Pläne der neuen Bundesregierung
Was die Wahlgeschenke den Steuerzahler kosten würden
Am Dienstag stimmte der Bundestag dem historischen Schuldenpaket zu, an diesem Freitag dürfte der Bundesrat folgen.
Die Grünen hatten ihre Zustimmung zuvor von einer Reihe von Bedingungen abhängig gemacht. So müssen 100 Milliarden Euro aus dem 500 Milliarden Euro großen Infrastruktur-Sondervermögen in den Klimaschutz fließen. Zudem haben die Grünen ausgehandelt, dass dieses Sondervermögen ausschließlich für zusätzliche Investitionen verwendet wird, es dürfen damit also keine ohnehin schon laufenden Projekte finanziert werden.
Die Mütterrente wurde 2014 von der damaligen Koalition aus Union und SPD mit dem Ziel eingeführt, die Lebensleistung insbesondere von Müttern besser zu würdigen und Altersarmut vorzubeugen. Dabei haben, anders als der Name vermuten lässt, auch Väter Anspruch darauf. Ausschlaggebend ist, wer den Nachwuchs überwiegend erzogen hat. Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, werden derzeit bis zu zweieinhalb Erziehungsjahre angerechnet. Das entspricht 2,5 Rentenpunkten. Für Kinder, die 1992 oder später geboren wurden, werden hingegen bis zu drei Erziehungsjahre und damit drei Rentenpunkte berücksichtigt.
Die CSU hält diese unterschiedliche Behandlung für ungerecht. In den Sondierungsgesprächen setzte die Partei durch, dass die Mütterrente auch für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, von 2,5 auf drei Rentenpunkte ausgeweitet werden soll. Ein halber Rentenpunkt entspricht aktuell 19,66 Euro im Monat. Die Kosten für die Ausweitung der Mütterrente beziffert ein Sprecher der Rentenversicherung mit „voraussichtlich fünf Milliarden Euro pro Jahr“.
An dem Vorhaben gibt es Kritik. Ökonominnen wie die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer warnen nicht nur vor einer zusätzlichen Belastung der ohnehin strapazierten Rentenkasse. Die Wirtschaftsweise hält die Ausweitung der Mütterrente auch für „aus der Zeit gefallen“. Sinnvoller wäre es, die finanzielle Situation für berufstätige Eltern zu verbessern, etwa durch eine Ausweitung der Kinderbetreuung oder die Abschaffung des Ehegattensplittings. Letzteres würde nach Ansicht von Experten dazu führen, dass Mütter in größerem Umfang als bisher erwerbstätig sind.
„Zum Mitnehmen oder zum Hieressen?“ Diese Standardfrage beim Bäcker dürfte bald an abrechnungstechnischer Relevanz verlieren, denn CDU und CSU wollen die Mehrwertsteuer in der Gastronomie dauerhaft von 19 auf sieben Prozent senken. Momentan gilt für Speisen, die in Restaurants und Cafés verzehrt werden, ein Steuersatz von 19 Prozent, für Essen aus dem Supermarkt oder zum Mitnehmen werden hingegen nur sieben Prozent fällig. Während der Pandemie galten die sieben Prozent vorübergehend als Ausnahme auch für die Gastronomie, um die von den Corona-Beschränkungen stark betroffenen Betriebe zu unterstützen. Seit Anfang 2024 sind nun wieder 19 Prozent fällig.
Ökonomen des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW hatten ausgerechnet, dass dem Staat durch den reduzierten Steuersatz rund drei Milliarden Euro pro Jahr entgehen würden. Auf zehn Jahre gerechnet wären es sogar 38 Milliarden Euro, weil die Forscher von steigenden Umsätzen ausgehen. Sie kritisieren, dass hauptsächlich Besserverdiener von einer Steuerermäßigung profitieren würden, weil sich viele ärmere Bürger ohnehin keinen Restaurantbesuch leisten könnten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hingegen hatte monatelang für die Beibehaltung der Sieben-Prozent-Steuer lobbyiert. Ein Argument ist, dass das Essen in Schulen und Kitas von guter Qualität und trotzdem bezahlbar bleiben müsse. Das sei mit dem erhöhten Mehrwertsteuersatz kaum zu gewährleisten. Außerdem hätten Supermärkte ihr Angebot an verzehrfertigen Speisen massiv ausgebaut, auf die sie nur sieben Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen. Das sei unfair.
Zunächst schien die Lobbyarbeit der Gastronomen Erfolg zu haben. Sowohl Christian Linder (FDP) als auch Olaf Scholz (SPD) sprachen sich für die Wiedereinführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes aus. Doch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 fehlte auf einmal viel Geld im Bundeshaushalt und damit der Spielraum für Steuererleichterungen. Nun soll die Gastro-Steuer doch wieder sinken. Unklar ist, ob die Gastronomen den Vorteil an die Kundschaft weiterreichen oder nur selbst profitieren.
