Streifzug am Meer

Das Muster des Sommers? Streifen natürlich, da sieht alles gleich nach großen Ferien aus. Über Matrosenhemden, Essen im Freien und die Leichtigkeit der Riviera.

7. Juli 2023 - 4 Min. Lesezeit

La France

Streifen sind ja so französisch. Es gibt kaum etwas, das Menschen außerhalb von Frankreich für ähnlich nonchalant und dennoch schick halten wie ein geringeltes Oberteil. Wer es trägt, scheint ständig ein imaginäres Baguette unter den Arm geklemmt zu haben, fehlt nur noch eine dieser Basttaschen im Ellbogen für sorgloses Bummeln über den nächstbesten Gemüsemarkt einer kleinen Stadt am Meer. Paris, Bretagne, die Riviera, es sind die schönsten Orte des Landes, die untrennbar mit dem Bild der marinière verbunden sind, dem Matrosenshirt. Tatsächlich soll das Signalmuster einst in der Schifffahrt dazu gedient haben, über Bord Gegangene in den Wellen zu orten. Heute gehört es als Inbegriff von Leichtigkeit mit modischem Tiefgang in jede Sommergarderobe, das predigte schon die in Stilfragen niemals irrende Inès de la Fressange, neulich legte es die Moderedakteurin Harriet Walker in der Times mal wieder den nicht immer ganz stilsicheren Briten ans Herz („Why I want to look like a french woman“). Cary Grant schlüpft in Geringeltes, um in „To Catch a Thief“ als gereifter Lebenskünstler an der Côte d’Azur durchzugehen, James Dean mimt mit Existenzialisten-Streifen den Intellektuellen. Berühmteste Trägerin war natürlich die Saint-Tropez-Matrosin Brigitte Bardot. Beste Marken: Armor Lux und Saint James.

Der Maler

Henri Rousseau, Sohn eines Klempners, war kein akademischer Maler, sondern Autodidakt, und wollte das mit seinen Werken auch nicht verbergen. Als Zollangestellter begann der Franzose erst mit weit über vierzig zu malen, ungelenke Dschungellandschaften, flach wirkende Porträts einfacher Leute – die Pariser Bohème war umgehend begeistert. Dieses Direkte, das Authentische der Bilder, eine Entdeckung! Rousseau lernte Gauguin und den Dichter Guillaume Apollinaire kennen, später Picasso und Braque. Aber auch wenn er zum Wegbereiter des Surrealismus erklärt wurde – man kann sich bei den Bildern nie sicher sein, ob das Naive, die schiefen Perspektiven und Proportionen nicht auch ein ironischer Kommentar auf die elitäre Welt der Künstler sind. In „Les Joueurs de football“ von 1908 spielen vier Männer in schönsten Streifentrikots auf einem viel zu kleinen Feld angeblich Rugby, was damals gerade eine Art Trendsport wurde. Dabei sehen sie eher aus wie Balletttänzer bei einer eigentümlichen Schrittfolge. Die getigerte Kluft verstärkt das Fremdartige, Streifen waren etwas für Menschen am Rand der Gesellschaft, Sträflinge oder Zirkusartisten. Genau das hat Rousseau wahrscheinlich gefallen.

Die Mode

Ob Frühjahrs- oder Herbstdefilee, die Kollektionen von Jean Paul Gaultier umweht immer etwas sommerlicher Leichtsinn. Das liegt auch an den allgegenwärtigen Blockstreifen, ein verspieltes, nicht ganz ernst zu nehmendes Muster und so etwas wie sein Markenzeichen. Sofern dieses Wort passend ist für einen Couturier, andererseits hat gerade Gaultier kein Problem mit Volksnähe und Verkäuflichkeit. Der Matrosenpullover, sagte er mal, sei sein „Fetisch“, vor allem, seit er Fassbinders Film „Querelle“ von 1982 sah. Auch andere Modehäuser lieben Streifen, aber Gaultier betont neben der maritimen Frische oft die subversivere Seite: Matrosen stünden nicht nur für blütenweiße Kragen, sondern die Zwischenwelten düsterer Hafenviertel. Der Designer schneidert die mehrdeutigen rayés Männern und Frauen auf den Leib, aus Leder, aus Pailletten, als Tattoo- oder Perlenmuster, stets hochelegant und am liebsten mit Punk-Attitüde.

