Syrien
Wer verfolgt welche Ziele?
Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Syrien ein unübersichtliches Schlachtfeld: Mehrere bewaffnete Gruppen kämpfen um Macht, Territorium und Einfluss. HTS, SDF oder SNA: Hinter den Namen haben sich kriegstüchtige Allianzen entlang ethnischer oder religiöser Zugehörigkeiten gegründet.
Und auch Russland, die USA, die Türkei und die Golfstaaten vertreten aktiv ihre Interessen: von finanziellen und logistischen Mitteln bis hin zu Waffenlieferungen und Luftunterstützung. Ein Überblick über die Akteure, deren Handeln Syrien nach Assads Sturz in eine ungewisse Zukunft führt.
So kam es zum Umsturz
Bevor die Großoffensive Ende November beginnt, dominieren Truppen der Assad-Regierung weite Teile des Landes. HTS-Rebellen halten die Gegend um Idlib, während die SNA und die türkischen Truppen im Norden stehen.
Der Osten wird von den kurdisch-dominierten „Demokratischen Kräften Syriens“ kontrolliert. Der IS ist zu diesem Zeitpunkt bereits weit zurückgedrängt und hält nur noch vereinzelte Gebiete in der Wüste.
Einen Tag später nimmt die HTS-Miliz gemeinsam mit Verbündeten Aleppo komplett ein. Außerdem rückt sie bis auf die Stadt Hama vor.
Nach Kämpfen mit den Regierungstruppen erobern die HTS und verbündete Rebellen am 5. Dezember die Stadt Hama und rückt weiter in Richtung Homs vor.
Zwei Tage später wird Homs, die drittgrößte Stadt Syriens, von den Aufständischen eingenommen. Sie stehen kurz davor, die Hauptstadt Damaskus zu erobern ...
... was ihnen nur einen Tag später am 8. Dezember gelingt. Die Assad-Regierung wird gestürzt, der Präsident flieht.
Ansonsten dominiert nun seit der Flucht Assads am 8. Dezember die Rebellenkoalition um HTS das syrische Staatsgebiet.
Der IS hat seinen Einfluss in den Tagen des Umsturzes vollständig eingebüßt, wie diese Karte vom 12. Dezember zeigt.
Bevor die Großoffensive Ende November beginnt, dominieren Truppen der Assad-Regierung weite Teile des Landes. HTS-Rebellen halten die Gegend um Idlib, während die SNA und die türkischen Truppen im Norden stehen.
Der Osten wird von den kurdisch-dominierten „Demokratischen Kräften Syriens“ kontrolliert. Der IS ist zu diesem Zeitpunkt bereits weit zurückgedrängt und hält nur noch vereinzelte Gebiete in der Wüste.
Einen Tag später nimmt die HTS-Miliz gemeinsam mit Verbündeten Aleppo komplett ein. Außerdem rückt sie bis auf die Stadt Hama vor.
Nach Kämpfen mit den Regierungstruppen erobern die HTS und verbündete Rebellen am 5. Dezember die Stadt Hama und rückt weiter in Richtung Homs vor.
Zwei Tage später wird Homs, die drittgrößte Stadt Syriens, von den Aufständischen eingenommen. Sie stehen kurz davor, die Hauptstadt Damaskus zu erobern ...
... was ihnen nur einen Tag später am 8. Dezember gelingt. Die Assad-Regierung wird gestürzt, der Präsident flieht.
Ansonsten dominiert nun seit der Flucht Assads am 8. Dezember die Rebellenkoalition um HTS das syrische Staatsgebiet.
Der IS hat seinen Einfluss in den Tagen des Umsturzes vollständig eingebüßt, wie diese Karte vom 12. Dezember zeigt.
Syrische Armee
Die Syrisch-Arabische Armee (SAA) bezeichnet die Landstreitkräfte der nun zerfallenen Armee des Regimes. Baschar al-Assad fungierte als Oberbefehlshaber der SAA, weshalb diese auch als „Assads Armee“ bekannt war. Die alawitische Minderheit, der auch Baschar al-Assad angehört, dominierte die wichtigsten Positionen innerhalb der Armee und deren Eliteeinheiten wie der Republikanischen Garde und der von Assads Bruder Maher angeführten Vierten Division. Diese Kampftruppen waren die am besten ausgerüsteten und am besten trainierten Einheiten in der syrischen Armee. Zusammen bildeten diese Einheiten das Herzstück des syrischen Armeeapparats und sicherten Assad über Jahrzehnte seine Macht.
