Einmal im Leben

U-Bahn fahren in Tokio

Unterwegs mit der Metro in einer Mega-Metropole: Das könnte furchtbar sein. Ist es aber ganz und gar nicht.

17. Januar 2025

Mehr als acht Millionen Fahrgäste – pro Tag. So viele, dass sie, so liest man es zumindest immer wieder, manchmal von weiß behandschuhten Bahnmitarbeitern in die Waggons hineingeschoben werden müssen. Fast 300 Stationen, 13 Linien, auf dem Übersichtsplan ein verschlungenes Knäuel aus bunten Strichen, garniert mit japanischen Schriftzeichen. Uff!

Mit gehörigem Respekt betritt man also den ersten Metro-Bahnhof in der Mega-Metropole Tokio. Und ab dann ist alles ganz einfach.

Unaufhörlich schiebt sich der Strom der Fahrgäste durch die Zugangssperren. Da stockt und ruckelt und knirscht nichts, man wird Teil eines extrem gut geölten Räderwerks. Ticket einschieben oder Bezahlkarte auflegen, günstige ein bis zwei Euro zahlt man je nach Entfernung pro Fahrt. Die Linien und Stationen sind mit Buchstaben und Zahlen gekennzeichnet: G1 nach G8 ist kein Zug auf dem Schachfeld, sondern eine Reise mit der Ginza-Linie von den Knotenpunkten Shibuya nach Shimbashi.

Runter zum Gleis, aber Achtung: links stehen, rechts gehen, in Japan herrscht auch auf der Rolltreppe Linksverkehr – außer in Osaka, da ist es aus unerfindlichen Gründen umgekehrt.

Auf dem Bahnsteig stehen die Menschen in ordentlich aufgereihten Warteschlangen. Wo sich die Türen öffnen werden, ist auf dem Boden markiert. Sogar das größte Bahn-Gepäck-Ärgernis entschärfen die Japanerinnen und Japaner und schieben ihre Rucksäcke vor die Brust.

Aussteigen, einsteigen, die Menschenströme gleiten ohne Drücken und Schieben aneinander vorbei, als liefen sie wie die Züge auf Schienen. Manchmal wird es eng im Waggon, klar, kein Wunder bei den Passagierzahlen, aber niemand motzt, niemand stänkert, und ganz dringend lautstark telefonieren muss auch niemand. Das Geheimnis der Bereitschaft zur Rücksichtnahme – man würde es gern ergründen und das Rezept dafür mit nach Hause nehmen.

Eva Dignös

Einmal im Leben 

Auf der längsten Rodelbahn der Alpen

1700 Höhenmeter auf 15 Kilometern: Die längste Rodelbahn der Alpen in der Schweiz ist nichts für Angsthasen mit schwachen Bauchmuskeln.

Jedes Kind kennt das Problem beim Schlittenfahren: Das Raufziehen dauert länger als die große Sause.

Aber das ist in Grindelwald nun wirklich nicht das Thema. Am Rand des kleinen Schweizer Bergdorfs mit grandioser Tourismushistorie endet die längste Schlittenbahn der Alpen und damit ganz Europas: „Big Pintenfritz“ heißt sie, benannt nach einem in Grindelwald weltberühmten Wirt, der vor etwa 100 Jahren im Tal ein Lokal und auf dem Faulhorn ein Berghotel führte.

Das 2681 Meter hohe Faulhorn war schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel. Damals wurden die urlaubenden Damen noch per Sänfte hinaufbefördert. Heute nimmt man erst die Seilbahn, dann stapft man noch etwa zweieinhalb Stunden durch den Schnee an den Start und genießt eine herrliche Fernsicht auf Eiger, Mönch, Jungfrau, die Viertausender des Wallis und über Thuner- und Brienzersee bis in den Jura.

Dann los! Je nach Mut und Bauchmuskeln – wer mit den Füßen bremst, verliert – und Anzahl der Pausen kann man die wilde Fahrt über wellige Wiesen zwei Stunden lang auskosten. Meistens geht es auf der präparierten Bahn nicht zu steil und nicht zu flach voran, passagenweise allerdings schon so, dass einem das Adrenalin einschießt.

Unterwegs gibt es immer wieder Möglichkeiten zur Einkehr. Das Bergrestaurant Bussalp auf 1800 Metern zum Beispiel lohnt sich für ein Käsefondue. Allerdings ist man nicht der einzige Wintersportler, der auf diese Idee kommt, wie die vielen geparkten Schlitten vor dem Eingang signalisieren. Auch ein paar Velogemel stecken dazwischen, Mitteldinger aus Fahrrädern und Schlitten, die aus Holz und nur in Grindelwald hergestellt werden und beim Fahren ein besonderes Geschick erfordern. Unten geht es einem wie den Kindern am verschneiten Stadtpark-Hügel: Man will sofort noch einmal rauf.

Jochen Temsch 

Einmal im Leben

Großes Gejaule, große Freude

Eine Hundeschlittenfahrt durch Alaskas verschneite Wildnis ist zwar nicht mehr so gefährlich wie zu Zeiten des Goldrauschs. Aber noch immer ein Abenteuer.

Es stinkt. Man kann das nicht feiner ausdrücken, selbst wenn man Hunde liebt. Wer nach der durchfrorenen Nacht im Zelt hinübergeht zum Kennel, zur Lagerstätte der Huskys, riecht es unweigerlich: so viele Tiere und überall Kacke im Schnee. Zur Begrüßung großes Gejaule. Wie schön!

Wir campieren in Alaska, oberhalb des Polarkreises. Im Frühjahr werden die Nächte kaum dunkel, und tagsüber hat man ein paar erfreuliche Plusgrade. Nach dem Frühstück wird angeschirrt, manche Hunde bekommen Pfotenschoner für den Ausflug.

Die Vorfreude steigt, bei Mensch und Tier. Die Hunde wollen laufen, geradeaus, die Hügel rauf, die Hügel runter. Wir versuchen, auf dem Schlitten zu bleiben, in engen Kurven, an schrägen Hängen. Die Kunst ist, die Hunde nicht zu stark zu bremsen, sie aber auch kein Wettrennen veranstalten zu lassen. Sonst liegt man schnell im Schnee. Die Huskys sind schließlich Profis, haben schon am Iditarod teilgenommen, einem Hardcore-Hundeschlittenrennen.

Der Trail, entstanden zur Zeit des Goldrauschs, führt fast 1600 Kilometer durch die Arktis. Damals transportierten die Hunde Post und Güter auf den Schlitten. Sie waren so wichtige wie unbeachtete Helfer. Berühmt wurde nur einer: Balto. Er war der Leithund des Gespanns von Gunnar Kaasen, der 1925 als einer von 20 Mushern in einer Stafette mit seinen Tieren ein Serum gegen Diphtherie in den abgelegenen Ort Nome brachte. Bei Temperaturen um Minus 30 Grad kämpften sich Mensch und Tier durch Wind und Eis. 1600 Kilometer weit, der Iditarod wurde davon inspiriert.

Uns aber reichen drei Stunden Ausfahrt in der weißen Weite. Ist ja nicht mehr überlebenswichtig heute. Nur pures Glücksgefühl.

Monika Maier-Albang

Einmal im Leben

Weihnachtliches Gelage

Bis der Hosenknopf abplatzt: In Schweden gehört das Julbord, ein üppiges Buffet, unbedingt zur Weihnachtszeit.

Während in deutschen Familien dieser Tage darüber abgestimmt wird, ob es Raclette, Fondue oder Gans gibt, schlägt man sich in Schweden bereits in der Vorweihnachtszeit stundenlang den Bauch voll. Ab Ende November bieten Restaurants von Kiruna bis Ystad das Julbord, den traditionellen Weihnachtstisch, an – ein Spektakel, das gewiss niemand auslässt.

Für die unzähligen Speisen, beleuchtet von warmem Kerzenlicht, gibt es eine klare Abfolge. Begonnen wird mit unterschiedlich eingelegten Heringen (mit Senf, Dill, Schwarzen Johannisbeeren, Meerrettich) und Lachs (warm- und kaltgeräuchert, gebeizt) sowie Krabbensalat und gefüllten Eiern.

Gang zwei: Roastbeef, Leberpastete, geräucherter Schinken. Danach folgen warme Klassiker wie Rippchen, Prinzwürstchen, Weihnachtsschinken, Fleischbällchen, dazu Rote-Bete-Salat, Grünkohl und „Janssons frestelse“, Janssons Versuchung, ein Kartoffelgratin mit Anchovis und Zwiebeln. Der Nachtisch besteht aus Milchreis, Pfefferkuchen, Karamellbonbons, Lakritz.

Während man sich hierzulande den Teller gern bis zur Kante füllt, sollte man in Schweden mehrfach gehen, das gehört zum guten Ton. In den feierlich geschmückten Restaurants gibt es Julbord für Firmen- und Familienfeiern nur bis kurz vor Weihnachten, an Heiligabend gibt es das große Fressen daheim.

Ursprünglich fand das Gelage nach der vorweihnachtlichen Fastenzeit statt, in Jahren, in denen die meisten im Winter ohnehin nicht viel zu essen hatten, erst recht kein Fleisch. Inzwischen werden auch vegetarische und vegane Weihnachtstische angeboten. Gute Nachrichten für alle, die bis Dezember 2025 nicht warten wollen: Ähnlich befüllt sind die Buffets auch zu Ostern und dem Mittsommer-Fest.

Julia Rothhaas

Einmal im Leben

Diavolezza Skiabfahrt

Einmal auf Skiern über den Pers- und Morteratschgletscher fahren und begreifen, wie schön und fragil diese Welt aus Eis und Schnee ist.

Darf es wahr sein? Nicht nur, dass man diese faszinierende Aussicht auf den Piz Palü, den Piz Bernina und den Persgletscher hat, der makellos zugeschneit ist und sich nur durch seine großen Spalten verrät, die Schatten werfen. Sondern auch, dass man gleich auf Skiern durch diese Szenerie seine Spur in den Tiefschnee legen darf? 

Wer mit der Seilbahn auf die knapp 3000 Meter hohe Diavolezza fährt, mitten in der Bergwelt des Oberengadin, der kann bei guter Schneelage die Gletscherabfahrt bis zur Bahnstation Morteratsch machen.

Knapp 1100 Höhenmeter geht es durch unpräpariertes, aber durch Stöcke gut markiertes Gelände in dieser hochalpinen Luxuslandschaft. Zuerst steil an der Seitenmoräne vorbei und dann hinunter auf den sanft geneigten Persgletscher. 