Das Strandtuch

Troppo, zu viel? Kann man von Badetüchern eigentlich nie haben, aber die Berliner Firma mit dem italienischen Namen bezieht sich eher ganz grundsätzlich auf den Gedanken der, was sonst, Nachhaltigkeit. Und es stimmt ja auch, von allem, was uns zu Hause oder im Urlaub an Dingen umgibt, haben die meisten schon mehr als genug. Um ihre Gebrauchszeit zu verlängern, sind deshalb die Strand-Laken von Troppo zeitlos gemustert, mit Streifen, klassischer geht es kaum. Das sieht auch nach sehr vielen Jahren, wenn das Frotteetuch ausgebleicht, von Sonnenmilchflecken verunziert oder stellenweise fransig sein wird, gut aus. Daher: Eines geht noch (troppo.store).

Die Gläser

Mundgeblasenes Glas aus Murano ist kostbar und trotzdem manchmal nicht mehr als ein Souvenir, das daheim verstaubt. Die traditionellen Millefiori-Blüten der Schalen und Karaffen sehen plötzlich altbacken aus, verschnörkelte Leuchter sind nicht jedermanns Sache. Längst gibt es auch ambitionierte Werkstätten auf den Inseln vor Venedig wie Berengo Studio, das mit Künstlern wie Ai Weiwei oder Thomas Schütte zusammenarbeitet. Für den Haus- oder besser Balkon- und Gartengebrauch bietet sich die aktuelle Geschirrserie des Mailänder Labels Sunnei an: Teller und Gläser aus Murano in schönen Sommerfarben, ideal für den draußen gedeckten Tisch. Und die Gondoliere-Spiralen sind gleich noch eine Erinnerung an den letzten Venedig-Urlaub (sunnei.it).

Der Reifen

Einen Schwimmreifen braucht man normalerweise nicht als Erwachsener mit genügend Wassererfahrung. Aber es gibt aufblasbare Ringe, die so speziell aussehen, dass sie trotzdem mit in die Badetasche kommen. Der geblähte Donut oder die pralle Weißwurst sind Geschmackssache, auf das Streifenmodell von „Petites Pommes“ in vielen Farben können sich wahrscheinlich alle in der Familie einigen. Praktisch auch als Trockenablage für nasse Badesachen oder als Kissen für eine Siesta. Draußen auf dem Wasser kann man sich auf dem Reifen, die schönste Beschäftigung an einem Sommertag, treiben lassen.

Streifzug am Meer

Das Muster des Sommers? Streifen natürlich, da sieht alles gleich nach großen Ferien aus. Über Matrosenhemden, Essen im Freien und die Leichtigkeit der Riviera.

La France

Streifen sind ja so französisch. Es gibt kaum etwas, das Menschen außerhalb von Frankreich für ähnlich nonchalant und dennoch schick halten wie ein geringeltes Oberteil. Wer es trägt, scheint ständig ein imaginäres Baguette unter den Arm geklemmt zu haben, fehlt nur noch eine dieser Basttaschen im Ellbogen für sorgloses Bummeln über den nächstbesten Gemüsemarkt einer kleinen Stadt am Meer. Paris, Bretagne, die Riviera, es sind die schönsten Orte des Landes, die untrennbar mit dem Bild der marinière verbunden sind, dem Matrosenshirt. Tatsächlich soll das Signalmuster einst in der Schifffahrt dazu gedient haben, über Bord Gegangene in den Wellen zu orten. Heute gehört es als Inbegriff von Leichtigkeit mit modischem Tiefgang in jede Sommergarderobe, das predigte schon die in Stilfragen niemals irrende Inès de la Fressange, neulich legte es die Moderedakteurin Harriet Walker in der Times mal wieder den nicht immer ganz stilsicheren Briten ans Herz („Why I want to look like a french woman“). Cary Grant schlüpft in Geringeltes, um in „To Catch a Thief“ als gereifter Lebenskünstler an der Côte d’Azur durchzugehen, James Dean mimt mit Existenzialisten-Streifen den Intellektuellen. Berühmteste Trägerin war natürlich die Saint-Tropez-Matrosin Brigitte Bardot. Beste Marken: Armor Lux und Saint James.

