizes
Der Bekannte: MSCI World
Von A wie Apple bis Z wie Zalando: Der Weltindex MSCI World gilt inzwischen als Brot- und Butterindex der Geldanlage. Viele Mitgliedsunternehmen kennen Sparer sogar aus ihrem Alltag: Das gewichtigste Unternehmen im Aktienkorb ist der Technologiekonzern Apple, dessen iPhones viele Menschen täglich in der Hand haben. Ebenso vertreten sind europäische Aktien wie beispielsweise die Luxusfirma LVMH, deren Handtaschen in vielen Einkaufsstraßen zu sehen sind, sowie der japanische Autobauer Mazda. Im langfristigen Schnitt hat der Index mit den rund 1500 globalen Aktien rund 8,3 Prozent Rendite pro Jahr eingefahren, weit mehr, als selbst viele Fondsmanager auf Dauer schaffen.
Genau genommen handelt es sich beim MSCI World jedoch um eine kleine Mogelpackung. In Wirklichkeit ist der Index nämlich gar kein Weltindex, schließlich sind in dem beliebten Aktienkorb nur 23 Industrieländer vertreten. Schwellenländer wie China, Vietnam oder Brasilien lassen Anlegerinnen mit diesem Index außen vor, auch wenn sie künftig immer wichtiger werden könnten.
Außerdem erdrücken US-Aktien den Index: Schon seit rund fünf Jahren stehen sie für rund zwei Drittel des Indexgewichts. „Das sollten sich Anlegerinnen und Anleger gut überlegen“, sagt Fondsexperte Ali Masarwah vom Anlageportal Envestor. Selbst wenn die US-Firmen einen Großteil ihres Geschäfts selbst wiederum längst in der ganzen Welt machen. Für Einsteigerinnen und Einsteiger kann der Index dennoch ein guter Start sein, ETFs bieten zum Beispiel der Anbieter iShares (WKN: A0RPWH) oder der Anbieter Xtrackers an (WKN: A1XB5U).
Der Extragroße: FTSE All World
Dieses Kursbarometer ist der wahre Weltindex: Im globalen Börsenbarometer FTSE All World sind zusätzlich zu den Aktientiteln aus Industrieländern auch Unternehmen aus 25 Schwellenländern vertreten. Neben neun Titeln aus Ägypten umfasst der Index beispielsweise 84 Aktien aus Brasilien und gar mehr als 1000 Titel aus China. „Wir empfehlen, ein Weltportfolio mit möglichst vielen Aktien aufzubauen“, sagt der unabhängige Honoraranlageberater Thomas Freiberger aus München. Mit dem FTSE All World geht das besser als mit dem weitaus bekannteren Indexkonkurrenten MSCI World, schließlich umfasst der Alternativindex mit knapp 4000 Titeln mehr als doppelt so viele Aktien.
In der Top-Ten-Liste des Index findet sich jedoch nicht eine einzige Aktie aus den aufstrebenden Nationen, weiter hinten rangieren dann beispielsweise Firmen des indischen Industriemagnaten Adani, der chinesische Onlinehändler Alibaba oder die ägyptische Telekom. Angst vor einer Übermacht der schwankungsreicheren Schwellenländer müssen Sparerinnen und Sparer also nicht haben, in Summe stehen die aufstrebenden Nationen nur für etwas mehr als elf Prozent des Indexgewichts. Auch die Börsenmacht der USA kann dieser Index nicht brechen, denn Titel aus den Vereinigten Staaten machen auch in diesem Kurskorb rund 60 Prozent des Gewichts aus. Wer sein Geld ohne großen Aufwand verhältnismäßig breit streuen will, kann über diesen Index nachdenken. Einen passenden ETF bietet der Anbieter Vanguard an (WKN: A2PKXG).
Deutschlandindizes
Der Leitindex: Dax
Vierzig ist das neue Dreißig: Unter diesem Motto hat die Deutsche Börse den wohl bekanntesten Börsenindex hierzulande vor rund zwei Jahren generalüberholt. Mehr als 30 Jahre lang stand der Dax stets für die wichtigsten 30 heimischen Börsengesellschaften, seit Herbst 2021 hat der Frankfurter Prestigeindex nun gar 40 Mitglieder. „Der Dax erhält eine Frischluftzufuhr“, meinte Börsenkenner Robert Halver von der Baader-Bank zum Start des runderneuerten Leitindex. Mit der Indexreform kamen schließlich neue Titel in den Index, etwa der Duftstoffehersteller Symrise, der Laborzulieferer Sartorius oder der Onlinemodehändler Zalando. Dennoch kritisieren Expertinnen und Experten den Index gern: Der Dax sei zu klein, zu renditeschwach und mit überkommenen Branchen überfrachtet. „Es gibt keinen Grund, in einen regional begrenzten Index wie den Dax anzulegen“, sagt Finanzexperte Thomas Freiberger.
