Foto: Sina Schuldt/dpa
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Eiche
Von wegen rustikal
Von Max Scharnigg
8. November 2024 - 3 Min. Lesezeit
Das Sinnbild
Die Eiche als irgendwie deutscher Stammbaum, das würden wohl viele Menschen intuitiv so zuordnen. Aber worauf gründet diese Verbindung eigentlich? Ein Wurzelstrang führt in die Zeit der gescheiterten Revolution von 1848/49, als die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Staat groß war und eine nationale Identität und Symbolik gesucht wurde. Der schon namentlich qualifizierte Joseph von Eichendorff schrieb in diesem Zusammenhang von einem neuen Heimatbegriff und seinem „Land der Eichen“. Schon früher aber wurden die alten Germanen in Sachen kriegerischer Härte und allgemeiner Trutzigkeit dichterisch immer wieder mit den Eichen ihrer Wälder verglichen. Die Bäume können bis zu 1000 Jahre alt werden. Weniger romantisch, sondern völkisch stilisierten später die Nationalsozialisten die Eiche zum fest verwurzelten Nationalsymbol. Nach dem Kriegsende raschelte dann nur noch ein wenig ehrenvolles Eichenlaub durch militärische Rangabzeichen und natürlich diverse Wappen. 2001 blieben die gelappten Blätter bei der Euro-Einführung erhalten und schmücken nun die Rückseite der deutschen Ein-, Zwei- und Fünfcentmünze; schon in der Zeit der Bundesrepublik waren sie etwa auf 1-Pfennig-Stücken zu sehen: vom Kriegsbaum zum Kleingeld.Der Tisch
Egon Eiermann Eiche. Was lautmalerisch schon lange überfällig war, wurde der Designwelt erst in diesem Herbst vorgestellt. Gemeint ist ein Klassiker des deutschen Nachkriegsdesigns, nämlich das stilistisch makellose und bei Kreativarbeitern immer sehr beliebte Tischgestell des Architekten und Möbeldesigners Egon Eiermann. Der Entwurf mit seinen ebenso soliden wie luftig gekreuzten Stahlstreben ist seit 1953 fester Bestandteil in vielen feinsinnigen Büroeinrichtungen und wird meistens mit einer relativ simplen Linoleum- oder MDF-Arbeitsplatte belegt – es geht bei dem architektonischen Nutzmöbel schließlich darum, schnell viel Fläche zur Verfügung und zur freien Entfaltung zu haben. Jetzt legt der Stuttgarter Hersteller Richard Lampert, der das Schreibtischgestell nach der Original-Lizenz heute fertigt, eine Sonderedition mit ganz besonderen Tischplatten aus Eiche vor. Gefertigt wurden die Einzelstücke vom österreichischen Massivholzflüsterer Stefan Knopp, der die Eiche bürstet, kohlt und kalkt, um bei jeder Tischplatte den Charakter und die individuelle Maserung herauszuarbeiten. Sicher nichts für Menschen, bei denen auf dem Schreibtisch immer kreatives Chaos herrscht – so edle Oberflächen will man schließlich sehen.Der Brandy
Weinbrand ist in Deutschland immer noch eine der am häufigsten getrunkenen Spirituosen, hat aber seit Jahrzehnten ein Imageproblem. Klassische Marken wie Asbach Uralt und Mariacron waren jedenfalls von der Gentrifizierung, die Gin und Wodka zuletzt durchlaufen haben, ausgenommen und gehören gefühlsmäßig immer noch in die Hände von reichen Bademantelwitwen in alten „Derrick“-Folgen. Das soll sich nun ändern, unter dem Namen Artwerk hat sich der begeisterte Destillateur Benjamin Scheuerer im Rheingau zur Aufgabe gemacht, Brandy hierzulande wieder zu einem zeitgemäßen Drink zu befördern. Dafür lässt man bei Artwerk ausschließlich deutsche Bioweine destillieren und den Brandy dann in alten Eichenholzfässern reifen – das verleiht ihm die goldene Farbe und kitzelt das spezielle Aroma heraus, das an Trockenfrüchte, feine Eiche und ein bisschen auch weihnachtliche Backstube erinnert. Klassisch wird der Brandy als Digestif getrunken, aber wer weiß – vielleicht kommen mit der Renaissance des Brandys auch Cocktails wie der „Sidecar“ zurück.Die Brille
