Paradise Papers -
Die Schattenwelt des großen Geldes

Der Fall Glencore: Kampf um Katanga

Der Kongo ist bettelarm, obwohl dort Bodenschätze für die ganze Welt liegen. Ein Wirtschaftskrimi aus dem Herzen Afrikas.

Petra Blum, Katrin Langhans, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer, Tobias Zick und Oliver Zihlmann - 06. November 2017

Die Demokratische Republik Kongo könnte reich sein. Im Süden dieses großen Landes im Herzen Afrikas lagern Kupfer und Kobalt in so rauen Mengen, dass die wertvollen Metalle schon an der Oberfläche schimmern. Die Stoffe sind unverzichtbar für Handys und Elektroautos, denn man braucht sie für deren Antriebe und Ladestationen: Manche nennen den Kongo schon das "Saudi-Arabien der Elektromobilität".

Aber der Kongo ist nicht reich, er ist bettelarm. An den Rändern der großen Kupferminen graben Zigtausende Menschen mit bloßen Händen in der Erde, um ein paar Brocken von dem Erz verkaufen zu können. Das, was sie erlösen, reicht oft nicht, um ihre Familien zu ernähren. Nicht mal jeder Zweite hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, jedes siebte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag.

Ein großer Rohstoffkonzern gerät in Erklärungsnot

Warum muss die Bevölkerung Hunger leiden, wenn die Erde voller Bodenschätze ist? Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR haben mithilfe der Paradise Papers die Ereignisse rund um eine wertvolle Mine im Kongo rekonstruiert. Die Geschichte zeigt, wie sich das Land nach Verhandlungen am Ende mit viel weniger Geld zufriedengibt, als es zwischenzeitlich gefordert hatte. Wieder Hunderte Millionen Dollar, die fehlen, um das Leben der Menschen erträglicher zu machen, von denen die meisten nicht einmal zwei Dollar am Tag haben.

Die damaligen Abläufe bringen Glencore, einen der größten Rohstoffkonzerne der Welt, in Erklärungsnot. Denn die Rekonstruktion weckt den Verdacht, dass im Zuge jener Verhandlungen um den Zugriff auf die reichen Kupferminen einer oder mehrere kongolesische Politiker oder Beamte bestochen wurden.

Durch die Auswertung der Paradise Papers, öffentlich zugänglicher Berichte jener Zeit, durch Gespräche mit Experten und eine Recherche-Reise in den Kongo lässt sich ein wahrer Wirtschaftskrimi nachzeichnen. 

In den Hauptrollen: ein skrupelloser Präsident,

Dan Gertler, ein Glücksritter aus Israel,  

Dan Gertler, ein Glücksritter aus Israel,  

und Glencore, der medienscheue Schweizer Rohstoffgigant.  

Es geht um eine Mine namens Katanga. Der Geschäftsführer der Minengesellschaft Katanga Mining muss dem Aufsichtsrat im Oktober 2008 von einer Krise berichten. Die Kongolesen fordern Geld, sehr viel Geld. Die Kongolesen, heißt es in Protokollen der Aufsichtsratssitzungen jener Zeit, "sind nicht glücklich mit der Situation und verlangen 585 Millionen Dollar zusätzlich". Die Summe ist den Aufsichtsräten der Katanga-Mine viel zu hoch. Die Versammlung beschließt: Vier von ihnen, darunter ein Glencore-Vertreter, sollen sofort "eine Diskussion mit Dan Gertler starten".

Dan Gertler ist bekannt für seine enge Verbindung zum kongolesischen Präsidenten. Der israelische Geschäftsmann, Spross einer Diamantenhändlerfamilie, hat rechtzeitig erkannt, dass Kupfer und Kobalt mindestens ebenso viel Reichtum versprechen wie Diamanten. Wenn einer die Verhandlungen zu Gunsten der Minenbetreiber drehen kann, dann er.

Glencore bestätigt, dass 2008 tatsächlich Preisverhandlungen stattgefunden haben. Nach Darstellung des Schweizer Konzerns hätten sich die kongolesische Seite und die Minengesellschaft Katanga Mining allerdings schon vor Gertlers Einsatz auf eine Zahlung von 135 Million Dollar geeinigt. Doch dann habe der Kongo plötzlich mehr Geld gefordert.

Auch Gertler erklärt auf SZ-Anfrage, die Forderung der Gegenseite sei viel zu hoch gewesen. Die Summe, die der Kongo verlangt habe - 585 Millionen Dollar - hätte kein Unterhändler akzeptieren können. Beide Seiten hätten Zugeständnisse gemacht. Die kongolesische Seite habe besser dagestanden als vorher. Unterm Strich gebe es keine Basis für den Vorwurf, sein Einwirken habe zu einer unzulässigen Bevorzugung von Katanga Mining geführt. Gertler erklärt, er halte sich im Kongo und in allen anderen Ländern, in denen er Geschäfte macht, streng an Recht und Gesetz.

Am Ende erhielt der Kongo 140 Millionen statt der zwischenzeitlich geforderten 585 Millionen Dollar. Nach Ansicht der Minen-Expertin Elisabeth Caesens, die solche Geschäfte seit Jahren untersucht und die Zahlen verglichen hat, haben Katanga und Glencore hier einen immensen Rabatt erhalten: "Katanga bezahlte für ihre Lizenzen pro Tonne nur ein Viertel dessen, was praktisch alle anderen Investoren im Kupfer-Sektor damals als Preis akzeptierten." Der Kongo hätte demnach auf Hunderte Millionen Dollar verzichtet – und vor allem Glencore dadurch eine Menge Geld gespart.

Der Schweizer Rechtsexperte Mark Pieth kommt zu dem Ergebnis, dass Glencore die Geschäftsbeziehung zu dem umstrittenen Unternehmer Gertler im Jahr 2008 hätte stoppen müssen. "Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat Glencore keine professionelle Prüfung von Dan Gertler gemacht, oder sie wussten sehr genau, dass es ein Korruptionsrisiko gab - und haben es bewusst in Kauf genommen", sagt der Rechstexperte. Die Vereinten Nationen hatten die Geschäfte einer Gertler-Firma mit dem Kongo in einem Bericht aus dem Jahr 2001 als einen "Albtraum" bezeichnet. Zudem war im Jahr 2005 bereits eine Kommission des kongolesischen Parlaments zu dem Schluss gekommen, eine Firma aus Gertlers Umfeld habe einer staatlichen Minengesellschaft einen Kredit zu wucherhaften Konditionen gegeben. Gertler weist die Darstellung dieser Berichte in Gänze zurück. 

Hätte sich Glencore auf einen Mann wie ihn einlassen dürfen?

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Ein machtbesessener Präsident, ein einflussreicher Ex-Minister, ein gewiefter Geschäftsmann und ein verschwiegener Schweizer Konzern: Warum der Kongo bettelarm ist, obwohl dort Bodenschätze für die ganze Welt liegen – ein Wirtschaftskrimi aus dem Herzen Afrikas.

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