Schon seit den 1950er-Jahren unterstützte Russland, damals noch in Gestalt der Sowjetunion, den Aufbau und die Modernisierung der damaligen Syrischen Armee. Vorbild war die Rote Armee. Die Armee kämpfte während des Bürgerkrieges hauptsächlich in der Nähe der Hauptstadt Damaskus und seinen westlichen beziehungsweise südwestlichen Außenbezirken. Als im Verlauf des Krieges deutlich wurde, dass die Syrisch-Arabische Armee zu schwach war, um allein gegen die bewaffnete Opposition und die Rebellen zu kämpfen, verbündete sie sich mit lokalen Milizen, der libanesischen Hisbollah und schiitischen Rebellengruppen, die von Iran unterstützt wurden.
National Defense Forces (NDF)
Die Nationalen Verteidigungskräfte (NDF) waren der paramilitärische Zweig der regulären syrischen Armee. Sie spielten im Bürgerkrieg eine essenzielle Rolle und wurden von den USA mit Sanktionen belegt, da sie besonders brutal gegen Zivilisten und Rebellengruppen vorgingen. Die irregulären Truppen aus Freiwilligen waren besonders am Anfang für massive Kriegsverbrechen verantwortlich, zum Beispiel 2013 nach der Rückeroberung von Homs. Ihr Anführer war der berüchtigte Fadi Saqr. 2011 formte Saqr eine Pro-Regierungs-Miliz, die hauptsächlich aus alawitischen Kämpfern bestand. Sie soll eine wichtige Rolle bei der Verfolgung von Demonstranten in Damaskus in den frühen Tagen der Revolution gespielt haben. Saqr gehört zur alawitischen Elite und galt lange als „unantastbar.“ Obwohl die Paramilitärs der NDF aus verschiedensten religiösen und ethnischen Gruppen stammten, waren besonders viele Alawiten, Christen und Drusen darunter. Die meisten Mitglieder der Antiregierungstruppen waren hingegen sunnitische Muslime. Oppositionelle warfen Assad daher vor, durch solche ethnisch und religiös geprägten Milizen die konfessionelle Spaltung des Landes weiter voranzutreiben.
Im Verlauf des Bürgerkrieges wurden diese Freiwilligenkorps zunehmend professionalisiert. Mithilfe der iranischen Revolutionsgarde und der libanesischen Hisbollah rüstete die syrische Regierung die lokalen Milizen auf. Schätzungen zufolge gab es zeitweise um die 100 000 Kämpfer. Sie waren jedoch nie offiziell Teil der syrischen Armee.
Hayat Tahrir al-Sham (HTS)
Das „Komitee zur Befreiung der Levante“ wurde offiziell 2017 gegründet – als neue Dachorganisation zuvor zwar verbündeter, aber organisatorisch getrennter sunnitisch-islamistischer Milizen, die seit Beginn des Bürgerkrieges gegen das Regime gekämpft hatten. Die stärkste Kraft im neuen Bündnis stellte mit etwa 20 000 Kämpfern eine Nachfolgeorganisation der Al-Nusra-Front, dem früheren lokalen Ableger der Terrororganisation al-Qaida. Ihr Anführer Abu Muhammad al-Dschaulani, der auch die neue Gruppe HTS anführen sollte, steht deshalb auf der Terrorfahndungsliste der USA, die für seine Ergreifung 2013 ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar ausgesetzt haben. Dass die USA ihn aber nicht wie andere Islamisten mit einem Drohnenschlag eliminierten, mag an dem Weg der Mäßigung liegen, den al-Dschaulani und seine Gruppe in der Folge nahmen: HTS brach mit anderen Terrorgruppen wie etwa dem IS (wohl auch, weil man sich dessen Führungsanspruch nicht unterordnen wollte), richtete seine ultrakonservative islamistische Ideologie und seine Aktionen dezidiert auf Syrien aus, nicht auf einen weltweiten Dschihad. Und im Gebiet um Idlib im Norden Syriens, auf das die Rebellen lange zurückgedrängt waren, herrschte die Miliz zwar keinesfalls nach demokratischen Maßstäben, errichtete aber auch kein islamistisches Kalifat mit rigoroser Religionsauslegung.