Die Vergangenheit im Blick: Die dänische Brillenmanufaktur Lindberg bietet von Dezember an ein ganz besonderes Brillengestell an. Es wird aus Stücken einer Mooreiche gefertigt, deren Stamm 1950 in Dänemark entdeckt und dessen Alter mittels C-14-Methode auf mehr als 6000 Jahre datiert wurde. Aus diesem jungsteinzeitlichen Material entsteht bei Lindberg eine Kollektion an Brillen, die auf 500 Stück limitiert ist und bei der mit filigraner Handwerkskunst die Maserung und Farbe des musealen Eichenholzes herausgearbeitet wurde. Mit der großen Geschichte auf ihren zarten Schultern dürfte die Brille auf jeder Party zum Konversations-Starter werden – nur liegen lassen sollte man sie nicht.Der Markt
Mit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine war viel von der Rolle des Landes als Kornkammer der Welt die Rede, aber auch Holz ist ein wichtiges Exportprodukt. Die Ukraine hat zwar insgesamt sogar eine kleinere Waldfläche als Deutschland, aber der Anteil an den begehrten Eichen in den Wäldern ist besonders groß. Viele Produzenten in Europa sind eigentlich auf dieses ukrainische Holz angewiesen – italienische Küchenhersteller, polnische Möbelfabriken, die Furnierblätter verbauen, oder auch die klassischen dänischen Möbelmacher, die fast ausschließlich auf hochwertiges Eichen-Massivholz setzen. Durch den Krieg sind die Exporte der Ukraine zurückgegangen und die Preise auf dem ohnehin angespannten Holzmarkt noch mal gestiegen – die Eiche wird zum Luxusmaterial.Foto: Sina Schuldt/dpa
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Von wegen rustikal
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Das Sinnbild
Die Eiche als irgendwie deutscher Stammbaum, das würden wohl viele Menschen intuitiv so zuordnen. Aber worauf gründet diese Verbindung eigentlich? Ein Wurzelstrang führt in die Zeit der gescheiterten Revolution von 1848/49, als die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Staat groß war und eine nationale Identität und Symbolik gesucht wurde. Der schon namentlich qualifizierte Joseph von Eichendorff schrieb in diesem Zusammenhang von einem neuen Heimatbegriff und seinem „Land der Eichen“. Schon früher aber wurden die alten Germanen in Sachen kriegerischer Härte und allgemeiner Trutzigkeit dichterisch immer wieder mit den Eichen ihrer Wälder verglichen. Die Bäume können bis zu 1000 Jahre alt werden. Weniger romantisch, sondern völkisch stilisierten später die Nationalsozialisten die Eiche zum fest verwurzelten Nationalsymbol. Nach dem Kriegsende raschelte dann nur noch ein wenig ehrenvolles Eichenlaub durch militärische Rangabzeichen und natürlich diverse Wappen. 2001 blieben die gelappten Blätter bei der Euro-Einführung erhalten und schmücken nun die Rückseite der deutschen Ein-, Zwei- und Fünfcentmünze; schon in der Zeit der Bundesrepublik waren sie etwa auf 1-Pfennig-Stücken zu sehen: vom Kriegsbaum zum Kleingeld.Foto: Sina Schuldt/dpa
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Der Tisch
