Bunter Frühlingsgruß

Endlich Tulpenzeit: Wie die Blumen zum Symbol der Niederlande wurden, was der erste Börsencrash der Geschichte damit zu tun hat und warum sie dieses Jahr so teuer sind.

4. April 2025 | Lesezeit: 4 Min.

Alltagsfreude

Rosen werden an besonderen Tagen verschenkt – Tulpen verschönern den Alltag. Das war lange die Regel, jedenfalls in der ersten Hälfte des Jahres, der klassischen Tulpenzeit. Gerade verlieren die Liliengewächse allerdings den Status als Alltagsblumen: In diesem Frühjahr kosten sie 30 bis 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Höhere Lohn-, Energie- und Benzinkosten bedingen einen Teil der Steigerung, die alle Schnittblumen betrifft. Verbraucher zahlten 2024 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 31,3 Prozent mehr als 2020. Tulpenspezifisch kommt dazu, dass wegen zu nassen Wetters in den Niederlanden ein Drittel weniger Tulpen auf dem Markt sind. Viele der im Herbst gesetzten Zwiebeln sind im Boden verfault, Blüten sind kleiner geblieben. Im Supermarkt ist der Preis manchmal zwar unverändert, doch der Bund besteht aus weniger Tulpen als im Vorjahr. Einige Blumenhändler beobachten, dass Käufer etwas zurückhaltender sind bei Tulpen, doch insgesamt hat ihre Beliebtheit zugenommen. Die New York Times berichtet, dass am Valentinstag die Rose weiter die gefragteste Blume gewesen sei – direkt gefolgt von der Tulpe. Ein Grund dafür ist auch, dass viele den Tag neu deuten: Er ist nicht mehr allein ein Tag der Liebenden, sondern auch ein Anlass, Freunde und die Familie zu beschenken. International haben sich Blumenhändler auf eine gewisse Farbensymbolik geeinigt: Rosafarbene Tulpen sollen für Verbundenheit und Fürsorge stehen, gelbe für Glück und Hoffnung, Orange symbolisiert Mut und Kreativität, Weiß Reinheit, Trauer oder Neubeginn. Rot bleibt auch bei der Tulpe der Liebe vorbehalten. Am längsten währt der Tulpenstrauß, wenn er in nicht zu tiefem Wasser steht und nachts kühl gelagert wird.

Schlagerstar

Ein Lied mit eingebauter Schunkelfunktion ist „Tulpen aus Amsterdam“, das zumindest musikalisch vom ernsten Fach inspiriert wurde. Komponist Arnie Ralf nahm sich den „Blumenwalzer“ aus Tschaikowskis Nussknacker-Suite zum Vorbild. Den Text schrieb der deutsche Schauspieler Klaus Günter Neumann, nachdem er den Keukenhof mit seinen Tulpenfeldern besucht hatte. Der liegt zwar in Lisse, aber der Tulpe war von da an durch den Schlager ein Denkmal gesetzt. Mieke Telkamp hat ihn 1959 interpretiert, Roy Black 1974 und Rudi Carrell mit dem Kinderstar Heintje 1970 – die beiden in parodistischer Version. Sie besangen selbstironisch die vielen niederländischen Unterhaltungskünstler in Deutschland: „Nulpen aus Amsterdam“. Bis heute ein Klassiker im Fußballstadion. Die echte Tulpen-Version erklang in der Allianz-Arena, wenn Arjen Robben in seiner FC-Bayern-Zeit ein Tor schoss.

Freiluftschau

Obwohl die Tulpe ursprünglich aus der Türkei stammt, steht kein anderes Land so sehr für diese Blume wie die Niederlande. Seit bald 400 Jahren werden dort Tulpen gezüchtet, die Hälfte aller Felder wird damit bepflanzt. Weltweit verkaufen niederländische Produzenten mehr als zehn Milliarden Tulpen und Zwiebeln im Jahr, das sind mehr als 80 Prozent der Weltproduktion. Die Tulpenfelder ziehen im Frühjahr Zehntausende Touristen an. Vor allem in den Provinzen Flevoland, Overijssel und Nordholland ist die Tulpenblüte eine Attraktion, auf Feldern oder in Schaugärten wie dem Keukenhof in Lisse, jedes Jahr besuchen ihn etwa 1,4 Millionen Blumenliebhaber, vor allem aus dem Ausland. Von Mitte März bis Mitte Mai ist Tulpenblühzeit, die volle Pracht ist Mitte April zu sehen.