Freie Syrische Armee (FSA)
Die Freie Syrische Armee war der bewaffnete Arm von Teilen der syrischen Opposition. Sie wurde 2011 während des anfänglichen Aufstands gegen die Diktatur von Baschar al-Assad gegründet, als eine Reihe von Militärs und Sicherheitskräften desertierten und sich den Protesten anschlossen. Im Juli 2011 erhob diese Gruppe den Anspruch, die bewaffnete Opposition mit ihren unterschiedlichen Rebellentruppen anzuführen. Viele lokale Milizen erkannten ihren Führungsanspruch aber nicht an. Sie kämpften sowohl gegen Assads Truppen als auch gegen dschihadistische Gruppen, allen voran den IS.
Das erklärte Ziel der FSA war es, Assad zu stürzen und ein demokratisches und pluralistisches Syrien zu schaffen. Auch die FSA verfügt über Tausende Kämpfer. Allerdings war die FSA dezentral organisiert und bestand aus vielen unterschiedlichen Fraktionen, die von moderaten bis hin zu radikal-islamistischen Gruppierungen reichten. Auch deshalb sahen die Amerikaner sie nie als verlässliche Partner an. Auf der Suche nach Unterstützern paktierten einige Gruppen mit gut ausgerüsteten Islamisten, andere ließen sich von der Türkei unterstützen. Während sie zu Beginn des Bürgerkrieges gegen Assads Truppen kämpften, wandten sich 2018 einige Gruppen innerhalb der FSA gegen die syrischen Kurden – und kämpften Seite an Seite mit türkischen Einheiten. Sie griffen also einen Teil des syrischen Volkes an, das sie ursprünglich verteidigen wollten.
Syrian National Coalition (SNC)
Im Herbst 2011 verkündete eine Gruppe von Oppositionellen in Istanbul die Gründung des Syrischen Nationalrats. Auch sie behaupteten, die syrische Opposition zu vertreten. Sie wollten aus dem Exil heraus auf zivilem Wege Einfluss nehmen, waren aber zu uneinig, um effektiv zusammenzuarbeiten. Nach internen Streitigkeiten und Rivalitäten einigte man sich schließlich auf die Gründung einer neuen „Nationalen Koalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte“. Dieser Rat wurde von Dutzenden Ländern anerkannt. Ihre Ziele waren der Sturz Assads, die nationale Unabhängigkeit und territoriale Integrität Syriens sowie eine pluralistische und demokratische Gesellschaft.
Volksverteidigungseinheiten (YPG)
Gegründet im Jahr 2011 während des syrischen Bürgerkriegs, agieren die Volksverteidigungseinheiten YPG und die mit ihnen gleichberechtigt kämpfenden Frauenverbände YPJ vor allem in der kurdisch dominierten Region Rojava im Nordosten Syriens. Die kurdischen Milizen entwickelten sich im Kampf gegen Assad zu einer der wichtigsten militärischen Kräfte in der Region. Sie streben, ganz im Geiste ihrer ideologischen Leitfigur Abdullah Öcalan, Autonomie für die kurdischen Gebiete an. Die Religion spielt dabei im Gegensatz zur Ethnie keine Rolle. Nach dem Rückzug der syrischen Armee kämpften YPJ und YPG vor allem gegen den sich rasch ausbreitenden „Islamischen Staat“ (IS) und andere islamistische Gruppen. Dank der internationalen Unterstützung, insbesondere der USA, konnten sich YPJ und YPG bei der viel beachteten Belagerung der Stadt Kobanê behaupten und den IS schließlich zurückdrängen.
Wegen ihrer ideologischen Nähe zur PKK, die auch einige ihrer Kader ausgebildet hat, sind YPG und YPJ erklärter Feind der Türkei. Ankara bezeichnet die Miliz als Terrorgruppe, bekämpft sie militärisch und will so ihr Streben nach Autonomie in der Grenzregion in die Schranken weisen. Die YPG und YPJ bilden den stärksten militärischen Teil des Bündnisses der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF).
