Frühling

Aufblühen

Die Natur scheint noch immer karg und kahl zu sein. Aber an Bäumen und Sträuchern wachsen längst die Knospen für neues Leben. Eine Einstimmung auf den Frühling in fünf Fakten.

23. Januar 2025 | Lesezeit: 4 Min.

Schutzschicht

Der Januar ist ein zäher Monat. Der kalte Winter scheint sich auf Dauer einzurichten, vom Frühling keine Spur. Eine Niemandszeit, treffend benannt nach dem römischen Gott Janus mit den zwei Gesichtern, von denen das eine in die Vergangenheit blickt, das andere in die Zukunft. Auch die Natur scheint tot zu sein – kein Blatt an den Laubbäumen, kahle Zweige, Nadelbäume, die der Kälte trotzen. Doch wie der Gott Janus lehrt: Neues Leben wird kommen, es ist nur versteckt. Die Weiden, die Rosskastanien, die Eichen und die Linden, die Apfel- und die Kirschbäume, auch Tannen und Fichten, alle sind bestens vorbereitet. Ihre Knospen für Blüten und Blätter haben sie bereits im vergangenen Sommer oder Herbst angelegt. Jede Art auf ihre Weise, wie man im Winter trefflich beobachten kann. 

Die Kirsche zum Beispiel arrangiert ihre Blütenknospen in Form eines kleinen Straußes, die neuen Blätter treiben aus den schmal am Zweig angelegten Einzelknospen. Auch gegen Eis und Schnee haben Pflanzen unterschiedliche Schutzstrategien für ihre Triebe entwickelt. Der Berg-Ahorn etwa umgibt seine künftigen Blätter mit kräftigen grünen Hülsen, die Blüten des Flieders wirken wie kleine Zapfen. Und bis man bei Spaziergängen alle Baum- und Straucharten auf ihre Frühlingsvorräte hin untersucht hat, ist der Winter fast vorbei

Lebenszeichen

Keine Knospe gleicht einer anderen. Gartenexperten bezeichnen sie auch als Auge, in der Wissenschaft ist häufig von „gemma“ die Rede, was im Lateinischen zugleich Edelstein bedeutet. Irgendwie treffend, die Knospen sind das kostbare Herzstück der Pflanzen, Grundlage für neue Zweige, Blätter, Blüten. Sie entstehen durch Zellteilung im Laufe des Sommers bis in den Herbst. Birnbäume legen ihre Blüten- und Blattknospen bereits im Frühsommer an. Die zeitig blühenden Magnolien aus der wohl ältesten Blütenpflanzen-Familie der Erde bilden die Knospen im Herbst. Wer seinen Baum vorschnell zurückschneidet, muss im Frühling auf die großen Blüten verzichten, die wirken, als wären sie aus Wachs. Nicht nur beim Zeitpunkt haben die Pflanzen ihre Eigenheiten, manche setzen die Knospen an der Zweigspitze an, andere in den sogenannten Blattachseln.

Einige Bäume schützen ihre Triebe vor Frost und Trockenheit mit Schuppen, etwa die Rotbuche, der wollige Schneeball kann wegen der Behaarung seiner jungen Blätter darauf verzichten. Durchschnittliche Tagestemperatur und Luftfeuchtigkeit beeinflussen die Ionenkonzentration und den Wasserdruck in der Knospe – die sich dementsprechend öffnet. Freude macht meist noch im Winter die Blüte der Schneerosen, je nach Temperatur folgen bald Schneeglöckchen oder die duftig gelben Tupfen der Kornelkirsche.

Notration 

Gute Nahrung ist im Winter rar für Wildtiere. Daher knabbern Reh, Rotwild und auch Gams gern die weichen Triebe junger Tannen oder saftige Weiden ab. Auch Mäuse, die bei entsprechender Schneedecke höher wachsende Pflanzen gut erreichen, bedienen sich am Zweig-, Blatt- und Blütenvorrat fürs kommende Frühjahr – was manche Pflanzen erheblich schädigen kann. Es tobt ein scheinbar ewiger Streit zwischen Waldbesitzern, Naturschützern und Jägern, wie viel Verbiss die Pflanzen vertragen und wann der Wildbestand zu hoch sein könnte. Eine einfache Lösung gibt es nicht – auch Faktoren wie der verringerte Lebensraum oder mangelndes Nahrungsangebot auf den Feldern können dazu führen, dass Wild jungen Bäumen übermäßig zusetzt. Knospen enthalten reichlich Nährstoffe und werden auch in der Küche als Snack oder für Salate geschätzt. Aber Vorsicht: In Maßen ernten, um den Baum nicht zu schädigen. Und so manche heimischen Gewächse sind giftig.

