Mehr als 3,7 Millionen Menschen – ein Neuntel der Bevölkerung – haben Venezuela inzwischen verlassen. Experten rechnen damit, dass es bis Jahresende mehr als fünf Millionen werden. Das käme heran an die Zahl derer, die aus dem Bürgerkriegsland Syrien geflohen sind. Es ist der größte Exodus, den Lateinamerika je gesehen hat.
Ronald Reyes war auf der Flucht, und jetzt ist er gestrandet. Gestrandet im Haus der Hilfsorganisation Censurados in Cúcuta, die sich um Menschen wie ihn kümmert. Um Menschen, denen das Schicksal übel mitgespielt hat und die trotzdem ihre Hoffnung nicht aufgeben wollen.
Er schläft in Zimmer 5, auf einer Matratze auf dem Boden, teilt sich den Raum mit drei weiteren Flüchtlingen. „Ich bin dankbar für die Hilfe, die ich hier bekomme“, sagt er. Und dann geht er in den Raum nebenan, setzt sich auf einen Stuhl und erzählt seine Geschichte.
Als er 16 Jahre alt war, erzählte Reyes seinen Eltern, dass er Männer liebt. Der Vater wollte das nicht akzeptieren, er schlägt Reyes, bis er es nicht mehr aushält und abhaut. Er schläft mal bei Freunden, mal bei der Tante, daheim in Valencia im venezolanischen Bundesstaat Carabobo. Er findet einen Job in einer Konditorei, und er genießt das Leben.