Die Bilanz sieht auch zwei Jahre nach der großen Indexreform mau aus. Immer noch ist der Index mit nur 40 Titeln viel zu klein für eine breit gestreute Anlagestrategie. Und selbst wenn Experten es immer wieder postulieren: Durch die Erweiterung auf 40 Titel ist der Dax nicht deutlich moderner geworden. Noch immer entfallen beinahe 45 Prozent des Indexgewichts auf die drei konventionellsten Branchen Industrie, Chemie und Autos. Sollte den deutschen Großkonzernen der digitale und grüne Wandel misslingen, wäre das ein Risiko für Anleger. Viele Experten halten vom Dax als Anlagegrundlage daher eher Abstand, ETFs bieten beispielsweise die Anbieter iShares an (WKN: 593393) sowie Xtrackers (WKN: DBX1DA).
Der Angreifer: FTSE Germany All Cap
Dieser Index will den deutschen Leitindex angreifen: Während der Dax beinahe zum Synonym der heimischen Börse geworden ist, geht der FTSE Germany All Cap mit einem ausgefeilteren Konzept ins Rennen. Setzt der Dax schließlich nur auf die 40 wichtigsten Wirtschaftsgrößen wie Adidas, Siemens oder SAP, sind im Indexkonkurrenten mit fast 160 Firmen auch mittlere Börsenfirmen wie Thyssenkrupp und Puma vertreten. Sogar kleine Firmen wie der Küchenbauer Rational oder der Windradhersteller Nordex haben es in den Index geschafft.
Schauen Anlegerinnen und Anleger jedoch genau hin, verliert auch dieser Index einen Teil seines Charmes: Während die zehn größten Firmen für mehr als 50 Prozent des Index stehen, machen die restlichen knapp 150 Firmen für sich genommen meist weniger als ein Prozent des Indexgewichts aus. „Klumpenrisiken lassen sich kaum durch etwas breitere Streuung in Deutschland vermeiden“, sagt Honoraranlageberater Freiberger.
Anlegerinnen und Anleger könnten den Index jedoch als reine Beimischung für ihr Weltportfolio nutzen: Kaufen sie zu einem herkömmlichen Welt-ETF noch dieses Deutschlandbarometer, einen Japan-ETF und einen Schwellenländer-Index hinzu, können sie das dominante Gewicht der USA in den herkömmlichen Weltindizes ein wenig drücken. Einen passenden ETF gibt es beim Anbieter Vanguard (WKN: A2JF6S).
US-Indizes
Der Älteste: Dow Jones
In einer Kelleretage an der Wall Street fing alles an: 1884 schuf der Finanzjournalist Charles Dow in seinem Nachrichtenbüro zusammen mit Kollegen das wohl prestigereichste Aktienbarometer der Welt. Wenn Börsenexpertinnen und Anleger wissen wollen, wie es dem amerikanischen Aktienmarkt geht, schauen sie gerne auf den Dow Jones. Tag für Tag bannt der wohl bekannteste Kurskorb den Lauf 30 wichtiger US-Aktien in eine Kurve, vom Techgiganten Apple über die Sportmarke Nike bis hin zur Handelskette Walmart. „Mit dem Dow Jones verbinden viele Marktteilnehmer gerne nostalgische Erinnerungen“, sagt ETF-Experte Thomas Freiberger.
Expertinnen bezweifeln jedoch, wie aussagekräftig dieser Aktienindex wirklich ist. Kritiker des Index sagen, er sei viel zu grobschlächtig kalkuliert und im Effekt schlicht verzerrt. Ganz vorne im Index notiert zum Beispiel die Krankenversicherung Unitedhealth, auf die rund zwölf Prozent des Index entfallen. Der einzige Grund: Unitedhealth hat mit 500 Dollar einen besonders hohen Aktienkurs. Der größte Börsenkonzern Apple findet sich dagegen nicht einmal unter den wichtigsten zehn Positionen des Index, da sein Kurs „nur“ bei 175 Dollar notiert. Ob ein Unternehmen ursprünglich aber wenige Aktien zu hohen Kursen ausgibt oder viele zu niedrigen, sagt über die Firma eigentlich gar nichts aus.
Generell haben Anleger in breiten Weltindizes jedoch bereits einen üppigen US-Anteil. Wer sich jedoch selbst ein ETF-Depot aus mehreren Angeboten zusammenstellt, kann über den Dow Jones nachdenken. Einen passenden ETF bietet hierzulande der Anbieter iShares an (WKN: A0YEDK). Mit nur 30 Titeln fokussieren Börsensparer ihr Geld dann allerdings relativ stark.