Demokratische Kräfte Syriens (SDF)
Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) sind ein 2015 gegründeter multiethnischer Verbund, der – angeführt von der kurdischen Miliz YPG – arabische, assyrische und turkmenische Einheiten umfasst. Die SDF waren die militärische Kraft, die mit massiver (und bis heute andauernder) Unterstützung der USA den IS besiegte. Sie kontrollieren große Gebiete im Norden und Nordosten Syriens, etwa ein Drittel des Landes, darunter auch ölreiche Gegenden. Die SDF müssen sich seit Längerem gegen Angriffe der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalarmee (SNA) wehren. Seit dem Sturz Assads sind die Attacken der Söldnertruppe noch intensiver geworden. So verloren die SDF nach schweren Gefechten die Kontrolle über die Stadt Manbidsch. Neben der Luftunterstützung für die SNA flog die Türkei dabei auch eigene Angriffe gegen SDF-Einheiten, darunter auf die Stadt Kobanê. Auf SDF-Gebiet sind seit dem Konflikt mit dem IS noch 900 amerikanische Soldaten stationiert. Sie sollen Medienberichten zufolge die SNA-Söldner gewarnt haben: Man werde nicht zulassen, dass diese den Euphrat überschreiten.
Islamischer Staat (IS)
Schon lange bevor die Kämpfer des „Islamischen Staats“ weite Teile Syriens überrannten, waren sie im Untergrund aktiv – zunächst vor allem im Irak. Dort entstand die Gruppe aus lokalen Al-Qaida-Ablegern, die gegen die US-Armee kämpften, und entwickelte sich in mehreren Metamorphosen zur schlagkräftigsten Bewegung des internationalen Dschihadismus. Als erste nahm sie für sich eine eigene Staatlichkeit in Anspruch: Am 29. Juni 2014 rief Abu Bakr al-Baghdadi das Kalifat in Syrien und Irak aus und ernannte sich selbst zu dessen Führer. Ein symbolträchtiger Tag; die von den einstigen Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien festgelegten Grenzen entlang der Sykes-Picot-Linie waren damit Geschichte. Diese Erfolge kombinierte der IS mit geschickter Propaganda im Netz und zog so Tausende Freiwillige an, die aus der ganzen Welt in die Region strömten, um beim Aufbau eines neuen Kalifats dabei zu sein.
Die syrische Provinzstadt Raqqa galt als Hauptstadt des IS, der zuvor andere syrische Rebellengruppen auf seinem Gebiet eliminiert hatte. Wie man heute weiß, hielt der IS seinerzeit auch stets gute Kontakte zu Assads Geheimdiensten und kämpfte nur äußerst selten gegen dessen Truppen. Einen entschiedenen Gegner fand der IS jedoch in den Kurden im Norden Syriens. Von den USA aus der Luft unterstützt und mit Gerät ausgestattet, gelang es ihnen nach langen Kämpfen am 17. Oktober 2017, Raqqa zu erobern – eineinhalb Jahre später wurden die letzten IS-Getreuen bei der Ortschaft Baghus am Euphrat besiegt. Versprengte Einheiten sind seither hauptsächlich im Wüstengebiet zwischen Syrien und Irak aktiv.
Syrische Nationalarmee (SNA)
Die Syrische Nationale Armee (SNA) ist eine 2017 gegründete Miliz, die aus der Freien Syrischen Armee (FSA) hervorgegangen ist. Sie wird vollumfänglich von der Türkei unterstützt: Ankara beliefert sie mit Waffen sowie mit finanziellen und logistischen Mitteln. So überrascht es nicht, dass die SNA, die aus arabischen, turkmenischen und islamistischen Truppen besteht, auch für die Ziele der Türken kämpft: Die kurdisch geprägten Milizen YPG und SDF sollen zurückgedrängt, der türkische Einfluss im Norden Syrien soll gestärkt werden. Wenige Tage nach dem Sturz Assads ist die SNA denn auch in kurdisches Gebiet vorgerückt und hat die Kontrolle über die strategisch bedeutende Stadt Manbidsch übernommen. Die SDF erwarten, dass den SNA-Milizen türkische Bodentruppen folgen werden – etwa in die syrisch-kurdischen Stadt Kobanê. Amnesty International zufolge wurden durch die Angriffe der SNA allein seit dem Sturz Assads 100 000 Menschen in Norden Syriens vertrieben. Das US-Außenministerium sprach zuletzt zwar von einer Feuerpause zwischen SNA und SDF, doch die Kurden berichteten von weiteren Attacken, etwa an der Tischrin-Talsperre am Euphrat.