Links sind die höchsten Berge der Ostalpen zu sehen, an deren Felsen noch eindrückliche Gletscher hängen. Auch neben der Piste sieht man immer wieder Eis durchschimmern, und wer mit einem Einheimischen unterwegs ist, der wird hören, wie schnell sich das hier alles verändert von Jahr zu Jahr. Das Eis schmilzt rapide.

Wo in diesem Jahr noch eine blau funkelnde Gletscherhöhle das Ende des Pers markiert, kann im nächsten Jahr nur noch Stein unter dem Schnee sein.

Man kurvt weiter unten an den tiefen Spalten des Morteratschgletschers vorbei, bevor die letzten drei Kilometer eislos auf einem Zieh- und Wanderweg bis zum Bahnhof Morteratsch führen. Drei Kilometer Länge hat der Morteratsch seit 1878 eingebüßt. Bei einem Bier im Bahnhofsrestaurant muss man darüber nachdenken, dass die Gletscherabfahrt auch deshalb so besonders ist, weil es sie vermutlich nicht mehr lange geben wird.

Hans Gasser

Einmal im Leben

Im Schrein der tausend Tore

Der pittoreske Fushimi Inari in der alten japanischen Kaiserstadt Kyoto wirkt auf Fotos ein kleines bisschen anders als in Realität.

Eine Allee aus orangefarben gestrichenen Holztoren, Tausende, die den Übergang der profanen Welt in spirituelle Sphären markieren. Unter denen würde man dann emporschreiten auf einen Hügel, auf dem sich das Heiligtum dieser religiösen Stätte befindet: ein schlichter Spiegel, der Wahrheit und Selbstreflexion symbolisiert. So in etwa träumt man von einem Besuch in einem der berühmtesten Shinto-Schreine Japans, dem Fushimi Inari in der alten Kaiserstadt Kyoto. So gaukeln es einem die meisten Fotos vom Schrein auch vor: Es sind immer nur ein, zwei Menschen allein mit sich und in ihre Gedanken versunken zu sehen.

Sagen wir mal so: Es ist sicher nicht unmöglich, den Weg unter den Torii genannten rituellen Toren so zu fotografieren, aber dazu muss man schon sehr sorgfältig einen der Augenblicke erwischen, in denen gerade keine Touristenpulks ins Bild geraten. Denn normalerweise geht es in diesem Torii-Gang in etwa zu wie in der – im gleichen orangen Farbton gehaltenen – Münchner S-Bahnstation Marienplatz im Feierabendverkehr.

Der natürliche Reflex der Touristen, Smartphones am gestreckten Arm in verschiedenen Winkeln vor sich zu halten und die eigene Anwesenheit zu dokumentieren, macht das Fortkommen nicht gerade geschmeidiger. Selbstinszenierung statt spiritueller Atmosphäre.

Wirklich überweltlich sind die Tore im übrigen auch nicht. Es handelt sich um Spenden von Familien und Unternehmen, deren Namen auf den Pfosten stehen – eine Art Bandenwerbung also.

Dennoch sollten Kyoto-Besucher den Schrein auf keinen Fall auslassen. Er ist der mal männlich, mal weiblich dargestellten Gottheit Inari geweiht, die als Fuchs in Erscheinung tritt. Auf dem weitläufigen Gelände des Schreins gibt es zahlreiche Fuchs-Statuen mit roten Stofflätzchen zu entdecken. Und überhaupt wird es erst jenseits der Torii richtig interessant.

Jochen Temsch

Einmal im Leben

Auf Vietnams Reisterrassen

Die Reisterrassen im Norden des Landes sind mehr wert als ein schneller Fotostopp. Man sollte sie sich deshalb erwandern.

Bevor man sich in Hanoi in den Reisebus setzt und in einer Buskolonne sechs Stunden über Serpentinen in den Norden Vietnams an die chinesische Grenze fährt, sollte man sich eine Frage stellen: Will ich einfach nur Reisterrassen sehen? Oder will ich die Region um Sapa kennenlernen?

Denn davon hängt ab, welchen der gefühlt hundert Touranbieter man für seinen mehrtägigen Ausflug wählt. Das eine bekommt man schnell, von günstig bis teuer, aber gemeinsam mit tausend anderen. Das Erlebnis abseits der Massen wiederum ist deutlich schwerer zu finden – hierzu muss man unter Umständen tagelang im Internet suchen.

Aber die Mühe lohnt sich. Denn die Berge im Distrikt Sapa sind mehr als nur ein schnelles Reisterrassen-Foto wert. Besser also, man lässt sich nicht nur von Ziel zu Ziel mit dem Bus kutschieren, bucht Herbergen und kein großes Hotel und wandert los: durch Bambuswälder und kleine Dörfer, immer vor der Kulisse der spektakulären Gebirgslandschaft. 

Und immer wieder verlaufen die Reisterrassen stufenweise den Hang hinab. Wie fotogen diese sind, hängt von der Jahreszeit ab. Im Juni sind sie zum Beispiel sattgrün, im Oktober golden und kurz vor der Ernte, im November, eher matschig-braun.

Wer so unterwegs ist, dem laufen herrenlose Pferde, Gänse und Hunde über den Weg und Schulkinder in die Arme. Der unterhält sich beim Abendessen mit den Herbergsleuten, die gedämpften Wasserspinat servieren. Der beobachtet Wasserbüffel, die im Reisfeld stehend Pause von der harten Arbeit machen. Und der stellt eines fest: Die Frauen managen alles. Sie sind Reiseführerinnen, verkaufen Armbänder am Straßenrand, leiten die Herbergen. Und die Männer? Bekommt man als Tourist praktisch nicht zu sehen.

Valentina Reese

Einmal im Leben

Mit dem Bike am Mount St. Helens

Einst ein Ort des Schreckens, heute ein beliebtes Ziel bei Mountainbikern: der vulkanische Mount St. Helens. Wer hier radelt, erlebt eine faszinierende Natur.

Hier soll vor knapp 45 Jahren ein Vulkan ausgebrochen sein? Auf den ersten Kilometern dieser Mountainbike-Tour im Nordwesten der USA deutet nur wenig darauf hin, dass sich mit der Eruption des Mount St. Helens am 18. Mai 1980 eine gigantische Naturkatastrophe ereignet hat. Dichte Laubbäume, wuchernde Sträucher, hohe Gräser: Das könnten auch die südlichen Isarauen sein.

Doch bald geben die ersten Aussichten klare Hinweise darauf, dass man nicht in den bayerischen Voralpen, sondern auf dem Pazifischen Feuerring unterwegs ist. Der markante Gipfel des nur 50 Kilometer entfernten Mount Adams ist zu sehen, einer der vielen Vulkane, die sich im Westen der USA entlang der Kaskadenkette von Washington State über Oregon bis nach Kalifornien aufreihen.

Die Mountainbike-Route verläuft durch den Ape Canyon an der Ostseite des St. Helens. Mit jedem Kilometer, den man sich dem Gipfel nähert, werden die Spuren des Ausbruchs deutlicher. Die leichten Vulkansteine knirschen unter den Reifen, es gibt keine Bäume mehr, nur noch eine Steinwüste: In der direkten Explosionszone haben pyroklastische Ströme bei der vergangenen Eruption binnen Sekunden alles Leben zerstört.

Weil beim Ausbruch die gesamte Spitze weggesprengt wurde, ist der Vulkan nicht nur etwas unförmig, sondern mit 2539 Metern auch 400 Meter niedriger als zuvor.

In nördlicher Richtung ist bei gutem Wetter der majestätische, fast 4400 hohe Mount Rainier zu sehen. Der Vulkan schlummert, und man hofft, dass das auch noch auf den zwölf Kilometern zurück zum Ausgangspunkt so bleibt. Der Rainier gilt schließlich als der gefährlichste Vulkan Nordamerikas – gemeinsam mit dem Mount St. Helens.

Andreas Remien

Einmal im Leben

Über dem Nebel stehen

Die Farben, die Luft, die Sonne: Jetzt im November sind die Berge so schön wie kaum einmal im Sommer.

Der November ist der schönste Monat des Jahres. Richtig gehört. Der schönste. Nicht der schlimmste. Das Missverständnis, man würde in diesem Monat fast zwangsläufig in eine Depression verfallen müssen, rührt daher, dass wir Flachländer tagein, tagaus unter der Nebelglocke sitzen. Es wird einfach nicht hell, es ist kühl, es bleibt grau. Aber da ist eine andere Welt, sie liegt verheißungsvoll und erreichbar nur ein paar Hundert Meter höher, und dort ist alles anders:

Wer derzeit in den Bergen wandert, egal ob im Chiemgau oder im Vinschgau, der erlebt derart helle, klare und sonnige Tage wie den ganzen Sommer über nicht. Der Blick geht 100 Kilometer weit, weil die Luft so trocken und kristallklar ist.

Mit dem weißen Nebelmeer und den schneebedeckten hohen Bergen in der Ferne kontrastieren die knalligen Farben, derzeit insbesondere der Lärchen, die ein Feuerwerk aus Gelb und Orange abbrennen. Der Himmel dazu ist von einem extrem stechenden Blau, und wenn dann noch ein Steinadler oder auch nur ein Turmfalke seine Kreise zieht in der Thermik, muss man ihnen zuschauen, bis sie als Punkt verschwunden sind.

Die Sonne wärmt die Haut, ohne zu brennen wie im Sommer. Und in der guten Luft liegt ein leichter Hauch von modrigem Laub und Holzrauch, der aus irgendeiner warmen Stube strömt. Aber dorthin will man nicht, noch nicht, denn es ist fast unmöglich, sich von diesem An- und Ausblick zu trennen, der eben nur im November so besonders bunt, klar und hell ist. Und wer will schon ins Graugrau unter die Nebeldecke zurück, wenn er nicht unbedingt muss?

Hans Gasser

Einmal im Leben

Marathon laufen in Marathon

Der Marathon von Marathon nach Athen ist legendär – aber auch eine besonders harte Herausforderung. Und das hat nicht allein mit den vielen Kilometern zu tun.

Marathons gibt es viele im Herbst, aber es gibt nur ein Marathon. Der Ort liegt nordöstlich von Athen an der Küste, und für die Menschheit noch bedeutender als die Namenspatronage für eine olympische Disziplin ist Marathon, weil hier 490 vor Christus eine Schlacht zwischen Persern und Athenern stattgefunden hat, deren Ausgang eine historische Weichenstellung für Europa war.

Am Ende lief der Legende nach der Bote Pheidippides die etwa 40 Kilometer von Marathon nach Athen, rief „Nenikekamen! Freut euch, wir haben gesiegt!“ – und starb: für notorische Sofakartoffeln bis heute ein Beleg für die Gefährlichkeit des Laufsports.