Lichtblick

Was liegt näher, als in den dunklen Monaten das Frühjahr heraufzubeschwören? Die Mode hat sich schon im Herbst darauf vorbereitet – mit einer Blütenparade bei den Schauen. Da thronte ein blaues Blumenwunder auf dem Kopf eines Models, übersäten duftige Rosen ein Kleid. Sich öffnende Blüten sind mit ihren organischen Formen schon immer eine reizvolle Vorlage für Designer. Der norditalienische Hersteller Foscarini hat eine seiner klassischen Lampenserien „Buds“, also Knospen, genannt. Die Schirme sind aus Glas, mal rundlich wie ein Ballon und goldgelb, mal ein zartrosa Oval. So kommt warmes Licht ins Haus, solange es draußen fehlt.

Wunderwerk

Wer genau hinschaut, kann in jeder Blume ein Wunder an kleinsten Details erkennen. Das geht Künstlern nicht anders. Der Impressionist Claude Monet verfiel den Seerosen so sehr, dass er sie wieder und wieder malte. Karl Blossfeldt fand in der Vielfalt pflanzlicher Gebilde sogar die "Urformen der Kunst", wie sein berühmtes Buch aus dem Jahr 1928 heißt. Der Fotograf wird zwar der Neuen Sachlichkeit zugerechnet, doch man könnte ihn dank seiner Schwarz-Weiß-Nahaufnahmen auch einen Magier der Natur nennen. Wie er den jungen Haarfarn in Szene setzt, dessen Spitze gebogen ist wie ein Bischofsstab, oder die sternförmigen Blüten des roten Zierlauchs, die aus der Knospenhülle emporwachsen: Blossfeldt macht den verborgenen Zauber sichtbar.

Frühling

Aufblühen

Die Natur scheint noch immer karg und kahl zu sein. Aber an Bäumen und Sträuchern wachsen längst die Knospen für neues Leben. Eine Einstimmung auf den Frühling in fünf Fakten.

Schutzschicht

Der Januar ist ein zäher Monat. Der kalte Winter scheint sich auf Dauer einzurichten, vom Frühling keine Spur. Eine Niemandszeit, treffend benannt nach dem römischen Gott Janus mit den zwei Gesichtern, von denen das eine in die Vergangenheit blickt, das andere in die Zukunft. Auch die Natur scheint tot zu sein – kein Blatt an den Laubbäumen, kahle Zweige, Nadelbäume, die der Kälte trotzen. Doch wie der Gott Janus lehrt: Neues Leben wird kommen, es ist nur versteckt. Die Weiden, die Rosskastanien, die Eichen und die Linden, die Apfel- und die Kirschbäume, auch Tannen und Fichten, alle sind bestens vorbereitet. Ihre Knospen für Blüten und Blätter haben sie bereits im vergangenen Sommer oder Herbst angelegt. Jede Art auf ihre Weise, wie man im Winter trefflich beobachten kann. 

Die Kirsche zum Beispiel arrangiert ihre Blütenknospen in Form eines kleinen Straußes, die neuen Blätter treiben aus den schmal am Zweig angelegten Einzelknospen. Auch gegen Eis und Schnee haben Pflanzen unterschiedliche Schutzstrategien für ihre Triebe entwickelt. Der Berg-Ahorn etwa umgibt seine künftigen Blätter mit kräftigen grünen Hülsen, die Blüten des Flieders wirken wie kleine Zapfen. Und bis man bei Spaziergängen alle Baum- und Straucharten auf ihre Frühlingsvorräte hin untersucht hat, ist der Winter fast vorbei

