Transparenz-Blog
Wie die SZ von den Olympischen Spielen berichtet
Darf eine Zeitung wie die SZ, darf eine Sportredaktion eine Haltung haben zu Olympischen Winterspielen in Peking? Sie darf, sie muss sogar. Wir halten die Tatsache, dass das Internationale Olympische Komitee diese Spiele in China austrägt, für falsch. Wir finden das Schweigen des IOC zu den Umerziehungslagern in Xinjiang, zum Niederschlagen der Demokratiebewegung in Hongkong, zur Menschenrechtslage insgesamt skandalös. Diese Haltung haben wir in Kommentaren, Essays und Reportagen immer wieder dokumentiert.
Trotzdem wird auch die SZ ausführlich über Olympia berichten, auf täglichen Sonderseiten in der gedruckten Zeitung, in der digitalen Ausgabe, auf SZ.de. Olympische Spiele sind mehr, als China und das IOC daraus machen: Sie sind ein Menschheitsereignis. Sie spannen den Bogen von der Antike bis in die Gegenwart. Sie sind ein Plädoyer für Bewegung. Olympia ist größer als ein Regime, das die Spiele instrumentalisiert, und größer als Funktionäre, die sie zum Produkt degradieren, an den Meistbietenden verramschen und der Welt dann einreden wollen, das alles sei unpolitisch.
Und doch ist Olympia nie zu trennen von seinem Austragungsort. Deshalb wird die SZ in den kommenden Wochen beides in den Fokus rücken: die Dramatik der Wettbewerbe – und die Rahmenbedingungen, unter denen all das stattfindet, als gigantische Inszenierung, in einer schneelosen Landschaft, verbunden mit Drohungen an Athleten, die ihre Meinung sagen wollen.
Die SZ hat nicht alle akkreditierten Kollegen auf die Olympia-Reise geschickt
Zu so einer Berichterstattung gehört auch, dass sich Reporterinnen und Reporter am Ort ein Bild machen. Sechs Kolleginnen und Kollegen sind für die SZ akkreditiert: der SZ-Korrespondent in Peking, Christoph Giesen, außerdem Saskia Aleythe, Barbara Klimke, Johannes Knuth und Volker Kreisl aus der Sportredaktion sowie Holger Gertz, der als Reporter für die Seite Drei seit dem Jahr 2000 über alle Sommer- und Winterspiele berichtet hat. Allerdings trifft in Peking die Überwachungsstrategie der Gastgeber auf die unumstrittenen Erfordernisse, die die Corona-Pandemie an so ein Großereignis stellt. Das bringt es mit sich, dass man nicht gleichzeitig aus der Stadt und von den Wettkampforten berichten kann. Nicht nur die Athleten, auch die Berichterstatter müssen sich in eine abgeschottete Blase begeben, die jenseits von Hotels und Wettkampfstätten keine Bewegungsfreiheit und kaum eine Recherche zulässt.
Die SZ hat deshalb nicht alle akkreditierten Kollegen auf die Olympia-Reise geschickt. Christoph Giesen wird aus Peking berichten – von außerhalb der Olympia-Blase, über das Gebaren der Politiker und die Frage, wie die Menschen in China diese Spiele wahrnehmen. Von innerhalb der Olympia-Blase berichten Saskia Aleythe (Zhangjiakou) und Barbara Klimke (Peking). Sie werden nicht nur ihre Sportarten im Blick haben – Klimke ist für Eiskunstlauf und Eisschnelllauf zuständig, Aleythe unter anderem für Biathlon – sondern auch Einblicke ins Herz der Spiele liefern: Wie ist die Stimmung tatsächlich? Welchen Beschränkungen sind die Beteiligten unterworfen?
Nicht jede Sorge vor Überwachung hat mit Omikron zu tun
Gertz, Knuth und Kreisl haben digitalen Zugang zu allen Pressekonferenzen und Informationsplattformen, werden aber aus München berichten – und von hier aus nicht nur den Kontakt zu Athleten aufnehmen, sondern auch zu Menschenrechtsvertretern und unabhängigen Beobachtern. Von Holger Gertz erscheint zudem eine Kolumne auf der Medienseite. Auf diese Weise hoffen wir, unseren Leserinnen und Lesern ein möglichst umfassendes Bild dieser Spiele zu liefern.
Wer sich in Peking und in den Bergen in die Olympia-Blase begibt, ist gravierenden Einschränkungen unterworfen. Dazu zählen tägliche PCR-Tests und tägliches Übermitteln der Körpertemperatur. Und nicht jede Sorge vor Überwachung hat mit Omikron zu tun. Die verpflichtende App „My2022“, ohne die niemand nach China einreisen darf, ist inzwischen von internationalen Experten als mutmaßliche Spionage-Software enttarnt.
Die SZ hat für ihre Reporterinnen deshalb extra Smartphones angemietet, von denen sich keine sensiblen Daten abgreifen lassen. Die Kolleginnen sind auch mit Laptops ausgestattet, die ihnen unzensierten Zugang zum Internet ermöglichen – aber ohne jede Verbindung zu den Servern der Redaktion. Nach der Heimreise wird das Equipment vernichtet. Dass Sicherheitsexperten diese Vorsicht für notwendig halten, sagt viel über den Olympia-Gastgeber aus. Dass vom IOC nichts davon offen kritisiert wird, verrät noch viel mehr über den Zustand der olympischen Bewegung.
Die SZ wird versuchen, diese Spiele abzubilden, ohne sich mit ihnen gemein zu machen. Viele Themen werden keine Freude machen, das Lesen hoffentlich trotzdem.