Viele Läufer dagegen träumen davon, einmal im Leben Marathon in Marathon zu laufen. Diesen Sonntag, 10. November, ist es wieder soweit: 21000 Teilnehmer sind gemeldet. Doch es ist gar nicht so leicht, in Marathon etwas vom Marathon-Mythos zu spüren. Gestartet wird an einem Fußballplatz mit pompösen Marmorbauten, bei Kilometer fünf läuft man eine Schleife um Grabhügel für Soldaten, die hier vor 2500 Jahren gefallen sind.

Dann geht es auf einer gesperrten, vierspurigen Schnellstraße nach Athen: statt antikem Flair eine triste Aneinanderreihung von Autowerkstätten, Baumärkten und Tankstellen.

Zwischendrin eine Statue von Pheidippides, dynamisch in Laufrichtung geneigt. Grandios dagegen der Zieleinlauf im Panathinaiko-Stadion in Athen, das für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 erbaut wurde.

Damals siegte Spiridon Louis beim Marathon. Der Bauernsohn nahm die Sache wohl um einiges lockerer als der Bote Pheidippides. Nach der Hälfte der Strecke soll er in einem Wirtshaus ein Glas Wein geleert und verkündet haben, er werde alle vor ihm einholen. Andere sagen, das sei Quatsch. Er habe Cognac getrunken.

Jochen Temsch

Einmal im Leben

Zu Besuch bei Orang-Utans

Wer einige der letzten in Freiheit lebenden Orang-Utans sehen will, der muss durch den Dschungel Sumatras wandern - und darf sich nicht daran stören, nass zu werden.

Die Aufwärmübung sind 250 glitschige Stufen. Sie führen von Bukit Lawang, einem kleinen Touristenort im Dschungel Sumatras, in den Nationalpark Gunung Leuser. Es schüttet. „Stört euch der Regen?“, fragt der Guide und stellt klar: „Dann seid ihr hier falsch. Kein Regen, kein Wald.“

Was sie einem hier auch gleich sagen: Es gibt keine Garantie, dass man Orang-Utans begegnet. Relativ sicher aber sieht man exotische Vögel, Thomas-Languren, Schwarzhand-Gibbons. Und leider auch Blutegel, die an den Ästen hängend auf Opfer warten.

Dann aber taucht tatsächlich ein Orang-Utan-Weibchen mit Nachwuchs auf. Beziehungsweise laufen wir unter ihnen hindurch, während sie entspannt im Baum hängen.

Viele der Orang-Utans um Bukit Lawang sind nicht scheu, weil sie früher in Gefangenschaft lebten. „Bitte nicht zu nahe kommen“, warnt der Führer. Vor allem von Mina solle man Abstand halten – so sie noch mal auftauche. Jahrzehntelang hat Mina Wanderer verfolgt und geärgert. Die Führer hatten immer Bananen dabei, um sie im Notfall zu bestechen. Jetzt aber wurde das betagte Orang-Utan-Weibchen seit Monaten nicht mehr gesichtet. Vermutlich ist sie nur noch eine Legende des Dschungels.

Sumatra-Orang-Utans sind, wie ihre Verwandten, die Borneo-Orang-Utans, vom Aussterben bedroht. Es gibt schätzungsweise noch 14600 Tiere auf der indonesischen Insel. Wer ihnen begegnen möchte, kann nicht auf eigene Faust losziehen. Man muss eine Tagestour mit Guide für rund 70 Euro buchen.

Wir sehen auf der Tour sechs Menschenaffen, und das, obwohl die Wanderung vorzeitig abgebrochen wird. Der Regen wird immer stärker, schmale Wasserläufe verwandeln sich in reißende Bäche. In schmatzenden Schuhen geht es die 250 Stufen zurück ins Dorf.

Valentina Reese

Einmal im Leben 

Staunen und Gruseln über die Warane auf Komodo

Sie sind die größten Echsen der Welt, werden bis zu drei Meter lang und leben nur auf ein paar Inseln im Indischen Ozean. Eine Reise zu den Tieren der Urzeit.

Der Weg in die Urzeit führt übers Wasser. Das Boot tuckert an zerklüfteten, bizarr aussehenden Inselchen vorbei. Mit Gras bewachsene, unberührte Hügel aus Lavagestein erheben sich kegelförmig aus dem Indischen Ozean. Vereinzelt strecken sich Palmen gen Himmel, die aussehen wie Nägel mit Köpfen. Hier, im Komodo-Archipel westlich der indonesischen Insel Flores, regiert seit Millionen Jahren die Natur.

Vom Boot aus sieht man Mantarochen, die majestätisch durch das klare Wasser gleiten. Aber die Tiere, die alle sehen wollen, sind die Komodowarane. Die drei Meter langen und 70 Kilo schweren Echsen verfügen über todbringende Waffen: scharfe Zähne, hoch infektiöse Bakterien im Speichel und Giftdrüsen im Kiefer. Mit ihrer langen, gespalteten Zunge orten die größten Echsen der Welt ihre Beute, sie jagen und erlegen Wildschweine, Schlangen, Ziegen, sogar Mähnenhirsche und Wasserbüffel. Danach liegen sie tagelang lethargisch herum.

Die als stark gefährdet geltenden Riesenwarane leben nur auf Komodo und wenigen Nachbarinseln. Auch weil man sich vor ihnen gruseln kann, sind sie eine Attraktion für Touristen, Forscher und Tierfotografen wie Volker Kess, der ein Buch über sie veröffentlicht hat. Er hat die Reptilien lange beobachtet und ist ihnen für seine Aufnahmen sehr nah gekommen.

Angriffe auf Menschen seien selten, sagt Kess. Aber selten heißt eben nicht, dass die Tiere ungefährlich sind. Auf dem Weg vom Bootssteg zur Ranger-Station bewaffnet er sich mit einer Holzgabel, um die Warane notfalls wegzudrängen. Am Ufer liegt bereits die erste Echse. Sie döst in der Sonne. Das Gelage hat wohl schon stattgefunden.

Daniela Gorgs

Einmal im Leben

Den Herbst in Kanada genießen

Gefärbte Bäume von den Großen Seen bis hinauf in die Tundra: Im Herbst kann man in Kanada eine besondere Lightshow erleben.

Als hätte Kanada nicht schon landschaftliche Schönheit im Überfluss, beschenkt die Natur das zweitgrößte Land der Welt alljährlich im Herbst auch noch mit einem nachgerade psychedelischen Farb- und Lichtspektakel, besser bekannt als Indian Summer. Aus der Vogelperspektive sieht das Land dann aus wie ein grell-bunt gewirkter Teppich, das tiefe Rot des Ahorns wechselt ab mit dem blendenden Gelb der Espen und Birken, als Farbtupfer letzte grüne Blätter. Die Herkunft des Begriffs ist unklar. Eine Deutung besagt, dass die Ureinwohner im Herbst ihre Jagdsaison hatten und das Rot des Ahorns das Blut der erlegten Tiere symbolisiere.

Wissenschaftlich erklärt sich das Phänomen ganz unblutig, mit einer länger anhaltenden Hochdruckphase, die sich in Kanada und den nördlichen US-Staaten im Spätsommer einstellt. Je sonniger und milder das Hoch ausfällt, umso prächtiger entfaltet sich die Herbstfärbung und umso länger bleiben die Blätter an den Bäumen. Auch viele Einheimische gehen dann wandern. Zu Fuß oder vom Kajak aus lässt sich das Naturschauspiel am besten genießen.

Je weiter nördlich, desto früher setzt die Herbstfärbung ein. Sogar die subarktische Tundra hat ihren Indian Summer. Wer also nicht genug bekommen kann von Rot-Orange-Gelb, fährt einfach vom Yukon Territory Richtung Süden. Bei klug gewählter Route ließe sich so wochenlang eintauchen in diese Farborgie.

Die Großen Seen, der Algonquin Provincial Park bei Toronto, die Laurentinischen Bergen in Quebec, Nova Scotia oder die benachbarten Neuenglandstaaten sind beliebte Ziele von Indian-Summer-Touristen. Der Clou: Die Blätter verfärben sich in riesigen Regionen – Besucher können sich wunderbar aus dem Weg gehen.

Ingrid Brunner

Einmal im Leben

Bora Bora sehen

Das kleine Atoll im Pazifik ist der Inbegriff des Südseetraums. Ein Blick auf die Hotelrechnung hilft beim Aufwachen.

Wer sich Bora Bora in einer kleinen Propellermaschine nähert, sieht zuerst die schwarzen Zacken der höchsten Erhebung am Horizont, dann das ganze Naturwunder: das idealtypische, unfassbar schöne Bild eines Atolls, mehr wie aus den fiebrigen Tiefen eines Südseetraums emporgestiegen denn aus den feurigen Untergründen des Pazifiks.

Der Vulkankrater ist eingefallen und versunken, nur noch vereinzelte Ränder und Inselchen schauen über das tiefe Blau hinaus, ringförmig umschließt das Korallenriff die Szenerie und trennt sie vom offenen Ozean. Motorboote bringen die Urlauber in ihre Unterkünfte. Surreal die Fahrt durch die türkisfarben leuchtende Lagune, in der Schulen bunter Fische schweben und Rochen aufschrecken, die in den Sandablagerungen ruhen.

Selbst wenn man schließlich aussteigt, Jetlag in den Knochen und einen duftenden Tiaré-Blütenkranz um den Hals, ist man noch nicht angekommen. Plötzlich barfuß auf dem mehlweißen Sandboden eines Mythos zu stehen, muss man erst verkraften. Europäische Seefahrer des 18. Jahrhunderts, Schlagersänger und Thor Heyerdahls Floßfahrt auf der Kon-Tiki trugen zur Verklärung bei. Ein Blick auf die Hotelrechnung hilft, wieder klar zu sehen: Kein Bora Bora ohne Diridari, die Insel ist eines der teuersten Reiseziele der Welt.

Tausend Euro für eine Nacht im Overwater-Bungalow – und nicht einmal eine Tasse Kaffee zum Frühstück inbegriffen. Dazu die Umweltfrevel: an die 30 Stunden reine Flugzeit ab Frankfurt, Kreuzfahrtemissionen und Müllprobleme; auch was die Touristen essen und trinken wird großteils aus Frankreich eingeflogen, zu dessen Überseegebieten dieser Teil Polynesiens gehört. Doch in den Schattenseiten des Atolls liegt auch ein Trost: In gewisser Weise ist es schöner, von Bora Bora zu träumen, als dort zu sein.

Jochen Temsch

Einmal im Leben

Nach Samarkand, wo sich die Welt vergessen lässt

Die alte Stadt an der Seidenstraße ist für ihre Monumentalbauten und islamische Architektur berühmt. Und tatsächlich lebt am Registan der Traum von Tausendundeiner Nacht fort.