Lebenszeichen

Keine Knospe gleicht einer anderen. Gartenexperten bezeichnen sie auch als Auge, in der Wissenschaft ist häufig von „gemma“ die Rede, was im Lateinischen zugleich Edelstein bedeutet. Irgendwie treffend, die Knospen sind das kostbare Herzstück der Pflanzen, Grundlage für neue Zweige, Blätter, Blüten. Sie entstehen durch Zellteilung im Laufe des Sommers bis in den Herbst. Birnbäume legen ihre Blüten- und Blattknospen bereits im Frühsommer an. Die zeitig blühenden Magnolien aus der wohl ältesten Blütenpflanzen-Familie der Erde bilden die Knospen im Herbst. Wer seinen Baum vorschnell zurückschneidet, muss im Frühling auf die großen Blüten verzichten, die wirken, als wären sie aus Wachs. Nicht nur beim Zeitpunkt haben die Pflanzen ihre Eigenheiten, manche setzen die Knospen an der Zweigspitze an, andere in den sogenannten Blattachseln.

Einige Bäume schützen ihre Triebe vor Frost und Trockenheit mit Schuppen, etwa die Rotbuche, der wollige Schneeball kann wegen der Behaarung seiner jungen Blätter darauf verzichten. Durchschnittliche Tagestemperatur und Luftfeuchtigkeit beeinflussen die Ionenkonzentration und den Wasserdruck in der Knospe – die sich dementsprechend öffnet. Freude macht meist noch im Winter die Blüte der Schneerosen, je nach Temperatur folgen bald Schneeglöckchen oder die duftig gelben Tupfen der Kornelkirsche.

Notration 

Gute Nahrung ist im Winter rar für Wildtiere. Daher knabbern Reh, Rotwild und auch Gams gern die weichen Triebe junger Tannen oder saftige Weiden ab. Auch Mäuse, die bei entsprechender Schneedecke höher wachsende Pflanzen gut erreichen, bedienen sich am Zweig-, Blatt- und Blütenvorrat fürs kommende Frühjahr – was manche Pflanzen erheblich schädigen kann. Es tobt ein scheinbar ewiger Streit zwischen Waldbesitzern, Naturschützern und Jägern, wie viel Verbiss die Pflanzen vertragen und wann der Wildbestand zu hoch sein könnte. Eine einfache Lösung gibt es nicht – auch Faktoren wie der verringerte Lebensraum oder mangelndes Nahrungsangebot auf den Feldern können dazu führen, dass Wild jungen Bäumen übermäßig zusetzt. Knospen enthalten reichlich Nährstoffe und werden auch in der Küche als Snack oder für Salate geschätzt. Aber Vorsicht: In Maßen ernten, um den Baum nicht zu schädigen. Und so manche heimischen Gewächse sind giftig.

Lichtblick

Was liegt näher, als in den dunklen Monaten das Frühjahr heraufzubeschwören? Die Mode hat sich schon im Herbst darauf vorbereitet – mit einer Blütenparade bei den Schauen. Da thronte ein blaues Blumenwunder auf dem Kopf eines Models, übersäten duftige Rosen ein Kleid. Sich öffnende Blüten sind mit ihren organischen Formen schon immer eine reizvolle Vorlage für Designer. Der norditalienische Hersteller Foscarini hat eine seiner klassischen Lampenserien „Buds“, also Knospen, genannt. Die Schirme sind aus Glas, mal rundlich wie ein Ballon und goldgelb, mal ein zartrosa Oval. So kommt warmes Licht ins Haus, solange es draußen fehlt.

Wunderwerk

Wer genau hinschaut, kann in jeder Blume ein Wunder an kleinsten Details erkennen. Das geht Künstlern nicht anders. Der Impressionist Claude Monet verfiel den Seerosen so sehr, dass er sie wieder und wieder malte. Karl Blossfeldt fand in der Vielfalt pflanzlicher Gebilde sogar die "Urformen der Kunst", wie sein berühmtes Buch aus dem Jahr 1928 heißt. Der Fotograf wird zwar der Neuen Sachlichkeit zugerechnet, doch man könnte ihn dank seiner Schwarz-Weiß-Nahaufnahmen auch einen Magier der Natur nennen. Wie er den jungen Haarfarn in Szene setzt, dessen Spitze gebogen ist wie ein Bischofsstab, oder die sternförmigen Blüten des roten Zierlauchs, die aus der Knospenhülle emporwachsen: Blossfeldt macht den verborgenen Zauber sichtbar.

Text: Johanna Pfund; Redaktion: Anne Goebel; Digitales Storytelling: Birgit Kruse

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