Tulpenmanie

Tulpen gehören zu den günstigsten Blumen im Handel – verblüffend, dass sie früher Spekulationsobjekte waren. Die „Tulpenmanie“ gilt als erste Finanzblase der Wirtschaftsgeschichte, auf ihrem Höhepunkt 1634 kostete eine Zwiebel der Sorte „Semper Augustus“ mit geflammten Blütenblättern 10 000 Gulden, wofür man sich heute ein Stadthaus an einer Gracht in Amsterdam kaufen könnte. Die Tulpe fand ihren Weg über Persien und das Osmanische Reich nach Holland. Dort machte sich seit 1593 der Humanist und Botaniker Carolus Clusius besonders um die Verbreitung verdient. Die exotische Blume war der letzte Schrei in Ziergärten von Edelleuten und reichen Kaufmännern. Die Gier wurde immer größer, der Handel hitziger, und so fielen die Kurse bei Auktionen im Februar 1637 innerhalb weniger Tage ins Nichts. Das Leben vieler Menschen war auf einen Schlag ruiniert. Der britische Historiker Mike Dash zeichnet in seinem Sachbuch „Tulpenwahn“ die irre Geschichte nach, und selbst die frankobelgischen Comic-Helden Spirou und Fantasio folgen in „Tulpen aus Istanbul“ mit einer raren Blumenzwiebel im Gepäck der historischen Route.

Leichtfuß

Eero Saarinen brachte Ruhe ins Esszimmer. „Ich wollte mit dem Wirrwarr der Beine aufräumen“, sagte der finnische Architekt und Designer einmal. So erfand er 1955 den Tulip Chair mit einem zentralen Stützfuß, der mit der Sitzschale aus Kunststoff eine Einheit bildet. Zusammen mit dem passenden einbeinigen Tisch schuf Saarinen für die Firma Knoll International einen Designklassiker, um der „hässlichen, verwirrenden und unruhigen Welt“, wie er sie nannte, Klarheit entgegenzusetzen. Längst steht ein Tulip Armchair, Modell 150, im Museum of Modern Art in New York. Noch lange nach seiner Premiere wurde der Entwurf als futuristisch wahrgenommen, Ende der Sechzigerjahre stand er in leicht modifizierter Form auf der Kommandobrücke der TV-Serie „Star Trek“. Den Wert der Möbel erkannten die Macher nicht: Nachdem die Serie abgedreht war, landeten sie auf dem Müll. Ein Stuhl konnte gerettet werden, er wurde für 18 000 Dollar versteigert.

Bunter Frühlingsgruß

Endlich Tulpenzeit: Wie die Blumen zum Symbol der Niederlande wurden, was der erste Börsencrash der Geschichte damit zu tun hat und warum sie dieses Jahr so teuer sind.

Alltagsfreude

Rosen werden an besonderen Tagen verschenkt – Tulpen verschönern den Alltag. Das war lange die Regel, jedenfalls in der ersten Hälfte des Jahres, der klassischen Tulpenzeit. Gerade verlieren die Liliengewächse allerdings den Status als Alltagsblumen: In diesem Frühjahr kosten sie 30 bis 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Höhere Lohn-, Energie- und Benzinkosten bedingen einen Teil der Steigerung, die alle Schnittblumen betrifft. Verbraucher zahlten 2024 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 31,3 Prozent mehr als 2020. Tulpenspezifisch kommt dazu, dass wegen zu nassen Wetters in den Niederlanden ein Drittel weniger Tulpen auf dem Markt sind. Viele der im Herbst gesetzten Zwiebeln sind im Boden verfault, Blüten sind kleiner geblieben. Im Supermarkt ist der Preis manchmal zwar unverändert, doch der Bund besteht aus weniger Tulpen als im Vorjahr. Einige Blumenhändler beobachten, dass Käufer etwas zurückhaltender sind bei Tulpen, doch insgesamt hat ihre Beliebtheit zugenommen. Die New York Times berichtet, dass am Valentinstag die Rose weiter die gefragteste Blume gewesen sei – direkt gefolgt von der Tulpe. Ein Grund dafür ist auch, dass viele den Tag neu deuten: Er ist nicht mehr allein ein Tag der Liebenden, sondern auch ein Anlass, Freunde und die Familie zu beschenken. International haben sich Blumenhändler auf eine gewisse Farbensymbolik geeinigt: Rosafarbene Tulpen sollen für Verbundenheit und Fürsorge stehen, gelbe für Glück und Hoffnung, Orange symbolisiert Mut und Kreativität, Weiß Reinheit, Trauer oder Neubeginn. Rot bleibt auch bei der Tulpe der Liebe vorbehalten. Am längsten währt der Tulpenstrauß, wenn er in nicht zu tiefem Wasser steht und nachts kühl gelagert wird.