Einen „Traum von Tausendundeiner Nacht“ hat die Stadtführerin versprochen. Ein paar Minuten später steht man neben ihr im Herzen Samarkands, dieser berühmten Stadt an der Seidenstraße in Usbekistan, und muss zugeben: Traumhaft ist der Registan wirklich – ein Schmuckstück der islamischen Architektur. 

Den gewaltigen Platz säumen drei Medresen (Koranschulen), von denen jede für sich als Attraktion eindrucksvoll genug wäre. Mächtig ragen ihre Eingangsportale auf, lang strecken sich ihre Minarette in den Himmel, überall Steine und prachtvoll verzierte Fliesen in Blau, Weiß und Ocker.

Die erste dieser Medresen wurde 1420 fertiggestellt, um junge Menschen im Koran und der Mathematik zu unterrichten. Heute geraten Touristen ins Schwärmen – und in Verzweiflung, weil schon die Dimensionen des Registan sich dem fotografischen Festhalten verweigern. 

Und es gibt in Samarkand mehr Bauten ähnlichen Kalibers. Da wäre etwa die Totenstadt Shohizinda, in deren einziger Gasse sich die Mausoleen reihen: Prachtbauten mit bunt gemusterter Fassade und vergoldeten Wänden und Kuppeln im Inneren. Einst wurden hier die Mächtigen bestattet, angefangen mit Angehörigen der Timuriden, die vom 14. Jahrhundert an Teile Zentralasiens unterwarfen und Samarkand zu ihrer Hauptstadt machten.

Heute zeugen diese und weitere Sehenswürdigkeiten von Samarkands großer Vergangenheit. Zur Gegenwart gehört dagegen ein Autoverkehr, der selbst Beifahrern die Nerven rauben kann. Trotzdem lebt der Traum von Tausendundeiner Nacht fort. Denn schnell vergisst man die Welt am Registan.

Maximilian Gerl

Einmal im Leben

Auf den Tafelberg

Blühendes Buschwerk, Wolkenschauspiele und drollige Höhlenbewohner: Der Ausflug auf das Gebirgsmassiv hoch über Kapstadt ist nicht allein wegen des Panoramas ein Erlebnis.

Wie ein gewaltiges Monument aus Sandstein erhebt sich der knapp 1090 Meter hohe Tafelberg über Kapstadt und dem Atlantischen Ozean. Schroffe Felsen vor tiefblauem Himmel. Aus wenigen Kilometern Entfernung betrachtet, verheimlichen sie, welche Fülle des Lebens einen im Table Mountain National Park erwartet, zu dem das 60 Quadratkilometer große Gipfelplateau gehört.

Im Nationalpark wachsen circa 1500 verschiedene Pflanzen. Die Königin seiner Flora ist die Protea mit ihren rosafarbenen, wie Artischocken geformten Blüten. Blühender Fynbos, die Macchia Südafrikas, umkränzt während des südafrikanischen Frühlings, der im September beginnt, das Gestein.

Also nichts wie rein in die Kabinenbahn, die sich während der zehnminütigen Fahrt einmal um die eigene Achse dreht. In jeder Himmelsrichtung Interessantes: die beiden kleinen Berge Signal Hill und Lion’s Head, die City Bowl – so werden die von Bergen umgürteten Stadtteile Kapstadts genannt.

Oder die Gefängnisinsel Robben Island, wo Nelson Mandela 18 Jahre inhaftiert war.

Aus einer Felsspalte taucht ein Köpfchen nach dem anderen auf – eine ganze Schlieferfamilie, braune Säugetiere, die Murmeltieren ähneln. Sie lassen sich wohl nur deshalb blicken, weil der Tag noch jung und die Zahl der Spaziergänger überschaubar ist.

Ein anderer Morgen in Kapstadt beginnt mit einem Naturschauspiel, das man vom Fuß des Tafelbergs aus verfolgt – Table Cloth: Auf dem flachen Bergrücken formt sich eine Tischdecke aus Wolken. Die watteweißen Gebilde fließen langsam ins Tal. Das sieht ein bisschen so aus, als würde Milch in einem Topf überkochen. Nur eben viel spektakulärer.

Stephanie Schmidt

Einmal im Leben

Great Blasket Island

Einst lebten auf diesem kargen Brocken Menschen. Die meisten Häuser sind inzwischen graue Ruinen, vom Wetter geschliffen. Zurück blieben allein die Schafe.

Ist das Irland, wie man es sich immer vorgestellt hat: grün und wild inmitten der tiefblauen See?

Zumindest entspricht Great Blasket Island fast zu sehr den Klischees, die viele Reisende von Irland haben – trinkende, rothaarige Männer mal ausgenommen. Trotzdem bleibt man hier vom Massentourismus verschont. Zu schwer ist schon die größte der Blasket-Inseln erreichbar. Nur wenn das Meer keine hohen Wellen schlägt, steuern sie ein paar Ausflugsboote von Dingle oder Dunquin aus an. Steil schieben sich die Klippen zwischen das irische Festland und die Weiten des Atlantiks.

Einst lebten auf diesem kargen Brocken Menschen unter Umständen, die man als widrig bezeichnen würde: ohne Strom, Hafen oder Arzt. Obwohl Irland im Osten und in Sichtweite liegt, war es doch bei schwerer See so weit weg wie Kanada im Westen. In den 1950er-Jahren wurde die Siedlung aufgegeben. Die meisten Häuser sind inzwischen graue Ruinen, vom Wetter geschliffen. Zurück blieben allein die Schafe. Ihre wilden Nachfahren haben Great Blasket in Besitz genommen und sich allen Einfangversuchen widersetzt.

Und am einzigen Strand der Insel herrschen – gut hör- und riechbar – rund 200 Kegelrobben.

Die wenigen Touristen verlassen dagegen am Nachmittag die Insel wieder. Doch ob die Insel sie verlässt? Von den früheren Einwohnern heißt es, dass sie trotz aller zivilisatorischen Vorteile des Festlands Great Blasket nie vergessen konnten. Für heutige Fremde gilt das womöglich auch ein bisschen: Dieses Irland-Klischee weiß zu gut Eindruck zu machen.

Maximilian Gerl

Baden in der Soča

So schön, so kalt: Der Gebirgsfluss Soča in Slowenien besticht durch seine Farbe. Wer einmal darin geschwommen ist, fühlt sich für alles gewappnet.

Ist es die Farbe? Dieses knallige, durchsichtige Türkis? Oder ist es der Schweiß, der einem den Nacken herunterrinnt, während man, vom Ort Soča kommend, Richtung Bovec wandert, immer an diesem Gebirgsfluss entlang, der sich durch enge Kalksteinschluchten windet? Egal, wahrscheinlich ist es die Kombination aus beidem, die einen magnetisch ins Wasser zieht, sobald das große Becken in Sicht kommt, das wie ein natürlicher, von Felsen umgebener Swimmingpool aussieht. Morgens um neun ist noch nicht viel los. Also Kleider aus und Badehose an und nichts wie rein. Aber huiii! Vielleicht hätte man den Gesichtsausdruck der drei jungen Frauen besser interpretieren sollen, die gerade aus dem karibisch anmutenden Wasser gestiegen sind. Denn es ist kalt, eiskalt; binnen kurzer Zeit schmerzen die Beine, wenn man nur darin steht. Wir aber schwimmen, und zuerst fühlt es sich an, als würde man schockgefroren, doch dann entsteht durch die Kälte so etwas wie Wärme im ganzen Körper, ein seltsames Phänomen, das aber auch nicht dazu führt, dass man noch länger drinbleiben möchte.

Nach ein, zwei Minuten also nichts wie raus, auf die Kalkfelsen. Die Haut kribbelt, nur langsam weicht die Kälte, dann fühlt man sich gut und für alles gewappnet. Der Blick auf die Soča, die in Italien Isonzo heißt und im Ersten Weltkrieg Schauplatz furchtbarer Schlachten war, ist beruhigend.

Im klaren Wasser kann man die Marmorata-Forellen stehen sehen, Wasseramseln suchen im Bach nach Nahrung, und Fliegenfischer in Latzhosen ziehen Forellen raus, nur um sich mit ihnen zu fotografieren und sie dann wieder sanft ins türkisfarbene Wasser zu entlassen.

Hans Gasser

Die Akropolis sehen

Auf dem Plateau ist es stets voll und im Sommer brütend heiß. Es gibt aber Orte, von denen aus man Athens berühmtes Bauwerk sogar noch besser anschauen kann.

Natürlich wird man das tun, was alle tun: auf die Akropolis hinauf und sich dort mit den 3000 anderen, die pro Stunde aufs Plateau dürfen, an den Säulen und Bauzäunen entlang schieben lassen.

Und natürlich ist der einzige Automat, der Wasserflaschen bereithalten sollte, leer. So richtig urlaubsschön ist das nicht. Deshalb hier ein alternativer, zumindest ergänzender Vorschlag: die Akropolis von unten anschauen. Man kommt ihr als Gast Athens ohnehin nicht aus, will das ja auch gar nicht, denn die „hohe Stadt“ mit ihren Bauwerken dominiert nicht nur optisch, sondern auch symbolträchtig Athen als Geburtsstätte der Demokratie. 

Nun gibt es in Athen zig Dachterrassen auf Hotels und Bars mit Blick auf die Erhabene. Von der Terrasse des Hotels St. George Lycabettus, das auf dem Stadtberg Athens liegt, hat man den perfekten Blick bei Nacht.

Tagsüber kann man sich runterkühlen im Akropolis-Museum, mit Apéro auf der Terrasse des Cafés (der Blick hier ist leider etwas verbaut). Zum Abendessen in eines der unzähligen Restaurants zwischen Plaka, Agora und dem Turm der Winde. Zum Sonnenuntergang unbedingt einmal auf den Areopag, den der Akropolis vorgelagerten Felsen. Auf den rutschigen, im Lauf der Jahrhunderte abgewetzten Steinen sitzen zwar schon Hunderte. Ist aber trotzdem romantisch. Ein Paar überreicht sich Ringe, die Menge applaudiert.

Wer für sich sein möchte, muss etwas weiter gehen und höher hinauf. Zunächst zur Pnyx, dem Hügel, auf dem sich die Volksversammlung der Attischen (Männer-)Demokratie traf. Und noch etwas weiter, vorbei an Olivenbäumen, auf Pflastersteinen mit Sonnengesicht, bis zur Spitze. Von dort blickt man über ein Meer aus weißen Häusern, in der Mitte in ihrer ganzen Schönheit: die Akropolis. Warmes Licht auf weißem Marmor, ein Rotwein im Becher, sanfter Wind. Schöner kann es nicht sein.