Egon Eiermann Eiche. Was lautmalerisch schon lange überfällig war, wurde der Designwelt erst in diesem Herbst vorgestellt. Gemeint ist ein Klassiker des deutschen Nachkriegsdesigns, nämlich das stilistisch makellose und bei Kreativarbeitern immer sehr beliebte Tischgestell des Architekten und Möbeldesigners Egon Eiermann. Der Entwurf mit seinen ebenso soliden wie luftig gekreuzten Stahlstreben ist seit 1953 fester Bestandteil in vielen feinsinnigen Büroeinrichtungen und wird meistens mit einer relativ simplen Linoleum- oder MDF-Arbeitsplatte belegt – es geht bei dem architektonischen Nutzmöbel schließlich darum, schnell viel Fläche zur Verfügung und zur freien Entfaltung zu haben. Jetzt legt der Stuttgarter Hersteller Richard Lampert, der das Schreibtischgestell nach der Original-Lizenz heute fertigt, eine Sonderedition mit ganz besonderen Tischplatten aus Eiche vor. Gefertigt wurden die Einzelstücke vom österreichischen Massivholzflüsterer Stefan Knopp, der die Eiche bürstet, kohlt und kalkt, um bei jeder Tischplatte den Charakter und die individuelle Maserung herauszuarbeiten. Sicher nichts für Menschen, bei denen auf dem Schreibtisch immer kreatives Chaos herrscht – so edle Oberflächen will man schließlich sehen.Foto: Sina Schuldt/dpa
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Der Brandy
Weinbrand ist in Deutschland immer noch eine der am häufigsten getrunkenen Spirituosen, hat aber seit Jahrzehnten ein Imageproblem. Klassische Marken wie Asbach Uralt und Mariacron waren jedenfalls von der Gentrifizierung, die Gin und Wodka zuletzt durchlaufen haben, ausgenommen und gehören gefühlsmäßig immer noch in die Hände von reichen Bademantelwitwen in alten „Derrick“-Folgen. Das soll sich nun ändern, unter dem Namen Artwerk hat sich der begeisterte Destillateur Benjamin Scheuerer im Rheingau zur Aufgabe gemacht, Brandy hierzulande wieder zu einem zeitgemäßen Drink zu befördern. Dafür lässt man bei Artwerk ausschließlich deutsche Bioweine destillieren und den Brandy dann in alten Eichenholzfässern reifen – das verleiht ihm die goldene Farbe und kitzelt das spezielle Aroma heraus, das an Trockenfrüchte, feine Eiche und ein bisschen auch weihnachtliche Backstube erinnert. Klassisch wird der Brandy als Digestif getrunken, aber wer weiß – vielleicht kommen mit der Renaissance des Brandys auch Cocktails wie der „Sidecar“ zurück.Foto: Sina Schuldt/dpa
Foto: Sina Schuldt/dpa
Die Brille
Die Vergangenheit im Blick: Die dänische Brillenmanufaktur Lindberg bietet von Dezember an ein ganz besonderes Brillengestell an. Es wird aus Stücken einer Mooreiche gefertigt, deren Stamm 1950 in Dänemark entdeckt und dessen Alter mittels C-14-Methode auf mehr als 6000 Jahre datiert wurde. Aus diesem jungsteinzeitlichen Material entsteht bei Lindberg eine Kollektion an Brillen, die auf 500 Stück limitiert ist und bei der mit filigraner Handwerkskunst die Maserung und Farbe des musealen Eichenholzes herausgearbeitet wurde. Mit der großen Geschichte auf ihren zarten Schultern dürfte die Brille auf jeder Party zum Konversations-Starter werden – nur liegen lassen sollte man sie nicht.Foto: Sina Schuldt/dpa
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Der Markt
Mit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine war viel von der Rolle des Landes als Kornkammer der Welt die Rede, aber auch Holz ist ein wichtiges Exportprodukt. Die Ukraine hat zwar insgesamt sogar eine kleinere Waldfläche als Deutschland, aber der Anteil an den begehrten Eichen in den Wäldern ist besonders groß. Viele Produzenten in Europa sind eigentlich auf dieses ukrainische Holz angewiesen – italienische Küchenhersteller, polnische Möbelfabriken, die Furnierblätter verbauen, oder auch die klassischen dänischen Möbelmacher, die fast ausschließlich auf hochwertiges Eichen-Massivholz setzen. Durch den Krieg sind die Exporte der Ukraine zurückgegangen und die Preise auf dem ohnehin angespannten Holzmarkt noch mal gestiegen – die Eiche wird zum Luxusmaterial. Text: Max Scharnigg; Redaktion: Anne Goebel; Digitales Storytelling: Birgit Kruse