Die letzte Erhöhung der Pendlerpauschale ist erst drei Jahre her. Seit dem Steuerjahr 2022 und zunächst befristet bis 2026 können Arbeitnehmer ab dem 21. Kilometer 38 Cent von der Steuer absetzen, für kürzere Arbeitswege gelten 30 Cent pro Kilometer. Die CDU will nun, dass die 38 Cent schon ab dem ersten Kilometer angesetzt werden können. Wie viel diese Erhöhung kosten würde, lässt sich nur grob schätzen. 2021 lautete die Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine kleine Anfrage eines FDP-Politikers, dass bereits die Erhöhung der Pendlerpauschale um einen Cent für den Staat Mindereinnahmen von rund 230 Millionen Euro bedeuten würde. Die nun von der CDU angestrebte Erhöhung um acht Cent ab dem ersten Kilometer könnte dementsprechend mehr als eine Milliarde Euro kosten.
Als Wahlgeschenk würden Landwirte die Wiederauflage der Agrardiesel-Subvention natürlich nicht betrachten – eher schon als Rückkehr zur Normalität. Noch bis Februar 2024 konnten sie sich für jeden Liter Diesel 21,48 Cent Steuer zurückerstatten lassen. Derzeit sind es noch gut sechs Cent – und vom kommenden Jahr an wären es null Cent gewesen. Wären.
Im Sondierungspapier von Union und SPD steht die Rückkehr zu diesem Dieselprivileg nun unter der Rubrik „Landwirten den Rücken stärken“. Sie könnte genauso gut heißen: „Weniger Ärger mit den Bauern“. Denn im vorigen Jahr hatten die Pläne der Ampelkoalition das Fass bei vielen Landwirten überlaufen lassen. Weil das Bundesverfassungsgericht der Koalition einen 60 Milliarden Euro schweren Buchungstrick zerschossen hatte, suchten SPD, Grüne und FDP verzweifelt nach Einsparpotenzialen – und fanden sie unter anderem beim Agrardiesel. Schon lange fand sich die Rückvergütung in der langen Liste der umweltschädlichen Subventionen, wenngleich als einer der kleineren Posten. Zuletzt hatte die Diesel-Subvention im Jahr insgesamt 440 Millionen Euro ausgemacht.
Die Landwirte halten die Kehrtwende für einen „wichtigen Schritt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft dagegen sieht sie als jüngsten Beweis dafür, wie schwer man aus solchen Subventionen wieder herauskommt. Das Geschäftsmodell der Begünstigten habe sich auf die Hilfe eingestellt, heißt es in dem am Donnerstag erschienenen Subventionsbericht der Kieler: „In der Tat handelt es sich dann um eine eingefahrene Subventionsmentalität.“
Wie eine neue Förderung der E-Mobilität aussehen wird, ist aktuell noch offen. Im Sondierungspapier ist lediglich allgemein von Kaufanreizen die Rede. Dementsprechend sind Schätzungen schwierig, wie groß der Topf für diese Subventionen sein wird und ob es wieder Kaufprämien geben wird oder zum Beispiel Steuererleichterungen. Denkbar wäre auch, eine soziale Komponente einzuführen. Was sich sagen lässt: Mit der alten E-Auto-Prämie, die Ende 2023 abrupt gestoppt wurde, wurden 2,2 Millionen Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge gefördert. Dafür hat der Bund die hohe Summe von rund 10,2 Milliarden Euro ausgegeben. Die Bilanz dieser Prämie fiel laut einer Untersuchung, die das Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hatte, gemischt aus. Aktuell sind in Deutschland rund 1,5 Millionen reine E-Autos zugelassen.
Auf den ersten Blick nicht unbedingt ein Wahlgeschenk, sondern möglicherweise ein Mittel gegen den Fachkräftemangel: Arbeiten im Rentenalter soll sich mehr lohnen. Schon bisher können Rentnerinnen und Rentner ein Einkommen erzielen, ohne darauf Steuern zahlen zu müssen, wenn sie unter dem allgemein geltenden Grundfreibetrag liegen. Dieser liegt 2025 bei einem Jahreseinkommen von 12 096 Euro. Diese Summe wollen die Koalitionäre fast verdoppeln, laut dem Sondierungspapier soll „Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei“ bleiben, also bis zu 24 000 Euro im Jahr. Der Plan entspricht früheren Forderungen der CDU, sie nennt das Konzept „Aktiv-Rente“.
Wie viel das Modell kostet, lässt sich schwer sagen. „Die Effekte kann man derzeit nicht seriös quantifizieren“, sagte der Sozialstaatsexperte Martin Werding der Süddeutschen Zeitung. Die Folgen hingen davon ab, inwiefern sich das Verhalten der Ruheständler ändere, so der Wirtschaftsweise, aber auch davon, inwiefern Menschen, die ohnehin im Rentenalter weiter arbeiteten, die Steuerfreiheit mitnähmen (was einem Steuergeschenk gleichkäme). Auch die CDU konnte bei der Vorstellung des Modells vor zwei Jahren die Kosten nicht beziffern. Das Prognos-Institut hatte allerdings berechnet, inwiefern die Volkswirtschaft profitiert, wenn mehr Ruheständler arbeiten. Im pessimistischen Szenario mit 50 000 zusätzlich arbeitenden Senioren wäre dies eine Wertschöpfung in Höhe von 3,6 Milliarden Euro im Jahr, im optimistischen Szenario mit 300 000 Aktiv-Rentnern sogar 18,2 Milliarden Euro.