Bonos Litauen-Tournee
Mit seiner Rockband U2 hat der irische Sänger Bono weit mehr als 1000 Konzerte auf der ganzen Welt gegeben – kein einziges davon fand in Litauen statt. Und doch hat Bono, bürgerlich Paul David Hewson, eine besondere Beziehung zu dem Land im Baltikum. Laut Paradise Papers ist er dort seit rund zehn Jahren Mitbesitzer eines Einkaufszentrums.
Eines Einkaufszentrums?
Bono ist Frontman, Songwriter, Gitarrist und verdient als solcher eine Menge Geld. Mehr als 100 Millionen Tonträger hat die irische Band U2 weltweit verkauft. Und obwohl sie schon seit mehr als 40 Jahren im Geschäft ist, obwohl U2 Rockmusik spielt, hören der Band auch jüngere Menschen zu. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Bono der zunehmend globalisierungskritischen Generation aus dem Herzen spricht, wenn er mehr Gerechtigkeit für Afrika fordert, Schuldenerlass oder frei zugängliche, bezahlbare Aids-Medikamente. Bono fehlt bei keinem Benefizkonzern von Weltrang, und man kann ihn ohne weiteres für einen guten Menschen halten – soweit man das bewertet, was man vom öffentlichen Bono so zu sehen bekommt.
Es gibt aber auch die nicht öffentliche Seite. Und was könnte weniger öffentlich sein als Briefkastenfirmen in einem Steuerparadies?
Die Beteiligung des in den Paradise Papers als Paul Hewson geführten Bono an dem litauischen Einkaufszentrum namens „Aušra“ lief zuerst über eine Briefkastenfirma auf Malta und später über eine auf der Ärmelkanal-Insel Guernsey. Bonos Management bestätigte auf Anfrage von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, dass der Sänger Anteile an den fraglichen Firmen hielt und noch immer hält.
Das Einkaufszentrum machte nun jährliche Profite um die 100.000 Euro
Die beiden Firmen heißen Nude Estates Malta Limited und Nude Estates I Limited. Sie haben nacheinander die Anteile an der UAB Nude Estate 2 gehalten, dem Einkaufszentrum. Nachdem die litauische Steuerbehörde von Journalisten mit diesen Erkenntnissen aus den Paradise Papers konfrontiert worden war, teilte sie mit: „Wir haben Untersuchungen gegen die genannte Firma eingeleitet.“ Eine Sprecherin Bonos sagte, Informationen über angebliche Steuerverstöße seien „kategorisch falsch“.
Die Untersuchungen mögen ergeben, wer Recht hat, die Lücke zwischen dem öffentlichen und nicht so öffentlichen Bono wird dadurch jedenfalls nicht kleiner, der Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Gerechtigkeitsfanatikers aber größer. Das Investment in der litauischen Kleinstadt Utena, 26 000 Einwohner, vorherrschende Farbe grau, dürfte Bonos Kontostand irgendwo hinter dem Komma verändern. Das Einkaufszentrum zahlte zwar in den zehn Jahren seines Bestehens keinen einzigen Cent Steuern auf Unternehmensgewinne, obwohl es nach seinen Bilanzen zu urteilen zwischen 2013 und 2016 jährlich gute 100.000 Euro Profit gemacht hatte. Das bestätigte die litauische Steuerbehörde auf Anfrage, und das sei der Grund für die Untersuchungen.
Die litauische Steuerexpertin Rūta Bilkštytė vermutet nach einem Blick in die Bilanzen, dass die Firma, an der Bono nach eigenem Bekunden „passiver Minderheitseigentümer“ ist, bis inklusive 2016 mehr als 46.000 Euro an Steuerzahlungen vermieden hat – und durch das Konstrukt in Zukunft weitere 400.000 Euro vermeiden könnte.
46.000 Euro oder 400.000 Euro – warum riskiert Bono, den manche Medien vor allem wegen eines erfolgreichen Investments bei Facebook längst für einen Milliardär halten, für eine solche Summe seine Glaubwürdigkeit? Warum beteiligt er sich daran, dass ein nicht zu den allerreichsten Ländern zählender Staat wie Litauen und eine seit Jahren schrumpfende Provinzstadt wie Utena Steuern verlieren?