Hisbollah
Die Hisbollah, die „Partei Gottes“, wurde im Bürgerkrieg im benachbarten Libanon zum Machtfaktor – und nahm auch nach dessen Ende 1990 für sich in Anspruch, die Interessen der dortigen Schiiten zu vertreten. Dabei trat die Hisbollah nicht nur als Miliz auf, sondern auch als Sozialbewegung und Partei, die im libanesischen Parlament vertreten ist. Zu den Herrschern des benachbarten Syrien, das in Libanon bis 2005 Truppen stationiert hatte und auf die Politik großen Einfluss nahm, hatte die Hisbollah dabei immer ein gutes Verhältnis. Als die Proteste in Syrien nach 2011 in einen Bürgerkrieg umschlugen und Assads Truppen in Bedrängnis gerieten, kamen die von den iranischen Revolutionsgarden gut ausgebildeten und ausgerüsteten Hisbollah-Kämpfer dem Regime zu Hilfe – auch aus Eigeninteresse, denn die wichtigste Versorgungslinie für die Hisbollah aus Iran verlief über syrisches Territorium. Die Schätzungen über die Verluste gehen auseinander, zwischen 1000 und 2000 der insgesamt wohl 8000 bis 9000 in Syrien eingesetzten Hisbollah-Kämpfer sollen gefallen sein.
Russland
Die Wurzeln der russisch-syrischen Freundschaft reichen bis in die Zeit des Kalten Krieges zurück. Russland wollte sich im Nahen Osten als Gegenpol zur westlichen, besonders der amerikanischen Präsenz positionieren. Der syrische Diktator Baschar al-Assad war bis zu seinem Sturz Russlands wichtigster Verbündeter im Nahen Osten.
Russland hat seinen Status als permanentes UN-Sicherheitsrats-Mitglied immer wieder ausgenutzt, um ein Vorgehen gegen Assad durch sein Vetorecht zu verhindern. Seit Herbst 2015 engagierte sich Russland auch militärisch in Syrien – um das Assad-Regime vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Außerdem unterhält Russland in Syrien wichtige Militärbasen, insbesondere den Luftwaffenstützpunkt in Hmeimim und den Marinestützpunkt in Tartus. Diese Basen sind von großer militärischer Bedeutung, da sie der russischen Flotte einen strategisch wichtigen Zugang zum Mittelmeer ermöglichen. Von Hmeimim aus flog Russland seine zerstörerischen Luftangriffe in Syrien sowohl gegen den IS als auch gegen Rebellengruppen – mit vielen zivilen Opfern.
USA
Geht es nach dem künftigen Präsidenten Donald Trump, werden die USA eine weniger einflussreiche Rolle in Syrien spielen. „Das ist nicht unser Kampf“, sagte er nach Assads Sturz und den darauffolgenden Machtkämpfen. Dabei spielten die Amerikaner in Syrien bislang eine nicht unwichtige Rolle: im Kampf gegen den IS und im Bemühen, den iranischen Einfluss einzudämmen und das Assad-Regime zu schwächen. Die syrische Opposition, die anfangs auf Hilfe aus den USA hoffte, zeigte sich aber spätestens dann enttäuscht, als Barack Obama den Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen das eigene Volk als „rote Linie“ definierte – dann aber nichts unternahm, als Assad diese mit Giftgaseinsätzen überschritt.
Zu Spannungen mit der Türkei führt seit Jahren die Tatsache, dass Washington die kurdisch dominierten Milizen SDF und YPG logistisch, finanziell und mit Waffen unterstützte. Ankara fordert seit jeher von den USA, die Hilfen für die „Terrororganisationen“ einzustellen. Trumps nahende Präsidentschaft stellt aus Sicht der Türken eine Chance dar, ihr Einflussgebiet im Norden Syriens auszuweiten. Auch die 900 amerikanischen Soldaten, die in besonders ölreichen Gebieten wie Deir al-Sor, al-Hasaka und al-Tanf stationiert sind, stellen dann kein Hindernis mehr dar: Es wird erwartet, dass Trump die Truppen abzieht, sobald er im Januar ins Weiße Haus zieht.