Schlagerstar

Ein Lied mit eingebauter Schunkelfunktion ist „Tulpen aus Amsterdam“, das zumindest musikalisch vom ernsten Fach inspiriert wurde. Komponist Arnie Ralf nahm sich den „Blumenwalzer“ aus Tschaikowskis Nussknacker-Suite zum Vorbild. Den Text schrieb der deutsche Schauspieler Klaus Günter Neumann, nachdem er den Keukenhof mit seinen Tulpenfeldern besucht hatte. Der liegt zwar in Lisse, aber der Tulpe war von da an durch den Schlager ein Denkmal gesetzt. Mieke Telkamp hat ihn 1959 interpretiert, Roy Black 1974 und Rudi Carrell mit dem Kinderstar Heintje 1970 – die beiden in parodistischer Version. Sie besangen selbstironisch die vielen niederländischen Unterhaltungskünstler in Deutschland: „Nulpen aus Amsterdam“. Bis heute ein Klassiker im Fußballstadion. Die echte Tulpen-Version erklang in der Allianz-Arena, wenn Arjen Robben in seiner FC-Bayern-Zeit ein Tor schoss.

Freiluftschau

Obwohl die Tulpe ursprünglich aus der Türkei stammt, steht kein anderes Land so sehr für diese Blume wie die Niederlande. Seit bald 400 Jahren werden dort Tulpen gezüchtet, die Hälfte aller Felder wird damit bepflanzt. Weltweit verkaufen niederländische Produzenten mehr als zehn Milliarden Tulpen und Zwiebeln im Jahr, das sind mehr als 80 Prozent der Weltproduktion. Die Tulpenfelder ziehen im Frühjahr Zehntausende Touristen an. Vor allem in den Provinzen Flevoland, Overijssel und Nordholland ist die Tulpenblüte eine Attraktion, auf Feldern oder in Schaugärten wie dem Keukenhof in Lisse, jedes Jahr besuchen ihn etwa 1,4 Millionen Blumenliebhaber, vor allem aus dem Ausland. Von Mitte März bis Mitte Mai ist Tulpenblühzeit, die volle Pracht ist Mitte April zu sehen.

Tulpenmanie

Tulpen gehören zu den günstigsten Blumen im Handel – verblüffend, dass sie früher Spekulationsobjekte waren. Die „Tulpenmanie“ gilt als erste Finanzblase der Wirtschaftsgeschichte, auf ihrem Höhepunkt 1634 kostete eine Zwiebel der Sorte „Semper Augustus“ mit geflammten Blütenblättern 10 000 Gulden, wofür man sich heute ein Stadthaus an einer Gracht in Amsterdam kaufen könnte. Die Tulpe fand ihren Weg über Persien und das Osmanische Reich nach Holland. Dort machte sich seit 1593 der Humanist und Botaniker Carolus Clusius besonders um die Verbreitung verdient. Die exotische Blume war der letzte Schrei in Ziergärten von Edelleuten und reichen Kaufmännern. Die Gier wurde immer größer, der Handel hitziger, und so fielen die Kurse bei Auktionen im Februar 1637 innerhalb weniger Tage ins Nichts. Das Leben vieler Menschen war auf einen Schlag ruiniert. Der britische Historiker Mike Dash zeichnet in seinem Sachbuch „Tulpenwahn“ die irre Geschichte nach, und selbst die frankobelgischen Comic-Helden Spirou und Fantasio folgen in „Tulpen aus Istanbul“ mit einer raren Blumenzwiebel im Gepäck der historischen Route.

Leichtfuß

Eero Saarinen brachte Ruhe ins Esszimmer. „Ich wollte mit dem Wirrwarr der Beine aufräumen“, sagte der finnische Architekt und Designer einmal. So erfand er 1955 den Tulip Chair mit einem zentralen Stützfuß, der mit der Sitzschale aus Kunststoff eine Einheit bildet. Zusammen mit dem passenden einbeinigen Tisch schuf Saarinen für die Firma Knoll International einen Designklassiker, um der „hässlichen, verwirrenden und unruhigen Welt“, wie er sie nannte, Klarheit entgegenzusetzen. Längst steht ein Tulip Armchair, Modell 150, im Museum of Modern Art in New York. Noch lange nach seiner Premiere wurde der Entwurf als futuristisch wahrgenommen, Ende der Sechzigerjahre stand er in leicht modifizierter Form auf der Kommandobrücke der TV-Serie „Star Trek“. Den Wert der Möbel erkannten die Macher nicht: Nachdem die Serie abgedreht war, landeten sie auf dem Müll. Ein Stuhl konnte gerettet werden, er wurde für 18 000 Dollar versteigert.

Text: Claudia Fromme; Redaktion: Anne Goebel; Bildredaktion: Claudia Eggl; Fotocredits: Hintergrundbild: saemileeGetty Images; (1) Barbara NeveuimagoCHROMORANGE; (2) Peter BischoffGetty Images; (3) Keukenhof; (4) Carlsen Comics; Digitales Storytelling: Birgit Kruse

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