Zu den Firmen- und Geldtransfers, die in den Paradise Papers sichtbar werden, hat die litauische Expertin jedenfalls eine eindeutige Haltung: „Meiner Meinung nach ist das kein Versehen, keine Steuerplanung oder Steuervermeidung, sondern ein grober Verstoß gegen das Steuergesetz.“
Bono hat auch eine eindeutige Haltung zur Kritik, die an seinen Finanzgeschäften gelegentlich geäußert wird: „Geschäft ist Geschäft“, hat er im irischen Fernsehen gesagt, als schon 2006 die Frage aufkam, warum der Steuerstandort für das Geschäft der Band U2 von Irland in die Niederlande verlagert wurde, was sein Heimatland angeblich um Steuereinnahmen brachte. In Irland sollten Steuerprivilegien für Künstler abgeschafft werden.
Auch damals wurde Bono Scheinheiligkeit vorgeworfen: Wie passt es zusammen, dass er sich einerseits als glühender Aktivist für globale Gerechtigkeit inszeniert und andererseits wie ein kühler Geschäftsmann handelt? „Wir zahlen Millionen und Abermillionen Steuern“, entgegnete Bono. U2 habe das Recht, sich so zu verhalten wie jede andere Firma auch.
Briefkastenfirmen verhalten sich freilich etwas anders. „Ich habe den Käufer nie gesehen“, sagt etwa Bauunternehmer Robertas Dargis, von dem die maltesische Nude Estates Malta Limited das Gebäude 2007 übernommen hat. Er habe gewusst, „dass es britische oder irische Investoren sind – aber Bono? Das hat niemand erwähnt“. Auch bei der UAB Nude Estate 2, die das Einkaufszentrum betreibt, war dies offenbar nicht bekannt. Vorstand Sigitas Jautakis sagt, er kenne nur einen irischen Investor namens Brian. Und dass das Einkaufszentrum für schlappe 100 britische Pfund von einer Bono-Briefkastenfirma zur anderen wanderte? Der absurd niedrige Preis ist noch so eine Ungereimtheit.
Eine andere nun aufgetauchte Briefkastenfirma reicht auch nach Deutschland
Stellt sich das litauische Modell um das Einkaufszentrum tatsächlich als Steuerverstoß heraus, könnten die Behörden des Landes als Konsequenz die fehlenden Steuerzahlungen einfordern. Möglich wäre ein zusätzliches Bußgeld im Rahmen von zehn bis 50 Prozent der Steuersumme. Nachdem das ICIJ vergangenes Jahr die Panama Papers veröffentlicht hatte, wurde in Litauen die Zahl der Steuerermittlungen verdoppelt. Das Land gründete eine Sondereinheit gegen Steuerbetrug mit Briefkastenfirmen.
Die Chefs des Einkaufszentrums gehen jedoch davon aus, dass sie sich rechtlich einwandfrei verhalten haben. Vorstand Sigitas Jautakis sagte auf Anfrage: „Aber wenn die Steuerbehörde entscheidet, dass wir Gewinnsteuer nachzahlen müssen, werden wir entsprechend reagieren.“
Bonos litauisches Abenteuer ist nur ein kleiner Teil seiner Investments. Eine andere nun in den Paradise Papers aufgetauchte Briefkastenfirma reicht auch nach Deutschland. Neben der Nude Estates I gibt es auf Guernsey nämlich noch die Nude Estates (ohne römische Ziffer). Hier steht im Register, dass Bono 2008 ein Drittel der Anteile besaß. Er bestätigte auf Anfrage, dass er sie noch immer hält. Im selben Jahr übernahm diese Firma den Bürokomplex Silberpalais am Duisburger Hauptbahnhof. Der 37.000 Quadratmeter große Koloss beherbergt die Commerzbank, den Stahlkonzern Klöckner und das Wohnungsunternehmen Vonovia. Laut Lokalpresse kaufte Nude Estates das Gebäude für rund 45 Millionen vom Vorbesitzer Eon. Das heißt, Bono wäre mit 15 Millionen beteiligt. Beim Silberpalais gibt es keinerlei Verdacht auf Steuervergehen.
Im Vergleich zu diesem Unternehmen wirkt Bonos Engagement in Litauen klein. Warum also dieses Einkaufszentrum im Nirgendwo? Der Vorstand der Firma auf Guernsey äußerte sich dazu auf Anfrage genau so wenig wie Bono.
Viele Wohltäter sind der Meinung, dass sie selbst am besten wissen, wo sie mit ihrem Geld Gutes tun können – besser als der Staat. Dass sie ihr Geld dabei aber bisweilen auf Kosten der Gemeinschaft verdienen? Nun, Geschäft ist Geschäft.