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Immergrün

Bitte schön kurz halten! Über die Geschichte des perfekten Rasens, warum Mähen beruhigend sein kann und Insekten Kräutermischungen bevorzugen.

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Bitte schön kurz halten! Über die Geschichte des perfekten Rasens, warum Mähen beruhigend sein kann und Insekten Kräutermischungen bevorzugen.

7. Juni 2023 - 4 Min. Lesezeit

Mikrokosmos

Die Anforderungen an den Rasen sind vielfältig. Für Sportler ist er eine Spielfläche, Hunde wollen sich darauf wälzen, Gartenbesitzer betrachten ihn als Erweiterung des Wohnzimmerteppichs. Botaniker würden den Rasen eher als Pflanzengesellschaft bezeichnen, die durch verschiedene Gräser, Leguminosen, also Hülsenfrüchtler wie Klee, und Kräuter gebildet wird. Mehr als 300 Grassorten sind in Deutschland zur Rasennutzung angemeldet. Wenig strapazierte Rasenflächen enthalten vor allem feinblättrige Schwingelgräser (Festuca), in Mischungen für Sportrasen dominieren Deutsches Weidelgras (Lolium perenne) und Wiesenrispe (Poa pratensis). Die Lägerrispe (Poa supina) ist geeignet für Schattenlagen, während der Rohr-Schwingel (Festuca arundinacea) für trockene Standorte empfehlenswert ist. 

Eine große Artenvielfalt also, aber es gibt natürlich auch den Ordnungs-Aspekt. Wie so vieles ist hierzulande auch das Anlegen eines Rasens im Landschaftsbau genormt, die DIN-Norm 18917 besagt unter anderem: „Rasen ist eine durch Wurzeln und Ausläufer mit der Vegetationstragschicht fest verwachsene Pflanzendecke aus Gräsern, die im Regelfall keiner landwirtschaftlichen Nutzung unterliegt.“

Pflegeroutine

Die Pflege des Rasens war vor der Motorisierung der Gartenbranche eine Sauarbeit, besser gesagt, eine Schafsarbeit. Herden von Wiederkäuern mähten ursprünglich die Wiesen kurz, das Feintuning wurde von Menschenhand erledigt. Anfang des 19. Jahrhunderts sollen im berühmten englischen Park von Blenheim Palace täglich 50 Sensenmänner mit dem Kurzhalten des Rasens beschäftigt gewesen sein.

Als der britische Textilingenieur und Erfinder Edwin Budding seine „Rasen-Schermaschine“ 1830 zum Patent anmeldete, traf er eine Marktlücke. Sein Spindelmäher, der den Schneidemaschinen einer Textilfabrik nachempfunden war und mit Muskelkraft angetrieben wurde, entwickelte sich schnell zum Statussymbol auf Landsitzen.

Mit einem Anschaffungspreis von 30 Pfund war er ein Luxusartikel, deshalb überließ ihn der Hausherr nicht dem Personal, sondern mähte höchstpersönlich.

Mit einem Anschaffungspreis von 30 Pfund war er ein Luxusartikel, deshalb überließ ihn der Hausherr nicht dem Personal, sondern mähte höchstpersönlich.

Den ersten in Serie produzierten Sichelmäher mit Zweitaktmotor brachte die schwäbische Firma Solo im Jahr 1956 auf den Markt. Der Unterschied zu Buddings Idee: Sichelmäher schlagen die Halme ab, die dabei ausfransen können, der Schnitt ist unsauberer als bei Spindelmähern. Deshalb bevorzugen Rasen-Perfektionisten die gute alte englische Rasenmähart.

Ruhezone

Rasenmähen kann nerven, besonders, wenn alle Nachbarn gleichzeitig ihren Zweitakter anwerfen. Australische Wissenschaftler haben jedoch herausgefunden, dass Rasenmähen (aus Sicht des Mähers) ein Schutz gegen das Burn-out-Syndrom sein kann. Das Schieben des Geräts lenke von Stress ab, weil man sich Bahn für Bahn konzentrieren muss, wodurch andere Probleme kurzfristig ausgeblendet werden. Und dann dieser Duft nach frisch geschnittenem Gras! Beim Mähen setzen Gräser und Kräuter ätherische Substanzen frei, die entspannend wirken.

Auch Hunde macht Schnüffeln und Stöbern im Gras zufrieden. Wer keinen Garten mit Wiese hat, kann sich ein Stück Psycho-Rasen fürs Wohnzimmer zulegen: Der Schnüffel-Teppich aus grünem, strapazierfähigem Stoff soll beruhigend auf die Tiere wirken.

Glanzstück

Die Briten gelten als Erfinder des perfekten Rasens, das weiß man nicht erst seit „Asterix bei den Briten“, wo ein englischer Hobbygärtner sagt: Nach 2000 Jahren Pflege wird mein Rasen recht annehmbar sein, denke ich.“ Die Voraussetzungen für gepflegte Rasenkultur sind in England ideal: Viel Regen, milde Winter, dazu der Hang der Aristokratie zu großflächigen Parks rund um ihre Anwesen und zu Sportarten wie Kricket und Golf, für die man kurzgeraspelte Grünflächen braucht.

Aber der Rasen als ruhiges Element in einem Garten ist viel älter, künstlich angelegte, gepflegte Wiesen gab es schon in der Antike und im Mittelalter. In seinem Werk „De vegetabilibus“ erläutert der deutsche Gelehrte Albertus Magnus, wie Rasenflächen zur Zierde und Kontemplation in Klostergärten angelegt werden.

Aber der Rasen als ruhiges Element in einem Garten ist viel älter, künstlich angelegte, gepflegte Wiesen gab es schon in der Antike und im Mittelalter. In seinem Werk „De vegetabilibus“ erläutert der deutsche Gelehrte Albertus Magnus, wie Rasenflächen zur Zierde und Kontemplation in Klostergärten angelegt werden.

Eine ausgeprägte öffentliche Garten- und Rasenkultur entstand in Europa ab der Renaissance, als vor den Toren der Städte Festwiesen, Parks und Wettkampfstätten angelegt wurden.

Wildwuchs

Strapazierfähige Saatmischungen für den Haus- oder Sportrasen sind meistens Monokulturen. Löwenzahn, Klee, Moos und andere Eindringlinge werden von perfektionistischen Hobby-Greenkeepern bekämpft, weil sie das einheitliche Bild stören. Ließe man der Natur freien Lauf, würden sich Wildkräuter, Blumen und andere Pflanzen ansiedeln.

Aus ökologischer Sicht wäre das besser: Wenn man eine Grasfläche nicht jede Woche mäht, sondern nur ein- bis zweimal im Jahr, entwickelt sich ein artenreicher Lebensraum, der attraktiv ist für Bienen oder Schmetterlinge. Ein Blumenkräuter-Rasen setzt sich aus verschiedenen Samenarten zusammen – und bereitet oft weniger Probleme als ein kurz geschorener Einheitsrasen, da er weniger anfällig ist für Trockenstress und Moos.

Team
Text Titus Arnu
Bildredaktion Claudia Eggl, Natalie Neomi Isser, Julia Hecht
Digitales Storytelling Christian Tönsmann