Architektur und Design 

Schöner schauen

Ambitionierte Holzarchitektur, opulente Innenräume und Inspirationen für den nächsten Umbau: SZ-Autorinnen und -Autoren stellen ihre Lieblingsbildbände aus der Welt der Gestaltung vor.

7. Dezember 2023 - 8 Min. Lesezeit

Anni und Josef Albers. Kunst und Leben

Dieses Buch ist ein Fest. Zum einen, weil es ein derart üppiges Bildmaterial vor einem ausbreitet, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, wie tief man hier in Kunst und Leben von Anni und Josef Albers eintauchen kann. In ihre Zeit am Bauhaus, wo Anni Albers bereits die Wandbehänge entwirft, die man mit dem Auge tief durchwandern kann und die auch 100 Jahre später noch so modern wirken, dass es einen schier schwindlig macht, wie viele Jahrzehnte seitdem vergangen sind. Und wo Josef Albers, der mittellos 1920 ans Bauhaus kam, mit Abfall von der städtischen Müllhalde von Weimar fein durchkomponierte Glas-Assemblagen schuf und später, als Leiter der Glaswerkstatt, mit der Kamera sich das Sehen noch einmal so beibrachte, dass aus ein paar Vögeln auf einer Stromleitung Kalligrafie wird und die Architektur sich zu bewegen beginnt. Opulent mit Werken, Fotografien und Schnappschüssen bebildert ist aber nicht nur die legendäre Zeit der beiden am Bauhaus, sondern auch ihr Leben nach der Schließung der ästhetischen Gedankenschmiede in Deutschland durch die Nationalsozialisten, am Black Mountain College in North Carolina etwa oder auf ihren vielen Reisen, wohin sie ihre große Begeisterung für präkolumbianische Kunst führte, allen voran nach Mexiko, für Josef Albers „das gelobte Land der abstrakten Kunst“.

Ein Fest ist der Band aber zum anderen auch deswegen, weil die Beziehung dieser zwei Ausnahmekünstler – Anni Albers, die erste Textildesignerin überhaupt, der das MoMA 1949 eine Einzelausstellung widmete. Und Josef Albers, der kühle Kopf der abstrakten Kunst, der die großen Malerfürsten des Abstrakten Expressionisten in den USA so maßgeblich beeinflusst hat – unter die Lupe genommen wird, ohne dass der eine die andere überstrahlt und in den Schatten stellt. Was bei den Albers erstaunlich lange der Fall war. Dabei ist offensichtlich, wie beide sich gegenseitig inspiriert haben, und zwar von Anfang an. Als Art „religiöse Zwei-Personen-Sekte“ werden die beiden, die elf Jahre jüngere reiche Erbin und der Handwerkssohn, in ihrer Zeit am Bauhaus beschrieben. Ihr Blick auf die Kunst, ihre Sicht auf Materialität und Form verband sie ganz offensichtlich, genauso wie ihr Wunsch das, was ihnen das Bauhaus beigebracht hat, in die Welt zu tragen. „Was das Bauhaus berühmt gemacht hat, ist die Lehrmethode, nämlich die jungen Menschen zu umklammern, um sie zu befreien“, so Josef Albers. Später am Mountain College hatte er deswegen vor allem ein Ziel: „to open eyes“. Dem Band gelingt etwas ganz Ähnliches: eine der inspirierendsten Liebesgeschichte in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts sichtbar zu machen. Laura Weißmüller

Julia Garimorth (Hrsg.): Anni und Josef Albers. Kunst und Leben, Prestel, München 2023, 280 Seiten, 49 Euro

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Anni und Josef Albers. Kunst und Leben

Dieses Buch ist ein Fest. Zum einen, weil es ein derart üppiges Bildmaterial vor einem ausbreitet, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, wie tief man hier in Kunst und Leben von Anni und Josef Albers eintauchen kann. In ihre Zeit am Bauhaus, wo Anni Albers bereits die Wandbehänge entwirft, die man mit dem Auge tief durchwandern kann und die auch 100 Jahre später noch so modern wirken, dass es einen schier schwindlig macht, wie viele Jahrzehnte seitdem vergangen sind. Und wo Josef Albers, der mittellos 1920 ans Bauhaus kam, mit Abfall von der städtischen Müllhalde von Weimar fein durchkomponierte Glas-Assemblagen schuf und später, als Leiter der Glaswerkstatt, mit der Kamera sich das Sehen noch einmal so beibrachte, dass aus ein paar Vögeln auf einer Stromleitung Kalligrafie wird und die Architektur sich zu bewegen beginnt. Opulent mit Werken, Fotografien und Schnappschüssen bebildert ist aber nicht nur die legendäre Zeit der beiden am Bauhaus, sondern auch ihr Leben nach der Schließung der ästhetischen Gedankenschmiede in Deutschland durch die Nationalsozialisten, am Black Mountain College in North Carolina etwa oder auf ihren vielen Reisen, wohin sie ihre große Begeisterung für präkolumbianische Kunst führte, allen voran nach Mexiko, für Josef Albers „das gelobte Land der abstrakten Kunst“.

Ein Fest ist der Band aber zum anderen auch deswegen, weil die Beziehung dieser zwei Ausnahmekünstler – Anni Albers, die erste Textildesignerin überhaupt, der das MoMA 1949 eine Einzelausstellung widmete. Und Josef Albers, der kühle Kopf der abstrakten Kunst, der die großen Malerfürsten des Abstrakten Expressionisten in den USA so maßgeblich beeinflusst hat – unter die Lupe genommen wird, ohne dass der eine die andere überstrahlt und in den Schatten stellt. Was bei den Albers erstaunlich lange der Fall war. Dabei ist offensichtlich, wie beide sich gegenseitig inspiriert haben, und zwar von Anfang an. Als Art „religiöse Zwei-Personen-Sekte“ werden die beiden, die elf Jahre jüngere reiche Erbin und der Handwerkssohn, in ihrer Zeit am Bauhaus beschrieben. Ihr Blick auf die Kunst, ihre Sicht auf Materialität und Form verband sie ganz offensichtlich, genauso wie ihr Wunsch das, was ihnen das Bauhaus beigebracht hat, in die Welt zu tragen. „Was das Bauhaus berühmt gemacht hat, ist die Lehrmethode, nämlich die jungen Menschen zu umklammern, um sie zu befreien“, so Josef Albers. Später am Mountain College hatte er deswegen vor allem ein Ziel: „to open eyes“. Dem Band gelingt etwas ganz Ähnliches: eine der inspirierendsten Liebesgeschichte in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts sichtbar zu machen. Laura Weißmüller

Julia Garimorth (Hrsg.): Anni und Josef Albers. Kunst und Leben, Prestel, München 2023, 280 Seiten, 49 Euro