Türkei
Die mehrheitlich sunnitisch geprägte Türkei ist einer der wichtigsten Player in der Region. Sie teilt sich eine rund 900 Kilometer lange Grenze mit Syrien und nahm während des Bürgerkrieges fast drei Millionen syrische Flüchtlinge auf – mehr als jedes andere Land. Seit Beginn des Aufstands in Syrien und des folgenden Bürgerkriegs hatte sie die Opposition gegen den „Diktator“ Baschar al-Assad unterstützt – besonders die Nationale Syrische Armee. Die Hauptsorge der Türken gilt den Kurden im Nordosten Syriens. Besonders die YPG, der die Türkei enge Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK (die in der Türkei als Terrororganisation gilt) vorwirft, sieht sie als Bedrohung an.
Seit 2016 intervenierte die Türkei mehrfach militärisch in Syrien. Diese Militärorganisationen richteten sich sowohl gegen den IS als auch gegen die Kurdenmilizen. Außerdem wollen sie eine Pufferzone zwischen sich und den kurdischen Stellungen entlang der Grenze zu Nordsyrien einrichten. Ihnen geht es besonders darum, ein autonomes kurdisches Territorium – oder gar die Entstehung eines kurdischen Staats – zu verhindern.
Neben eigenen Sicherheitsbedenken geht es der Türkei auch um ein einheitliches und stabiles Syrien. Sie will sich daher aktiv am Wiederaufbau in Syrien beteiligen und den eigenen Einfluss weiter stärken – besonders da der schiitische Konkurrent Iran durch den Fall Assads erheblich an Einfluss in der Region verloren hat.
Iran
Die Sekte der Alawiten, aus der Assads Clan stammt, verbindet eigentlich wenig mit der schiitischen Strömung des Islam, die in Iran dominierend ist – dennoch bildete sich ab 1979 eine enge Verbindung zwischen den Regimen in Damaskus und in Teheran aus. Für die Islamische Republik Iran war Syrien aus zwei Gründen geostrategisch wichtig: zum einen als Frontstaat gegenüber Israel, mit dem Iran keine gemeinsame Grenze hat, dessen Auslöschung aber nach wie vor zur Agenda des Regimes gehört. Zum anderen weil Syrien die Brücke zwischen den schiitischen Gebieten im Irak und jenen in Libanon bildet, hier verliefen etwa die Nachschublinien für die Hisbollah. Assads Diktatur war somit wichtiger Brückenkopf in Irans „Achse des Widerstands“ gegen die USA und Israel, seine Armee unterstützte Iran zunächst vor allem mit Ausbildern, Militärberatern, Kommandeuren und schwerem Gerät. Im Verlauf des Krieges schickte Teheran aber auch Fußsoldaten, zwang etwa junge Männer aus den vielen afghanischen Flüchtlingsfamilien in Iran, an der Front zu kämpfen.
Golfstaaten
Einen schnellen Sieg über Assad, vermehrten Einfluss am Mittelmeer – und somit einen schweren Schlag gegen den schiitischen Rivalen Iran: Das erhofften sich Katar und Saudi-Arabien, in geringerem Maße auch die Vereinigten Arabischen Emirate in Syrien. Deshalb unterstützten sie in den frühen Jahren des Bürgerkriegs Rebellengruppen mit Geld und schweren Waffen und verstärkten damit eine unheilvolle Dynamik: Weil ihre Hilfe vor allem moderat bis extrem islamistischen Gruppen zugutekam, liefen immer mehr Rebellenkämpfer zu den Religiösen über, die säkular orientierten Fraktionen wie die Freie Syrische Armee gerieten immer mehr ins Hintertreffen (und wurden gleichzeitig vom Regime, aber auch vom IS erbittert bekämpft). Spätestens nachdem die Rebellen 2016 die Schlacht um Aleppo verloren hatten, schrieben die Golfstaaten ihr Engagement in Syrien als Fehlinvestition ab und näherten sich Assad wieder an, die Vereinigten Arabischen Emirate gingen hier voran. 2018 eröffneten sie wieder eine Botschaft in Damaskus und trieben Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga voran, die dann 2023 erfolgte.