Monika Maier-Albang

Einmal im Leben

U-Bahn fahren in Tokio

Unterwegs mit der Metro in einer Mega-Metropole: Das könnte furchtbar sein. Ist es aber ganz und gar nicht.

Mehr als acht Millionen Fahrgäste – pro Tag. So viele, dass sie, so liest man es zumindest immer wieder, manchmal von weiß behandschuhten Bahnmitarbeitern in die Waggons hineingeschoben werden müssen. Fast 300 Stationen, 13 Linien, auf dem Übersichtsplan ein verschlungenes Knäuel aus bunten Strichen, garniert mit japanischen Schriftzeichen. Uff!

Mit gehörigem Respekt betritt man also den ersten Metro-Bahnhof in der Mega-Metropole Tokio. Und ab dann ist alles ganz einfach.

Unaufhörlich schiebt sich der Strom der Fahrgäste durch die Zugangssperren. Da stockt und ruckelt und knirscht nichts, man wird Teil eines extrem gut geölten Räderwerks. Ticket einschieben oder Bezahlkarte auflegen, günstige ein bis zwei Euro zahlt man je nach Entfernung pro Fahrt. Die Linien und Stationen sind mit Buchstaben und Zahlen gekennzeichnet: G1 nach G8 ist kein Zug auf dem Schachfeld, sondern eine Reise mit der Ginza-Linie von den Knotenpunkten Shibuya nach Shimbashi.

Runter zum Gleis, aber Achtung: links stehen, rechts gehen, in Japan herrscht auch auf der Rolltreppe Linksverkehr – außer in Osaka, da ist es aus unerfindlichen Gründen umgekehrt.

Auf dem Bahnsteig stehen die Menschen in ordentlich aufgereihten Warteschlangen. Wo sich die Türen öffnen werden, ist auf dem Boden markiert. Sogar das größte Bahn-Gepäck-Ärgernis entschärfen die Japanerinnen und Japaner und schieben ihre Rucksäcke vor die Brust.

Aussteigen, einsteigen, die Menschenströme gleiten ohne Drücken und Schieben aneinander vorbei, als liefen sie wie die Züge auf Schienen. Manchmal wird es eng im Waggon, klar, kein Wunder bei den Passagierzahlen, aber niemand motzt, niemand stänkert, und ganz dringend lautstark telefonieren muss auch niemand. Das Geheimnis der Bereitschaft zur Rücksichtnahme – man würde es gern ergründen und das Rezept dafür mit nach Hause nehmen.

Eva Dignös

Einmal im Leben 

Auf der längsten Rodelbahn der Alpen

1700 Höhenmeter auf 15 Kilometern: Die längste Rodelbahn der Alpen in der Schweiz ist nichts für Angsthasen mit schwachen Bauchmuskeln.

Jedes Kind kennt das Problem beim Schlittenfahren: Das Raufziehen dauert länger als die große Sause.

Aber das ist in Grindelwald nun wirklich nicht das Thema. Am Rand des kleinen Schweizer Bergdorfs mit grandioser Tourismushistorie endet die längste Schlittenbahn der Alpen und damit ganz Europas: „Big Pintenfritz“ heißt sie, benannt nach einem in Grindelwald weltberühmten Wirt, der vor etwa 100 Jahren im Tal ein Lokal und auf dem Faulhorn ein Berghotel führte.

Das 2681 Meter hohe Faulhorn war schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel. Damals wurden die urlaubenden Damen noch per Sänfte hinaufbefördert. Heute nimmt man erst die Seilbahn, dann stapft man noch etwa zweieinhalb Stunden durch den Schnee an den Start und genießt eine herrliche Fernsicht auf Eiger, Mönch, Jungfrau, die Viertausender des Wallis und über Thuner- und Brienzersee bis in den Jura.

Dann los! Je nach Mut und Bauchmuskeln – wer mit den Füßen bremst, verliert – und Anzahl der Pausen kann man die wilde Fahrt über wellige Wiesen zwei Stunden lang auskosten. Meistens geht es auf der präparierten Bahn nicht zu steil und nicht zu flach voran, passagenweise allerdings schon so, dass einem das Adrenalin einschießt.

Unterwegs gibt es immer wieder Möglichkeiten zur Einkehr. Das Bergrestaurant Bussalp auf 1800 Metern zum Beispiel lohnt sich für ein Käsefondue. Allerdings ist man nicht der einzige Wintersportler, der auf diese Idee kommt, wie die vielen geparkten Schlitten vor dem Eingang signalisieren. Auch ein paar Velogemel stecken dazwischen, Mitteldinger aus Fahrrädern und Schlitten, die aus Holz und nur in Grindelwald hergestellt werden und beim Fahren ein besonderes Geschick erfordern. Unten geht es einem wie den Kindern am verschneiten Stadtpark-Hügel: Man will sofort noch einmal rauf.

Jochen Temsch 

Einmal im Leben

Großes Gejaule, große Freude

Eine Hundeschlittenfahrt durch Alaskas verschneite Wildnis ist zwar nicht mehr so gefährlich wie zu Zeiten des Goldrauschs. Aber noch immer ein Abenteuer.

Es stinkt. Man kann das nicht feiner ausdrücken, selbst wenn man Hunde liebt. Wer nach der durchfrorenen Nacht im Zelt hinübergeht zum Kennel, zur Lagerstätte der Huskys, riecht es unweigerlich: so viele Tiere und überall Kacke im Schnee. Zur Begrüßung großes Gejaule. Wie schön!

Wir campieren in Alaska, oberhalb des Polarkreises. Im Frühjahr werden die Nächte kaum dunkel, und tagsüber hat man ein paar erfreuliche Plusgrade. Nach dem Frühstück wird angeschirrt, manche Hunde bekommen Pfotenschoner für den Ausflug.

Die Vorfreude steigt, bei Mensch und Tier. Die Hunde wollen laufen, geradeaus, die Hügel rauf, die Hügel runter. Wir versuchen, auf dem Schlitten zu bleiben, in engen Kurven, an schrägen Hängen. Die Kunst ist, die Hunde nicht zu stark zu bremsen, sie aber auch kein Wettrennen veranstalten zu lassen. Sonst liegt man schnell im Schnee. Die Huskys sind schließlich Profis, haben schon am Iditarod teilgenommen, einem Hardcore-Hundeschlittenrennen.

Der Trail, entstanden zur Zeit des Goldrauschs, führt fast 1600 Kilometer durch die Arktis. Damals transportierten die Hunde Post und Güter auf den Schlitten. Sie waren so wichtige wie unbeachtete Helfer. Berühmt wurde nur einer: Balto. Er war der Leithund des Gespanns von Gunnar Kaasen, der 1925 als einer von 20 Mushern in einer Stafette mit seinen Tieren ein Serum gegen Diphtherie in den abgelegenen Ort Nome brachte. Bei Temperaturen um Minus 30 Grad kämpften sich Mensch und Tier durch Wind und Eis. 1600 Kilometer weit, der Iditarod wurde davon inspiriert.

Uns aber reichen drei Stunden Ausfahrt in der weißen Weite. Ist ja nicht mehr überlebenswichtig heute. Nur pures Glücksgefühl.

Monika Maier-Albang

Einmal im Leben

Weihnachtliches Gelage

Bis der Hosenknopf abplatzt: In Schweden gehört das Julbord, ein üppiges Buffet, unbedingt zur Weihnachtszeit.

Während in deutschen Familien dieser Tage darüber abgestimmt wird, ob es Raclette, Fondue oder Gans gibt, schlägt man sich in Schweden bereits in der Vorweihnachtszeit stundenlang den Bauch voll. Ab Ende November bieten Restaurants von Kiruna bis Ystad das Julbord, den traditionellen Weihnachtstisch, an – ein Spektakel, das gewiss niemand auslässt.

Für die unzähligen Speisen, beleuchtet von warmem Kerzenlicht, gibt es eine klare Abfolge. Begonnen wird mit unterschiedlich eingelegten Heringen (mit Senf, Dill, Schwarzen Johannisbeeren, Meerrettich) und Lachs (warm- und kaltgeräuchert, gebeizt) sowie Krabbensalat und gefüllten Eiern.

Gang zwei: Roastbeef, Leberpastete, geräucherter Schinken. Danach folgen warme Klassiker wie Rippchen, Prinzwürstchen, Weihnachtsschinken, Fleischbällchen, dazu Rote-Bete-Salat, Grünkohl und „Janssons frestelse“, Janssons Versuchung, ein Kartoffelgratin mit Anchovis und Zwiebeln. Der Nachtisch besteht aus Milchreis, Pfefferkuchen, Karamellbonbons, Lakritz.

Während man sich hierzulande den Teller gern bis zur Kante füllt, sollte man in Schweden mehrfach gehen, das gehört zum guten Ton. In den feierlich geschmückten Restaurants gibt es Julbord für Firmen- und Familienfeiern nur bis kurz vor Weihnachten, an Heiligabend gibt es das große Fressen daheim.

Ursprünglich fand das Gelage nach der vorweihnachtlichen Fastenzeit statt, in Jahren, in denen die meisten im Winter ohnehin nicht viel zu essen hatten, erst recht kein Fleisch. Inzwischen werden auch vegetarische und vegane Weihnachtstische angeboten. Gute Nachrichten für alle, die bis Dezember 2025 nicht warten wollen: Ähnlich befüllt sind die Buffets auch zu Ostern und dem Mittsommer-Fest.

Julia Rothhaas

Einmal im Leben

Diavolezza Skiabfahrt

Einmal auf Skiern über den Pers- und Morteratschgletscher fahren und begreifen, wie schön und fragil diese Welt aus Eis und Schnee ist.

Darf es wahr sein? Nicht nur, dass man diese faszinierende Aussicht auf den Piz Palü, den Piz Bernina und den Persgletscher hat, der makellos zugeschneit ist und sich nur durch seine großen Spalten verrät, die Schatten werfen. Sondern auch, dass man gleich auf Skiern durch diese Szenerie seine Spur in den Tiefschnee legen darf? 

Wer mit der Seilbahn auf die knapp 3000 Meter hohe Diavolezza fährt, mitten in der Bergwelt des Oberengadin, der kann bei guter Schneelage die Gletscherabfahrt bis zur Bahnstation Morteratsch machen.

Knapp 1100 Höhenmeter geht es durch unpräpariertes, aber durch Stöcke gut markiertes Gelände in dieser hochalpinen Luxuslandschaft. Zuerst steil an der Seitenmoräne vorbei und dann hinunter auf den sanft geneigten Persgletscher. 

Links sind die höchsten Berge der Ostalpen zu sehen, an deren Felsen noch eindrückliche Gletscher hängen. Auch neben der Piste sieht man immer wieder Eis durchschimmern, und wer mit einem Einheimischen unterwegs ist, der wird hören, wie schnell sich das hier alles verändert von Jahr zu Jahr. Das Eis schmilzt rapide.