Der Maler

Henri Rousseau, Sohn eines Klempners, war kein akademischer Maler, sondern Autodidakt, und wollte das mit seinen Werken auch nicht verbergen. Als Zollangestellter begann der Franzose erst mit weit über vierzig zu malen, ungelenke Dschungellandschaften, flach wirkende Porträts einfacher Leute – die Pariser Bohème war umgehend begeistert. Dieses Direkte, das Authentische der Bilder, eine Entdeckung! Rousseau lernte Gauguin und den Dichter Guillaume Apollinaire kennen, später Picasso und Braque. Aber auch wenn er zum Wegbereiter des Surrealismus erklärt wurde – man kann sich bei den Bildern nie sicher sein, ob das Naive, die schiefen Perspektiven und Proportionen nicht auch ein ironischer Kommentar auf die elitäre Welt der Künstler sind. In „Les Joueurs de football“ von 1908 spielen vier Männer in schönsten Streifentrikots auf einem viel zu kleinen Feld angeblich Rugby, was damals gerade eine Art Trendsport wurde. Dabei sehen sie eher aus wie Balletttänzer bei einer eigentümlichen Schrittfolge. Die getigerte Kluft verstärkt das Fremdartige, Streifen waren etwas für Menschen am Rand der Gesellschaft, Sträflinge oder Zirkusartisten. Genau das hat Rousseau wahrscheinlich gefallen.

Die Mode

Ob Frühjahrs- oder Herbstdefilee, die Kollektionen von Jean Paul Gaultier umweht immer etwas sommerlicher Leichtsinn. Das liegt auch an den allgegenwärtigen Blockstreifen, ein verspieltes, nicht ganz ernst zu nehmendes Muster und so etwas wie sein Markenzeichen. Sofern dieses Wort passend ist für einen Couturier, andererseits hat gerade Gaultier kein Problem mit Volksnähe und Verkäuflichkeit. Der Matrosenpullover, sagte er mal, sei sein „Fetisch“, vor allem, seit er Fassbinders Film „Querelle“ von 1982 sah. Auch andere Modehäuser lieben Streifen, aber Gaultier betont neben der maritimen Frische oft die subversivere Seite: Matrosen stünden nicht nur für blütenweiße Kragen, sondern die Zwischenwelten düsterer Hafenviertel. Der Designer schneidert die mehrdeutigen rayés Männern und Frauen auf den Leib, aus Leder, aus Pailletten, als Tattoo- oder Perlenmuster, stets hochelegant und am liebsten mit Punk-Attitüde.

Das Strandtuch

Troppo, zu viel? Kann man von Badetüchern eigentlich nie haben, aber die Berliner Firma mit dem italienischen Namen bezieht sich eher ganz grundsätzlich auf den Gedanken der, was sonst, Nachhaltigkeit. Und es stimmt ja auch, von allem, was uns zu Hause oder im Urlaub an Dingen umgibt, haben die meisten schon mehr als genug. Um ihre Gebrauchszeit zu verlängern, sind deshalb die Strand-Laken von Troppo zeitlos gemustert, mit Streifen, klassischer geht es kaum. Das sieht auch nach sehr vielen Jahren, wenn das Frotteetuch ausgebleicht, von Sonnenmilchflecken verunziert oder stellenweise fransig sein wird, gut aus. Daher: Eines geht noch (troppo.store).

Die Gläser

Mundgeblasenes Glas aus Murano ist kostbar und trotzdem manchmal nicht mehr als ein Souvenir, das daheim verstaubt. Die traditionellen Millefiori-Blüten der Schalen und Karaffen sehen plötzlich altbacken aus, verschnörkelte Leuchter sind nicht jedermanns Sache. Längst gibt es auch ambitionierte Werkstätten auf den Inseln vor Venedig wie Berengo Studio, das mit Künstlern wie Ai Weiwei oder Thomas Schütte zusammenarbeitet. Für den Haus- oder besser Balkon- und Gartengebrauch bietet sich die aktuelle Geschirrserie des Mailänder Labels Sunnei an: Teller und Gläser aus Murano in schönen Sommerfarben, ideal für den draußen gedeckten Tisch. Und die Gondoliere-Spiralen sind gleich noch eine Erinnerung an den letzten Venedig-Urlaub (sunnei.it).

Der Reifen

Einen Schwimmreifen braucht man normalerweise nicht als Erwachsener mit genügend Wassererfahrung. Aber es gibt aufblasbare Ringe, die so speziell aussehen, dass sie trotzdem mit in die Badetasche kommen. Der geblähte Donut oder die pralle Weißwurst sind Geschmackssache, auf das Streifenmodell von „Petites Pommes“ in vielen Farben können sich wahrscheinlich alle in der Familie einigen. Praktisch auch als Trockenablage für nasse Badesachen oder als Kissen für eine Siesta. Draußen auf dem Wasser kann man sich auf dem Reifen, die schönste Beschäftigung an einem Sommertag, treiben lassen.

Text: Anne Goebel, Digitales Storytelling: Jonas Junack