Krieg in der Ukraine

Dutzende Tote, Dutzende Vermisste

Die Hoffnung, in dem von einer Rakete getroffenen Wohnhaus in Dnipro weitere Überlebende zu finden, ist nur noch minimal.

Ob es russischen Truppen gelungen ist, den Ort Soledar einzunehmen, bleibt unklar.

Krieg in der Ukraine

Dutzende Tote, Dutzende Vermisste

Die Hoffnung, in dem von einer Rakete getroffenen Wohnhaus in Dnipro weitere Überlebende zu finden, ist nur noch minimal.

Ob es russischen Truppen gelungen ist, den Ort Soledar einzunehmen, bleibt unklar.

16. Januar 2023 - 3 Min. Lesezeit

Es sieht aus, als wäre das Haus einfach hinweggefegt worden. Zwei Tage einem russischen Raketenangriff auf einen Wohnblock in der ostukrainischen Stadt Dnipro gibt es kaum noch Hoffnung, in den Trümmern weitere Überlebende zu finden. Die Rettungskräfte geben dennoch nicht auf: „Die Suche nach den Menschen unter den Trümmern geht weiter“, sagte Walentyn Resnitschenko, der Militärgouverneur der Region. Auf Telegram schrieb er, 35 Menschen seien getötet worden, andere Quellen schrieben von 40 Toten, darunter auch Kinder. Laut Resnitschenko wurden 75 Menschen verletzt und 35 werden noch vermisst. Die Zahl der Toten wird also wahrscheinlich weiter steigen. 39 Menschen sollen bisher gerettet worden sein.

Kremlsprecher Dmitrij Peskow dementierte am Montag einen russischen Angriff auf das Haus: „Angriffe werden gegen militärische Ziele geführt, entweder offensichtliche oder getarnte.“ Verantwortlich sei möglicherweise die ukrainische Flugabwehr.

Die russische Armee übt Terror aus

Es ist eine Lüge, dass Russland nur militärische Ziele angreife. Seit Monaten terrorisiert die russische Armee mit Angriffen auf die Energieinfrastruktur und immer wieder auch auf Wohngebiete die ukrainische Bevölkerung. Auch die These von der erneut fehlgeleiteten ukrainischen Flugabwehr ist wenig glaubwürdig.

Eine Flugabwehrrakete hätte ein neunstöckiges Haus nicht derart dem Erdboden gleichgemacht.

Eine Flugabwehrrakete hätte ein neunstöckiges Haus nicht derart dem Erdboden gleichgemacht.

Vermutet wird, dass Russland für den Angriff eine Rakete von Typ Kh-22 einsetzte. Der Gefechtskopf dieser Waffe hat eine immense Sprengkraft und könnte solche massiven Zerstörungen verursachen. Kh-22 wurde ursprünglich zur Bekämpfung von Flugzeugträgern entwickelt. Die russische Armee hat Raketen dieser Art vermutlich schon im Sommer 2022 gegen Wohnhäuser eingesetzt.

Der russische Präsident Wladimir Putin sagte einmal mehr im russischen Staatsfernsehen, die „militärische Spezialoperation“, wie der Krieg in Russland offiziell genannt werden muss, verlaufe nach Plan des Verteidigungsministeriums und des Generalstabs. Selbst in Russland ist vielen Beobachtern und Kommentatoren des Krieges, wie den teilweise sehr einflussreichen Militärbloggern, inzwischen klar, dass der Krieg alles andere als nach Plan verläuft. Möglicherweise will Putin mit der Spitzfindigkeit, es laufe nach dem Plan des Verteidigungsministeriums und des Generalstabs – und damit implizit nicht nach seinem Plan – von seinem eigenen strategischen Versagen ablenken.

Wird in der Kleinstadt Soledar noch gekämpft?

Nach vielen Rückschlägen in den vergangenen Monaten und der Mobilisierung, die Teile der russischen Bevölkerung stark verunsichert hat, muss die russische Armee in der Ukraine dringend Erfolge melden.

So wurde die angebliche Eroberung der Kleinstadt Soledar im Donbass als wichtiger Sieg dargestellt, obwohl die strategische Bedeutung nicht besonders groß ist.

Auch ist nach wie vor unklar, ob russische Truppen wirklich die volle Kontrolle über den Ort haben. Der britische Militärgeheimdienst teilte am Montag mit, mindestens bis Sonntag habe es in Soledar noch Gefechte zwischen der ukrainischen Armee und Söldnern der russischen „Gruppe Wagner“ gegeben.

So wurde die angebliche Eroberung der Kleinstadt Soledar im Donbass als wichtiger Sieg dargestellt, obwohl die strategische Bedeutung nicht besonders groß ist.

Auch ist nach wie vor unklar, ob russische Truppen wirklich die volle Kontrolle über den Ort haben. Der britische Militärgeheimdienst teilte am Montag mit, mindestens bis Sonntag habe es in Soledar noch Gefechte zwischen der ukrainischen Armee und Söldnern der russischen „Gruppe Wagner“ gegeben.

Diese Söldner, die nicht offiziell der russischen Armee angehören, tragen inzwischen einen Großteil der Kämpfe im Donbass für die russische Armee aus. Die genaue Situation und Zugehörigkeit der eingesetzten Kämpfer ist unklar, aber die Experten des Institute for the Study of War in Washington D.C. gehen davon aus, dass die regulären russischen Truppen zuletzt vor allem für die Verteidigung der besetzten Gebiete eingesetzt wurden und die Angriffe von „Wagner“-Söldnern und Truppen der Separatisten durchgeführt wurden.

Möglicherweise sollen die regulären Soldaten damit für eine neue Offensive geschont werden. Kremlsprecher Peskow dementierte am Montag ebenfalls, dass es einen Konflikt zwischen Wagner und der Armee gebe. „Wagner“-Chef Jewgenij Prigoschin hatte die russische Militärführung für die ausbleibenden Erfolge im Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht und selbstständig Verteidigungsanlagen in den besetzten Gebieten errichtet.

Die „Gruppe Wagner“ soll für den Vorstoß bei Soledar allerdings einen hohen Preis gezahlt haben. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, Schätzungen gehen aber von Tausenden Toten aus. „Wagner“ setzte zuletzt viele Sträflinge aus russischen Gefängnissen ein. Laut unbestätigten Berichten würden oft ein oder zwei Wellen solcher schlecht ausgerüsteten und ausgebildeten Rekruten geschickt, um die ukrainischen Verteidiger zu beschäftigen. Erst im Anschluss wurden die besser ausgebildeten Soldaten und Söldner die erschöpften ukrainischen Truppen angreifen. Taktiken wie diese erklären nicht nur die hohen Verluste, sondern auch, warum die russische Armeeführung für diese Art der Kriegsführung lieber Söldner einsetzt als mobilisierte Soldaten.

Team
Text Nicolas Freund
Digitales Storytelling David Wünschel
Redaktion Frank Nienhuysen