Wo in diesem Jahr noch eine blau funkelnde Gletscherhöhle das Ende des Pers markiert, kann im nächsten Jahr nur noch Stein unter dem Schnee sein.

Man kurvt weiter unten an den tiefen Spalten des Morteratschgletschers vorbei, bevor die letzten drei Kilometer eislos auf einem Zieh- und Wanderweg bis zum Bahnhof Morteratsch führen. Drei Kilometer Länge hat der Morteratsch seit 1878 eingebüßt. Bei einem Bier im Bahnhofsrestaurant muss man darüber nachdenken, dass die Gletscherabfahrt auch deshalb so besonders ist, weil es sie vermutlich nicht mehr lange geben wird.

Hans Gasser

Einmal im Leben

Im Schrein der tausend Tore

Der pittoreske Fushimi Inari in der alten japanischen Kaiserstadt Kyoto wirkt auf Fotos ein kleines bisschen anders als in Realität.

Eine Allee aus orangefarben gestrichenen Holztoren, Tausende, die den Übergang der profanen Welt in spirituelle Sphären markieren. Unter denen würde man dann emporschreiten auf einen Hügel, auf dem sich das Heiligtum dieser religiösen Stätte befindet: ein schlichter Spiegel, der Wahrheit und Selbstreflexion symbolisiert. So in etwa träumt man von einem Besuch in einem der berühmtesten Shinto-Schreine Japans, dem Fushimi Inari in der alten Kaiserstadt Kyoto. So gaukeln es einem die meisten Fotos vom Schrein auch vor: Es sind immer nur ein, zwei Menschen allein mit sich und in ihre Gedanken versunken zu sehen.

Sagen wir mal so: Es ist sicher nicht unmöglich, den Weg unter den Torii genannten rituellen Toren so zu fotografieren, aber dazu muss man schon sehr sorgfältig einen der Augenblicke erwischen, in denen gerade keine Touristenpulks ins Bild geraten. Denn normalerweise geht es in diesem Torii-Gang in etwa zu wie in der – im gleichen orangen Farbton gehaltenen – Münchner S-Bahnstation Marienplatz im Feierabendverkehr.

Der natürliche Reflex der Touristen, Smartphones am gestreckten Arm in verschiedenen Winkeln vor sich zu halten und die eigene Anwesenheit zu dokumentieren, macht das Fortkommen nicht gerade geschmeidiger. Selbstinszenierung statt spiritueller Atmosphäre.

Wirklich überweltlich sind die Tore im übrigen auch nicht. Es handelt sich um Spenden von Familien und Unternehmen, deren Namen auf den Pfosten stehen – eine Art Bandenwerbung also.

Dennoch sollten Kyoto-Besucher den Schrein auf keinen Fall auslassen. Er ist der mal männlich, mal weiblich dargestellten Gottheit Inari geweiht, die als Fuchs in Erscheinung tritt. Auf dem weitläufigen Gelände des Schreins gibt es zahlreiche Fuchs-Statuen mit roten Stofflätzchen zu entdecken. Und überhaupt wird es erst jenseits der Torii richtig interessant.

Jochen Temsch

Einmal im Leben

Auf Vietnams Reisterrassen

Die Reisterrassen im Norden des Landes sind mehr wert als ein schneller Fotostopp. Man sollte sie sich deshalb erwandern.

Bevor man sich in Hanoi in den Reisebus setzt und in einer Buskolonne sechs Stunden über Serpentinen in den Norden Vietnams an die chinesische Grenze fährt, sollte man sich eine Frage stellen: Will ich einfach nur Reisterrassen sehen? Oder will ich die Region um Sapa kennenlernen?

Denn davon hängt ab, welchen der gefühlt hundert Touranbieter man für seinen mehrtägigen Ausflug wählt. Das eine bekommt man schnell, von günstig bis teuer, aber gemeinsam mit tausend anderen. Das Erlebnis abseits der Massen wiederum ist deutlich schwerer zu finden – hierzu muss man unter Umständen tagelang im Internet suchen.

Aber die Mühe lohnt sich. Denn die Berge im Distrikt Sapa sind mehr als nur ein schnelles Reisterrassen-Foto wert. Besser also, man lässt sich nicht nur von Ziel zu Ziel mit dem Bus kutschieren, bucht Herbergen und kein großes Hotel und wandert los: durch Bambuswälder und kleine Dörfer, immer vor der Kulisse der spektakulären Gebirgslandschaft. 

Und immer wieder verlaufen die Reisterrassen stufenweise den Hang hinab. Wie fotogen diese sind, hängt von der Jahreszeit ab. Im Juni sind sie zum Beispiel sattgrün, im Oktober golden und kurz vor der Ernte, im November, eher matschig-braun.

Wer so unterwegs ist, dem laufen herrenlose Pferde, Gänse und Hunde über den Weg und Schulkinder in die Arme. Der unterhält sich beim Abendessen mit den Herbergsleuten, die gedämpften Wasserspinat servieren. Der beobachtet Wasserbüffel, die im Reisfeld stehend Pause von der harten Arbeit machen. Und der stellt eines fest: Die Frauen managen alles. Sie sind Reiseführerinnen, verkaufen Armbänder am Straßenrand, leiten die Herbergen. Und die Männer? Bekommt man als Tourist praktisch nicht zu sehen.

Valentina Reese

Einmal im Leben

Mit dem Bike am Mount St. Helens

Einst ein Ort des Schreckens, heute ein beliebtes Ziel bei Mountainbikern: der vulkanische Mount St. Helens. Wer hier radelt, erlebt eine faszinierende Natur.

Hier soll vor knapp 45 Jahren ein Vulkan ausgebrochen sein? Auf den ersten Kilometern dieser Mountainbike-Tour im Nordwesten der USA deutet nur wenig darauf hin, dass sich mit der Eruption des Mount St. Helens am 18. Mai 1980 eine gigantische Naturkatastrophe ereignet hat. Dichte Laubbäume, wuchernde Sträucher, hohe Gräser: Das könnten auch die südlichen Isarauen sein.

Doch bald geben die ersten Aussichten klare Hinweise darauf, dass man nicht in den bayerischen Voralpen, sondern auf dem Pazifischen Feuerring unterwegs ist. Der markante Gipfel des nur 50 Kilometer entfernten Mount Adams ist zu sehen, einer der vielen Vulkane, die sich im Westen der USA entlang der Kaskadenkette von Washington State über Oregon bis nach Kalifornien aufreihen.

Die Mountainbike-Route verläuft durch den Ape Canyon an der Ostseite des St. Helens. Mit jedem Kilometer, den man sich dem Gipfel nähert, werden die Spuren des Ausbruchs deutlicher. Die leichten Vulkansteine knirschen unter den Reifen, es gibt keine Bäume mehr, nur noch eine Steinwüste: In der direkten Explosionszone haben pyroklastische Ströme bei der vergangenen Eruption binnen Sekunden alles Leben zerstört.

Weil beim Ausbruch die gesamte Spitze weggesprengt wurde, ist der Vulkan nicht nur etwas unförmig, sondern mit 2539 Metern auch 400 Meter niedriger als zuvor.

In nördlicher Richtung ist bei gutem Wetter der majestätische, fast 4400 hohe Mount Rainier zu sehen. Der Vulkan schlummert, und man hofft, dass das auch noch auf den zwölf Kilometern zurück zum Ausgangspunkt so bleibt. Der Rainier gilt schließlich als der gefährlichste Vulkan Nordamerikas – gemeinsam mit dem Mount St. Helens.

Andreas Remien

Einmal im Leben

Über dem Nebel stehen

Die Farben, die Luft, die Sonne: Jetzt im November sind die Berge so schön wie kaum einmal im Sommer.

Der November ist der schönste Monat des Jahres. Richtig gehört. Der schönste. Nicht der schlimmste. Das Missverständnis, man würde in diesem Monat fast zwangsläufig in eine Depression verfallen müssen, rührt daher, dass wir Flachländer tagein, tagaus unter der Nebelglocke sitzen. Es wird einfach nicht hell, es ist kühl, es bleibt grau. Aber da ist eine andere Welt, sie liegt verheißungsvoll und erreichbar nur ein paar Hundert Meter höher, und dort ist alles anders:

Wer derzeit in den Bergen wandert, egal ob im Chiemgau oder im Vinschgau, der erlebt derart helle, klare und sonnige Tage wie den ganzen Sommer über nicht. Der Blick geht 100 Kilometer weit, weil die Luft so trocken und kristallklar ist.

Mit dem weißen Nebelmeer und den schneebedeckten hohen Bergen in der Ferne kontrastieren die knalligen Farben, derzeit insbesondere der Lärchen, die ein Feuerwerk aus Gelb und Orange abbrennen. Der Himmel dazu ist von einem extrem stechenden Blau, und wenn dann noch ein Steinadler oder auch nur ein Turmfalke seine Kreise zieht in der Thermik, muss man ihnen zuschauen, bis sie als Punkt verschwunden sind.

Die Sonne wärmt die Haut, ohne zu brennen wie im Sommer. Und in der guten Luft liegt ein leichter Hauch von modrigem Laub und Holzrauch, der aus irgendeiner warmen Stube strömt. Aber dorthin will man nicht, noch nicht, denn es ist fast unmöglich, sich von diesem An- und Ausblick zu trennen, der eben nur im November so besonders bunt, klar und hell ist. Und wer will schon ins Graugrau unter die Nebeldecke zurück, wenn er nicht unbedingt muss?

Hans Gasser

Einmal im Leben

Marathon laufen in Marathon

Der Marathon von Marathon nach Athen ist legendär – aber auch eine besonders harte Herausforderung. Und das hat nicht allein mit den vielen Kilometern zu tun.

Marathons gibt es viele im Herbst, aber es gibt nur ein Marathon. Der Ort liegt nordöstlich von Athen an der Küste, und für die Menschheit noch bedeutender als die Namenspatronage für eine olympische Disziplin ist Marathon, weil hier 490 vor Christus eine Schlacht zwischen Persern und Athenern stattgefunden hat, deren Ausgang eine historische Weichenstellung für Europa war.

Am Ende lief der Legende nach der Bote Pheidippides die etwa 40 Kilometer von Marathon nach Athen, rief „Nenikekamen! Freut euch, wir haben gesiegt!“ – und starb: für notorische Sofakartoffeln bis heute ein Beleg für die Gefährlichkeit des Laufsports.

