Transparenz-Blog

Wie entstehen Interviews in der SZ?

Nicht nur auf die Fragen kommt es an. Christian Mayer, Leiter des Gesellschaftsressorts der SZ, über abgebrühte Gesprächspartner, die Rolle der Journalisten und die Tücken der Autorisierung.

Christian Mayer, Ressortleiter Gesellschaft und Wochenende

30. Januar 2021 - 2 Min. Lesezeit

Gespräche sind dann bereichernd, wenn sie unerwartete Wendungen nehmen – das gilt natürlich auch für Interviews in der SZ. Deshalb grübeln viele Kollegen schon lange im Voraus, mit welchen Fragen sie ihre Gesprächspartner aus der Reserve locken können und wie sie zu den wunden Punkten gelangen: Genau da wird es für die Leserinnen und Leser spannend. Das fällt nicht ganz so schwer, wenn Interviewpartner große Geschichtenerzähler sind oder scharfsinnige Beobachter; sondern eher dann, wenn man es mit routinierten, abgebrühten Plaudertaschen zu tun hat. Zu Letzteren gehören nicht selten Politiker oder Firmenchefs, die schon alles hundert Mal gesagt haben, ein Garant für gepflegte Langeweile.

Wenn ein Interview dann „auf Band“ ist (oder auf der Smartphone-App), geht die Arbeit erst richtig los: Man muss das Gespräch abtippen, alles in die richtige Reihenfolge bringen, eventuell Nachfragen stellen, wenn man etwas Wichtiges vergessen hat oder aktuelle Ereignisse einen dazu zwingen. Absolut notwendig ist eine Überprüfung von Namen, Daten, Fakten: Auch kluge Menschen haben die Neigung, Dinge durcheinanderzubringen. „Nobody is perfect“, heißt es in einem der berühmtesten Filme von Billy Wilder, der selbst ein grandioser Interviewpartner war.

Wenn der Text dann steht, lesen ihn erst mal kundige Kollegen in der Redaktion. In vielen Fällen gibt es auch eine Übereinkunft, dass der oder die Interviewte die verschriftlichte Version des Gesprächs vorab prüfen kann, um sachliche Fehler oder Peinlichkeiten zu vermeiden. Dieses Prozedere ist nicht immer unproblematisch, vor allem wenn es um heikle Fragen oder juristisch Relevantes geht. Je komplizierter das Thema und je größer der Wissensvorsprung des Befragten, desto sinnvoller ist dieses Autorisieren – aber Interviews werden bei der Nachbearbeitung nicht unbedingt besser. Das gilt vor allem, wenn noch Pressesprecher oder persönliche Assistenten ihre Hände im Spiel haben. Da gibt es schon mal seltene Fälle, in denen wir Journalisten entscheiden, Änderungen im Nachhinein nicht zu akzeptieren, und Befragte, die das Interview dann ganz zurückziehen.

Ein gutes, überraschendes Interview ist jedenfalls keine geringe Kunst – man sollte sie pflegen, auch in der SZ.  

Team

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Illustration: Bernd Schifferdecker