Der No-Name-Index: Solactive GBS US Small & Mid-Cap
Dieser Index ist gewissermaßen das Blistex des Börsengeschäfts: Während viele Sparer den Dow Jones genauso kennen wie Labello-Lippenstifte, zucken viele beim Namen des Konkurrenzen Blistex nur mit den Schultern. Ähnlich ist es auch an der Börse, wo der Frankfurter Indexbetreiber Solactive die bekannteren Indexmacher und ihre Markennamen wie „S&P Dow Jones“ mit seinen No-Name-Kurskreationen angreifen will. Als angriffslustiger Spieler der Indexwelt haben die Frankfurter auch einen US-Index unter dem sperrigen Titel „Solactive GVS US Large & Mid Cap“ zusammengestellt: Er vereint die 495 wichtigsten US-Aktien, von A wie Apple bis Z wie beim Tiermedizinkonzern Zoetis.
Gerade die dynamischen IT-Aktien machen im US-Index von Solactive jedoch bereits knapp 30 Prozent aus, Gesundheitstitel und Finanzaktien stehen für jeweils rund 13 Prozent des Index. Damit hängen Anleger ihr Geld zwar an deutlich mehr Titel als im Dow Jones, gestehen aber der dominanten Techbranche auch mehr Gewicht zu – im „Dow“ steht sie nur für rund 18 Prozent des Indexgewichts. Einen ETF für diesen US-Index von Solactive gibt es beim Anbieter Amundi (WKN: A2PWMM).
Nachhaltige Weltindizes
Der Rigide: MSCI World SRI Low Carbon 5% Issuer Cap
Kohle ohne Kohle? Viele Anlegerinnen und Anleger wollen längst nicht mehr dulden, dass ihr Börsengeld in Aktien von Ölmultis, Atomkonzernen oder Kohlefirmen fließt. Doch selbst bei vermeintlich grünen Aktienindizes sollten Sparerinnen und Sparer aufpassen: Viele dieser Indizes enthalten trotz grüner Broschüren braune Schlupflöcher. Anders als viele andere grüne Indizes ziehen die Indexmacher des „MSCI World SRI Low Carbon 5% Issuer Cap“ jedoch eine klare Grenze: Kohle abbauen oder verkaufen? Null Toleranz. Öl und Gas fördern? Nicht erlaubt.
Mit diesen Kriterien ist dieser Index weit schärfer aufgestellt als viele andere nachhaltige Kurskörbe, die bei fünf oder gar zehn Prozent Umsatz mit fossilen Energien noch beide Augen zudrücken. Lange war der Index deswegen auch Nachhaltigkeitssieger bei Stiftung Warentest. Ein Schlupfloch hat die SZ jedoch auch bei diesem nachhaltigen Weltindex mit rund 400 Unternehmen ausfindig machen können: Fördern Firmen nicht selbst Öl, sondern transportieren und verkaufen es bloß, dürfen sie offenbar im Index bleiben. Das Unternehmen Philipps 66 betreibt beispielsweise Tankstellen und steht für immerhin 0,4 Prozent des Index.
Weiteres Problem: Viele gewichtige Firmen im Index fördern zwar keine fossilen Energien und schneiden in manchen Ökoratings gut ab, Namen wie Microsoft, Tesla oder Coca-Cola gefallen jedoch auch nicht jedem kritischen Aktionär oder jeder kritischen Aktionärin. Als solide Basisanlage kann dieser Index für nachhaltige Anleger infrage kommen, Anleger sollten die Wirkung ihrer Anlage jedoch nicht überschätzen. Einen passenden ETF bietet der Anbieter UBS an (WKN: A1W3CQ).
Der Weltverbesserer: Foxberry SMS Environment Impact 100
Klimasünder raus, Wohltäter rein – so ließe sich das Konzept des nachhaltigen Börsenbarometers aus dem Hause des Indexanbieters Foxberry beschreiben. Statt einfach nur kontroverse Geschäfte auszuschließen, sollen die Firmen in diesem Index die großen Probleme auf der Erde aktiv angehen. Wer mit seinen Geschäften den Klimawandel eindämmt, für Insektenvielfalt sorgt oder Materialien clever recycelt, hat gute Chancen auf einen Platz im Index.
Dabei erweisen sich die Indexmacher als vergleichsweise strenge Türsteher: Mehr als die Hälfte ihres Geschäfts müssen die Unternehmen mit solchen nachhaltigen Geschäftsfeldern erwirtschaften, sonst kommen sie nicht in die engere Auswahl. Auf der Mitgliedsliste findet sich zum Beispiel der US-Konzern Xylem, mit dessen Anlagen sich Abwasser säubern lässt. Ebenfalls vertreten sind Windanlagenbauer wie Vestas oder Siemens Energy genauso wie die norwegische Firma Tomra, die Pfandautomaten herstellt.
Anlegerinnen und Anleger können sich mit diesem Index besonders gut fühlen. Wer sich daher für den Kurskorb interessiert, findet einen passenden ETF beim Anbieter Rize (WKN: A3CN9S). Das Produkt ist aber noch so jung, dass sich keine soliden Aussagen zu Wertentwicklung und Verlässlichkeit treffen lassen. Anleger sollten sich vorerst also gut überlegen, welches Gewicht sie diesem ETF im Depot zuteilen.