Viele Läufer dagegen träumen davon, einmal im Leben Marathon in Marathon zu laufen. Diesen Sonntag, 10. November, ist es wieder soweit: 21000 Teilnehmer sind gemeldet. Doch es ist gar nicht so leicht, in Marathon etwas vom Marathon-Mythos zu spüren. Gestartet wird an einem Fußballplatz mit pompösen Marmorbauten, bei Kilometer fünf läuft man eine Schleife um Grabhügel für Soldaten, die hier vor 2500 Jahren gefallen sind.

Dann geht es auf einer gesperrten, vierspurigen Schnellstraße nach Athen: statt antikem Flair eine triste Aneinanderreihung von Autowerkstätten, Baumärkten und Tankstellen.

Zwischendrin eine Statue von Pheidippides, dynamisch in Laufrichtung geneigt. Grandios dagegen der Zieleinlauf im Panathinaiko-Stadion in Athen, das für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 erbaut wurde.

Damals siegte Spiridon Louis beim Marathon. Der Bauernsohn nahm die Sache wohl um einiges lockerer als der Bote Pheidippides. Nach der Hälfte der Strecke soll er in einem Wirtshaus ein Glas Wein geleert und verkündet haben, er werde alle vor ihm einholen. Andere sagen, das sei Quatsch. Er habe Cognac getrunken.

Jochen Temsch

Einmal im Leben

Zu Besuch bei Orang-Utans

Wer einige der letzten in Freiheit lebenden Orang-Utans sehen will, der muss durch den Dschungel Sumatras wandern - und darf sich nicht daran stören, nass zu werden.

Die Aufwärmübung sind 250 glitschige Stufen. Sie führen von Bukit Lawang, einem kleinen Touristenort im Dschungel Sumatras, in den Nationalpark Gunung Leuser. Es schüttet. „Stört euch der Regen?“, fragt der Guide und stellt klar: „Dann seid ihr hier falsch. Kein Regen, kein Wald.“

Was sie einem hier auch gleich sagen: Es gibt keine Garantie, dass man Orang-Utans begegnet. Relativ sicher aber sieht man exotische Vögel, Thomas-Languren, Schwarzhand-Gibbons. Und leider auch Blutegel, die an den Ästen hängend auf Opfer warten.

Dann aber taucht tatsächlich ein Orang-Utan-Weibchen mit Nachwuchs auf. Beziehungsweise laufen wir unter ihnen hindurch, während sie entspannt im Baum hängen.

Viele der Orang-Utans um Bukit Lawang sind nicht scheu, weil sie früher in Gefangenschaft lebten. „Bitte nicht zu nahe kommen“, warnt der Führer. Vor allem von Mina solle man Abstand halten – so sie noch mal auftauche. Jahrzehntelang hat Mina Wanderer verfolgt und geärgert. Die Führer hatten immer Bananen dabei, um sie im Notfall zu bestechen. Jetzt aber wurde das betagte Orang-Utan-Weibchen seit Monaten nicht mehr gesichtet. Vermutlich ist sie nur noch eine Legende des Dschungels.

Sumatra-Orang-Utans sind, wie ihre Verwandten, die Borneo-Orang-Utans, vom Aussterben bedroht. Es gibt schätzungsweise noch 14600 Tiere auf der indonesischen Insel. Wer ihnen begegnen möchte, kann nicht auf eigene Faust losziehen. Man muss eine Tagestour mit Guide für rund 70 Euro buchen.

Wir sehen auf der Tour sechs Menschenaffen, und das, obwohl die Wanderung vorzeitig abgebrochen wird. Der Regen wird immer stärker, schmale Wasserläufe verwandeln sich in reißende Bäche. In schmatzenden Schuhen geht es die 250 Stufen zurück ins Dorf.

Valentina Reese

Einmal im Leben 

Staunen und Gruseln über die Warane auf Komodo

Sie sind die größten Echsen der Welt, werden bis zu drei Meter lang und leben nur auf ein paar Inseln im Indischen Ozean. Eine Reise zu den Tieren der Urzeit.

Der Weg in die Urzeit führt übers Wasser. Das Boot tuckert an zerklüfteten, bizarr aussehenden Inselchen vorbei. Mit Gras bewachsene, unberührte Hügel aus Lavagestein erheben sich kegelförmig aus dem Indischen Ozean. Vereinzelt strecken sich Palmen gen Himmel, die aussehen wie Nägel mit Köpfen. Hier, im Komodo-Archipel westlich der indonesischen Insel Flores, regiert seit Millionen Jahren die Natur.

Vom Boot aus sieht man Mantarochen, die majestätisch durch das klare Wasser gleiten. Aber die Tiere, die alle sehen wollen, sind die Komodowarane. Die drei Meter langen und 70 Kilo schweren Echsen verfügen über todbringende Waffen: scharfe Zähne, hoch infektiöse Bakterien im Speichel und Giftdrüsen im Kiefer. Mit ihrer langen, gespalteten Zunge orten die größten Echsen der Welt ihre Beute, sie jagen und erlegen Wildschweine, Schlangen, Ziegen, sogar Mähnenhirsche und Wasserbüffel. Danach liegen sie tagelang lethargisch herum.

Die als stark gefährdet geltenden Riesenwarane leben nur auf Komodo und wenigen Nachbarinseln. Auch weil man sich vor ihnen gruseln kann, sind sie eine Attraktion für Touristen, Forscher und Tierfotografen wie Volker Kess, der ein Buch über sie veröffentlicht hat. Er hat die Reptilien lange beobachtet und ist ihnen für seine Aufnahmen sehr nah gekommen.

Angriffe auf Menschen seien selten, sagt Kess. Aber selten heißt eben nicht, dass die Tiere ungefährlich sind. Auf dem Weg vom Bootssteg zur Ranger-Station bewaffnet er sich mit einer Holzgabel, um die Warane notfalls wegzudrängen. Am Ufer liegt bereits die erste Echse. Sie döst in der Sonne. Das Gelage hat wohl schon stattgefunden.

Daniela Gorgs

Einmal im Leben

Den Herbst in Kanada genießen

Gefärbte Bäume von den Großen Seen bis hinauf in die Tundra: Im Herbst kann man in Kanada eine besondere Lightshow erleben.

Als hätte Kanada nicht schon landschaftliche Schönheit im Überfluss, beschenkt die Natur das zweitgrößte Land der Welt alljährlich im Herbst auch noch mit einem nachgerade psychedelischen Farb- und Lichtspektakel, besser bekannt als Indian Summer. Aus der Vogelperspektive sieht das Land dann aus wie ein grell-bunt gewirkter Teppich, das tiefe Rot des Ahorns wechselt ab mit dem blendenden Gelb der Espen und Birken, als Farbtupfer letzte grüne Blätter. Die Herkunft des Begriffs ist unklar. Eine Deutung besagt, dass die Ureinwohner im Herbst ihre Jagdsaison hatten und das Rot des Ahorns das Blut der erlegten Tiere symbolisiere.

Wissenschaftlich erklärt sich das Phänomen ganz unblutig, mit einer länger anhaltenden Hochdruckphase, die sich in Kanada und den nördlichen US-Staaten im Spätsommer einstellt. Je sonniger und milder das Hoch ausfällt, umso prächtiger entfaltet sich die Herbstfärbung und umso länger bleiben die Blätter an den Bäumen. Auch viele Einheimische gehen dann wandern. Zu Fuß oder vom Kajak aus lässt sich das Naturschauspiel am besten genießen.

Je weiter nördlich, desto früher setzt die Herbstfärbung ein. Sogar die subarktische Tundra hat ihren Indian Summer. Wer also nicht genug bekommen kann von Rot-Orange-Gelb, fährt einfach vom Yukon Territory Richtung Süden. Bei klug gewählter Route ließe sich so wochenlang eintauchen in diese Farborgie.

Die Großen Seen, der Algonquin Provincial Park bei Toronto, die Laurentinischen Bergen in Quebec, Nova Scotia oder die benachbarten Neuenglandstaaten sind beliebte Ziele von Indian-Summer-Touristen. Der Clou: Die Blätter verfärben sich in riesigen Regionen – Besucher können sich wunderbar aus dem Weg gehen.

Ingrid Brunner

Einmal im Leben

Bora Bora sehen

Das kleine Atoll im Pazifik ist der Inbegriff des Südseetraums. Ein Blick auf die Hotelrechnung hilft beim Aufwachen.

Wer sich Bora Bora in einer kleinen Propellermaschine nähert, sieht zuerst die schwarzen Zacken der höchsten Erhebung am Horizont, dann das ganze Naturwunder: das idealtypische, unfassbar schöne Bild eines Atolls, mehr wie aus den fiebrigen Tiefen eines Südseetraums emporgestiegen denn aus den feurigen Untergründen des Pazifiks.

Der Vulkankrater ist eingefallen und versunken, nur noch vereinzelte Ränder und Inselchen schauen über das tiefe Blau hinaus, ringförmig umschließt das Korallenriff die Szenerie und trennt sie vom offenen Ozean. Motorboote bringen die Urlauber in ihre Unterkünfte. Surreal die Fahrt durch die türkisfarben leuchtende Lagune, in der Schulen bunter Fische schweben und Rochen aufschrecken, die in den Sandablagerungen ruhen.

Selbst wenn man schließlich aussteigt, Jetlag in den Knochen und einen duftenden Tiaré-Blütenkranz um den Hals, ist man noch nicht angekommen. Plötzlich barfuß auf dem mehlweißen Sandboden eines Mythos zu stehen, muss man erst verkraften. Europäische Seefahrer des 18. Jahrhunderts, Schlagersänger und Thor Heyerdahls Floßfahrt auf der Kon-Tiki trugen zur Verklärung bei. Ein Blick auf die Hotelrechnung hilft, wieder klar zu sehen: Kein Bora Bora ohne Diridari, die Insel ist eines der teuersten Reiseziele der Welt.

Tausend Euro für eine Nacht im Overwater-Bungalow – und nicht einmal eine Tasse Kaffee zum Frühstück inbegriffen. Dazu die Umweltfrevel: an die 30 Stunden reine Flugzeit ab Frankfurt, Kreuzfahrtemissionen und Müllprobleme; auch was die Touristen essen und trinken wird großteils aus Frankreich eingeflogen, zu dessen Überseegebieten dieser Teil Polynesiens gehört. Doch in den Schattenseiten des Atolls liegt auch ein Trost: In gewisser Weise ist es schöner, von Bora Bora zu träumen, als dort zu sein.

Jochen Temsch

Einmal im Leben

Nach Samarkand, wo sich die Welt vergessen lässt

Die alte Stadt an der Seidenstraße ist für ihre Monumentalbauten und islamische Architektur berühmt. Und tatsächlich lebt am Registan der Traum von Tausendundeiner Nacht fort.

