Für die Credit Suisse besonders problematisch sind neben Konten des algerischen Autokraten Bouteflika auch jene der Söhne des ägyptischen Machthabers Hosni Mubarak, auf denen zeitweise Hunderte Millionen Schweizer Franken lagen. Mubaraks Söhne ließen über ihren Anwalt mitteilen, dass das Vermögen „aus völlig legitimen und rechtmäßigen Quellen“ stamme.
Der frühere jordanische Premierminister Samir Rifai konnte den Suisse-Secrets-Daten zufolge selbst dann noch ein Konto eröffnen, als er - unter anderem nach Korruptionsvorwürfen – bereits des Amtes enthoben worden war. Rifai wies sämtliche Vorwürfe auf Anfrage zurück. Er habe zwar Konten bei der Credit Suisse besessen, das Geld stamme jedoch aus Erlösen von Grundstücks- und Immobilienverkäufen.
Heikel sind diese Kundenverbindungen für die Bank aus verschiedenen Gründen: Sie geht ein erhöhtes Risiko ein, dass das von ihr verwaltete Geld im Zusammenhang mit den Verbrechen steht oder mindestens ungeklärter Herkunft ist, was beides der Gesetzgebung nach meldepflichtig wäre. Die Wahrscheinlichkeit, dass Geld aus Korruption oder Geldwäsche auf Konten der Bank landet, ist bei solchen Kunden erhöht.
Auch wenn sich die Bank dessen nicht hundertprozentig sicher ist, geht sie ein Risiko ein: „Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften“ ist in der Schweiz seit 1990 strafbar. Dazu widersprechen Kunden mit solchen Biografien zumeist den eigenen Ethik-Grundsätzen, die Banken nach außen postulieren. Und sie stellen ein erhöhtes Reputationsrisiko für die Bank dar, wenn solche Kundenbeziehungen öffentlich werden.
Vor diesem Hintergrund sind auch die ehemaligen Geheimdienstchefs und deren Familien zu betrachten, die in den Suisse-Secrets-Daten zu finden sind: es sind mehr als ein Dutzend. Darunter ist die Familie des Ägypters Omar Suleiman und der Jemenit Ghaleb Al-Qamish - beiden werden Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen. Sowohl Al-Qamish als auch die Familie Suleimans ließen Anfragen unbeantwortet. (Lesen Sie hier die komplette Geschichte.)
Der frühere algerische Verteidigungsminister Khaled Nezzar durfte den Suisse-Secrets-Informationen zufolge auch dann noch sein Bankkonto behalten, als ihm bereits Kriegsverbrechen vorgeworfen wurden.
„Das ist eine klare Sache: Ihn hätte man als Kunden gar nicht annehmen dürfen“, sagt der Schweizer Korruptionsexperte Mark Pieth über Nezzar. „Und falls man ihn anfangs übersehen hat, hätte man ihn mindestens den Behörden melden müssen.“ Nezzar wies den Vorwurf, Kriegsverbrechen begangen zu haben, über seine Anwälte zurück.
Die Credit Suisse hat derzeit etwa 1,5 Millionen Privatkunden. Laut den Suisse-Secrets-Daten, die bis weit in das vergangene Jahrzehnt reichen, hatten zeitweise mehr als 7000 Venezolaner ein Konto, aus keinem anderen Land finden sich derart viele Männer und Frauen. Es ist ein in Venezuela seit Jahren bekanntes Problem, dass korrupte Beamte und Manager staatlicher Unternehmen Milliarden veruntreuen, die dem Staat fehlen. Besonders das staatliche Ölförderunternehmen PDVSA wurde in der Vergangenheit regelrecht geplündert.
Während Venezuela in politischem Chaos versank und die anhaltende Wirtschaftskrise die knappen Lebensmittel für die Bevölkerung unerschwinglich machte, flossen riesige Summen ins Ausland - oft in die Schweiz. Vier Männer, die im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen an PDVSA-Manager und Geldwäsche in den USA verurteilt wurden, hielten Konten bei der Credit Suisse. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte.)
Aus den Daten führen zahlreiche Spuren zu Korruptionsfällen wie der Siemens-Affäre. Der ehemalige Nigeria-Chef des Münchner Weltkonzerns, der 2008 wegen Bestechung verurteilt wurde, findet sich in den Suisse-Secrets-Daten mit mehreren Konten. Auf einem davon ist als Höchststand ein Betrag von mehr als 54 Millionen Schweizer Franken eingetragen - eine Summe, die mit seinem Siemens-Gehalt schwer zu erklären ist. Auf SZ-Anfrage stritt der Ex-Manager jegliches Fehlverhalten ab, ohne zu erklären, woher die Millionen stammen.
Als sein Name Ende 2007 durch einen Artikel im Wall Street Journal publik wurde, meldete seine Schweizer Bank, die damalige Credit-Suisse-Tochter Clariden Leu, das Konto dennoch nach SZ-Informationen nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben – den Schweizer Behörden. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte.)
Die Schweizer Compliance-Expertin Monika Roth sagt, es sei ihr „rätselhaft und unerklärlich, wieso das dann nicht gemacht wurde. Und es gibt keinen guten Grund dafür“. Durch die Unterlassung habe die Bank „sich strafbar gemacht, weil sie die Meldepflicht verletzt“ habe. Andere Schweizer Banken haben laut Münchner Staatsanwaltschaft damals verdächtige Kunden mit Siemens-Bezug gemeldet, etwa die UBS.
Die Suisse-Secrets-Recherchen zeigen, dass die Credit Suisse über Jahrzehnte hinweg für fragwürdige und oder sogar kriminelle Kunden Konten geführt hat - obwohl die Bank wieder und wieder beteuert hat, derartige Kunden nicht mehr haben zu wollen. Die Daten belegen auch, dass Maßnahmen wie etwa der automatische Informationsaustausch mit anderen Ländern Kleptokraten, Steuerhinterzieher und Kriminelle nicht wirksam davon abhielten, ihr Geld in der Schweiz zu verstecken.
Wichtig ist auch: Das Leak zeigt nicht die Gegenwart, die Daten enden einige Jahre vor 2022. Die Credit Suisse erklärte dazu: „Viele Vorwürfe reichen bis in die 1970er-Jahre zurück und wurden in den vergangenen Jahrzehnten im Einklang mit den damals geltenden Verfahren und Anforderungen überprüft.“