Einen „Traum von Tausendundeiner Nacht“ hat die Stadtführerin versprochen. Ein paar Minuten später steht man neben ihr im Herzen Samarkands, dieser berühmten Stadt an der Seidenstraße in Usbekistan, und muss zugeben: Traumhaft ist der Registan wirklich – ein Schmuckstück der islamischen Architektur. 

Den gewaltigen Platz säumen drei Medresen (Koranschulen), von denen jede für sich als Attraktion eindrucksvoll genug wäre. Mächtig ragen ihre Eingangsportale auf, lang strecken sich ihre Minarette in den Himmel, überall Steine und prachtvoll verzierte Fliesen in Blau, Weiß und Ocker.

Die erste dieser Medresen wurde 1420 fertiggestellt, um junge Menschen im Koran und der Mathematik zu unterrichten. Heute geraten Touristen ins Schwärmen – und in Verzweiflung, weil schon die Dimensionen des Registan sich dem fotografischen Festhalten verweigern. 

Und es gibt in Samarkand mehr Bauten ähnlichen Kalibers. Da wäre etwa die Totenstadt Shohizinda, in deren einziger Gasse sich die Mausoleen reihen: Prachtbauten mit bunt gemusterter Fassade und vergoldeten Wänden und Kuppeln im Inneren. Einst wurden hier die Mächtigen bestattet, angefangen mit Angehörigen der Timuriden, die vom 14. Jahrhundert an Teile Zentralasiens unterwarfen und Samarkand zu ihrer Hauptstadt machten.

Heute zeugen diese und weitere Sehenswürdigkeiten von Samarkands großer Vergangenheit. Zur Gegenwart gehört dagegen ein Autoverkehr, der selbst Beifahrern die Nerven rauben kann. Trotzdem lebt der Traum von Tausendundeiner Nacht fort. Denn schnell vergisst man die Welt am Registan.

Maximilian Gerl

Einmal im Leben

Auf den Tafelberg

Blühendes Buschwerk, Wolkenschauspiele und drollige Höhlenbewohner: Der Ausflug auf das Gebirgsmassiv hoch über Kapstadt ist nicht allein wegen des Panoramas ein Erlebnis.

Wie ein gewaltiges Monument aus Sandstein erhebt sich der knapp 1090 Meter hohe Tafelberg über Kapstadt und dem Atlantischen Ozean. Schroffe Felsen vor tiefblauem Himmel. Aus wenigen Kilometern Entfernung betrachtet, verheimlichen sie, welche Fülle des Lebens einen im Table Mountain National Park erwartet, zu dem das 60 Quadratkilometer große Gipfelplateau gehört.

Im Nationalpark wachsen circa 1500 verschiedene Pflanzen. Die Königin seiner Flora ist die Protea mit ihren rosafarbenen, wie Artischocken geformten Blüten. Blühender Fynbos, die Macchia Südafrikas, umkränzt während des südafrikanischen Frühlings, der im September beginnt, das Gestein.

Also nichts wie rein in die Kabinenbahn, die sich während der zehnminütigen Fahrt einmal um die eigene Achse dreht. In jeder Himmelsrichtung Interessantes: die beiden kleinen Berge Signal Hill und Lion’s Head, die City Bowl – so werden die von Bergen umgürteten Stadtteile Kapstadts genannt.

Oder die Gefängnisinsel Robben Island, wo Nelson Mandela 18 Jahre inhaftiert war.

Aus einer Felsspalte taucht ein Köpfchen nach dem anderen auf – eine ganze Schlieferfamilie, braune Säugetiere, die Murmeltieren ähneln. Sie lassen sich wohl nur deshalb blicken, weil der Tag noch jung und die Zahl der Spaziergänger überschaubar ist.

Ein anderer Morgen in Kapstadt beginnt mit einem Naturschauspiel, das man vom Fuß des Tafelbergs aus verfolgt – Table Cloth: Auf dem flachen Bergrücken formt sich eine Tischdecke aus Wolken. Die watteweißen Gebilde fließen langsam ins Tal. Das sieht ein bisschen so aus, als würde Milch in einem Topf überkochen. Nur eben viel spektakulärer.

Stephanie Schmidt

Einmal im Leben

Great Blasket Island

Einst lebten auf diesem kargen Brocken Menschen. Die meisten Häuser sind inzwischen graue Ruinen, vom Wetter geschliffen. Zurück blieben allein die Schafe.

Ist das Irland, wie man es sich immer vorgestellt hat: grün und wild inmitten der tiefblauen See?

Zumindest entspricht Great Blasket Island fast zu sehr den Klischees, die viele Reisende von Irland haben – trinkende, rothaarige Männer mal ausgenommen. Trotzdem bleibt man hier vom Massentourismus verschont. Zu schwer ist schon die größte der Blasket-Inseln erreichbar. Nur wenn das Meer keine hohen Wellen schlägt, steuern sie ein paar Ausflugsboote von Dingle oder Dunquin aus an. Steil schieben sich die Klippen zwischen das irische Festland und die Weiten des Atlantiks.

Einst lebten auf diesem kargen Brocken Menschen unter Umständen, die man als widrig bezeichnen würde: ohne Strom, Hafen oder Arzt. Obwohl Irland im Osten und in Sichtweite liegt, war es doch bei schwerer See so weit weg wie Kanada im Westen. In den 1950er-Jahren wurde die Siedlung aufgegeben. Die meisten Häuser sind inzwischen graue Ruinen, vom Wetter geschliffen. Zurück blieben allein die Schafe. Ihre wilden Nachfahren haben Great Blasket in Besitz genommen und sich allen Einfangversuchen widersetzt.

Und am einzigen Strand der Insel herrschen – gut hör- und riechbar – rund 200 Kegelrobben.

Die wenigen Touristen verlassen dagegen am Nachmittag die Insel wieder. Doch ob die Insel sie verlässt? Von den früheren Einwohnern heißt es, dass sie trotz aller zivilisatorischen Vorteile des Festlands Great Blasket nie vergessen konnten. Für heutige Fremde gilt das womöglich auch ein bisschen: Dieses Irland-Klischee weiß zu gut Eindruck zu machen.

Maximilian Gerl

Baden in der Soča

So schön, so kalt: Der Gebirgsfluss Soča in Slowenien besticht durch seine Farbe. Wer einmal darin geschwommen ist, fühlt sich für alles gewappnet.

Ist es die Farbe? Dieses knallige, durchsichtige Türkis? Oder ist es der Schweiß, der einem den Nacken herunterrinnt, während man, vom Ort Soča kommend, Richtung Bovec wandert, immer an diesem Gebirgsfluss entlang, der sich durch enge Kalksteinschluchten windet? Egal, wahrscheinlich ist es die Kombination aus beidem, die einen magnetisch ins Wasser zieht, sobald das große Becken in Sicht kommt, das wie ein natürlicher, von Felsen umgebener Swimmingpool aussieht. Morgens um neun ist noch nicht viel los. Also Kleider aus und Badehose an und nichts wie rein. Aber huiii! Vielleicht hätte man den Gesichtsausdruck der drei jungen Frauen besser interpretieren sollen, die gerade aus dem karibisch anmutenden Wasser gestiegen sind. Denn es ist kalt, eiskalt; binnen kurzer Zeit schmerzen die Beine, wenn man nur darin steht. Wir aber schwimmen, und zuerst fühlt es sich an, als würde man schockgefroren, doch dann entsteht durch die Kälte so etwas wie Wärme im ganzen Körper, ein seltsames Phänomen, das aber auch nicht dazu führt, dass man noch länger drinbleiben möchte.

Nach ein, zwei Minuten also nichts wie raus, auf die Kalkfelsen. Die Haut kribbelt, nur langsam weicht die Kälte, dann fühlt man sich gut und für alles gewappnet. Der Blick auf die Soča, die in Italien Isonzo heißt und im Ersten Weltkrieg Schauplatz furchtbarer Schlachten war, ist beruhigend.

Im klaren Wasser kann man die Marmorata-Forellen stehen sehen, Wasseramseln suchen im Bach nach Nahrung, und Fliegenfischer in Latzhosen ziehen Forellen raus, nur um sich mit ihnen zu fotografieren und sie dann wieder sanft ins türkisfarbene Wasser zu entlassen.

Hans Gasser

Die Akropolis sehen

Auf dem Plateau ist es stets voll und im Sommer brütend heiß. Es gibt aber Orte, von denen aus man Athens berühmtes Bauwerk sogar noch besser anschauen kann.

Natürlich wird man das tun, was alle tun: auf die Akropolis hinauf und sich dort mit den 3000 anderen, die pro Stunde aufs Plateau dürfen, an den Säulen und Bauzäunen entlang schieben lassen.

Und natürlich ist der einzige Automat, der Wasserflaschen bereithalten sollte, leer. So richtig urlaubsschön ist das nicht. Deshalb hier ein alternativer, zumindest ergänzender Vorschlag: die Akropolis von unten anschauen. Man kommt ihr als Gast Athens ohnehin nicht aus, will das ja auch gar nicht, denn die „hohe Stadt“ mit ihren Bauwerken dominiert nicht nur optisch, sondern auch symbolträchtig Athen als Geburtsstätte der Demokratie. 

Nun gibt es in Athen zig Dachterrassen auf Hotels und Bars mit Blick auf die Erhabene. Von der Terrasse des Hotels St. George Lycabettus, das auf dem Stadtberg Athens liegt, hat man den perfekten Blick bei Nacht.

Tagsüber kann man sich runterkühlen im Akropolis-Museum, mit Apéro auf der Terrasse des Cafés (der Blick hier ist leider etwas verbaut). Zum Abendessen in eines der unzähligen Restaurants zwischen Plaka, Agora und dem Turm der Winde. Zum Sonnenuntergang unbedingt einmal auf den Areopag, den der Akropolis vorgelagerten Felsen. Auf den rutschigen, im Lauf der Jahrhunderte abgewetzten Steinen sitzen zwar schon Hunderte. Ist aber trotzdem romantisch. Ein Paar überreicht sich Ringe, die Menge applaudiert.

Wer für sich sein möchte, muss etwas weiter gehen und höher hinauf. Zunächst zur Pnyx, dem Hügel, auf dem sich die Volksversammlung der Attischen (Männer-)Demokratie traf. Und noch etwas weiter, vorbei an Olivenbäumen, auf Pflastersteinen mit Sonnengesicht, bis zur Spitze. Von dort blickt man über ein Meer aus weißen Häusern, in der Mitte in ihrer ganzen Schönheit: die Akropolis. Warmes Licht auf weißem Marmor, ein Rotwein im Becher, sanfter Wind. Schöner kann es nicht sein.

Monika Maier-Albang

Teil 1

Die schönsten Reiseziele der Welt

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