Oder von Regierungen in Häfen festgesetzt. Der Überblick.
Von Nadja Schlüter und Raphael Weiss
Zivile Seenotrettungsorganisationen aus mehreren europäischen Ländern sind seit 2015 im zentrale Mittelmeer aktiv, um Geflüchtete aus Seenot zu retten. Einige haben mehrere Schiffe oder sogar Flugzeuge im Einsatz. Allerdings müssen manche Boote immer wieder längere Zeit im Hafen ausharren. Manchmal sind schlicht Reparaturen nötig. Oft werden sie jedoch festgesetzt, weil die Mittelmeerstaaten Regeln ändern, Verstöße gegen ihre Auflagen vermuten oder feststellen, oder Crew-Mitglieder beschuldigen, Straftaten begangen zu haben, etwa Beihilfe zur illegalen Einreise. Die Seenotrettungsorganisationen selbst, aber zum Beispiel auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, kritisieren, dass dies geschehe, um die Arbeit der Retter*innen zu erschweren oder zu kriminalisieren.
Diese Liste liefert einen Überblick über die Organisationen, die derzeit im Mittelmeer in der Seenotrettung operieren, und über die Schiffe, die sie betreiben.
Jugend rettet
Gegründet: 2015
Schiff: DieIuventa unter niederländischer Flagge
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer
Mitarbeiter*innen und Aktive: EinKernteam aus zehn bis 15 Personen, pro Einsatz elf Crewmitglieder, Ortsgruppen mit insgesamt 300 bis 400 Aktiven in ganz Deutschland. Alle Beteiligten arbeiten ehrenamtlich.
Einsätze und Rettungen 2020: keine
Aktuelle Lage: Die Iuventa wurde im August 2017 im Hafen von Trapani, Italien, festgesetzt. Die sizilianische Staatsanwaltschaft begann mit Ermittlungen gegen die Crew wegen Beihilfe zu illegaler Einreise. Die Iuventa war das erste Schiff der seit 2015 tätigen zivilen Seenotrettung im Mittelmeer, das festgesetzt wurde.
Louise Michel
Aktiv seit: August 2020
Schiff(e): Die Louise Michel unter deutscher Flagge. Das Schiff wurde vom britischen Streetart-Künstler Banksy gekauft, der auch die Missionskosten für ein Jahr trägt.
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer
Mitarbeiter*innen: Sieben Personen im Kernteam und eine zehnköpfige Schiffscrew
Einsätze und Rettungen 2020: Vier Einsätze, mehr als 300 Menschen gerettet
Aktuelle Lage: Im September wurde die Louise Michel im spanischen Hafen Burriana festgesetzt und war seitdem nicht mehr im Einsatz.
Mediterranea Saving Humans
Aktiv seit: Oktober 2018
Schiff(e): Die Mare Jonio unter italienischer Flagge, und das Segelboot Alex. Aktuell wird in Bremen die Mare Jonio 2 auf ihren ersten Einsatz vorbereitet, der für April 2021 geplant ist.
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer
Mitarbeiter*innen: Zwölf Crew-Mitglieder, sechs Mitarbeiter*innen an Land, zudem ein Netzwerk aus mehreren hundert Aktivist*innen, die in etwa 25 Ortsgruppen in Italien sowie den USA, Berlin, Barcelona, Brüssel und Tunis organisiert sind.
Einsätze und Rettungen 2020: Zwei Missionen und zwei Rettungseinsätze. Insgesamt wurden 140 Menschen gerettet.
Aktuelle Lage: Die Mare Jonio befindet sich derzeit in Venedig, wo Reparaturen vorgenommen werden sollen, um neue Auflagen der italienischen Regierung zu erfüllen. Die Alex ist in diesem Jahr wegen der Corona-Auflagen für Freizeitboote nicht im Einsatz.
Mission Lifeline
Gegründet: 2016
Schiff(e): DieEleonore (festgesetzt seit September 2019), die Rise Above (ab 2021 unter deutscher Flagge im Einsatz), ein Segelboot (seit 2018, Name geheim, wieder aktiv ab voraussichtlich Sommer 2021), eine Motoryacht (seit 2020, Name geheim, aktiv ab Ende Dezember 2020)
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer und Westafrika
Mitarbeiter*innen: Ca. 500 Mitglieder
Einsätze und Rettungen 2020: Keine Rettungseinsätze
Aktuelle Lage: Die Eleonore ist beschlagnahmt und durch die über einjährige Festsetzung im Hafen von Pozzallo unbrauchbar geworden. Die Verschrottung ist beantragt. Für das Segelboot (letzter Einsatz 2019) wartet die NGO die Strafverfolgung gegen andere NGOs im Ägäischen Meer ab. Das Motorboot wird für den Einsatz vor Westafrika vorbereitet, die Registrierung läuft noch.
Proactiva Open Arms
Gegründet: 2015
Schiff(e): Die Open Arms, ein 46 Jahre altes Schiff, das sich seit 2017 im Besitz der NGO befindet und unter spanischer Flagge fährt. Zur Flotte gehört auch die Segelyacht Astral, die unter der Flagge von Großbritannien fährt und vor allem zur Unterstützung und Beobachtung eingesetzt wird.
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer und Ägäis
Mitarbeiter*innen: Keine Angaben
Einsätze und Rettungen 2020: Vier Missionen mit zwölf Einsätzen. Insgesamt wurden 933 Menschen gerettet.
Aktuelle Lage: Open Arms und Astral befinden sich derzeit im Hafen von Barcelona.
Salvamento Marítimo Humanitario (SMH)
Gegründet: 2015
Schiff(e): Die Aita Mari unter spanischer Flagge; das Schiff hat eine medizinische Notfallstation an Bord.
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer
Mitarbeiter*innen: Sieben Crewmitglieder, sechs Mitarbeiter*innen in Griechenland und zwei Verwaltungsangestellte in Spanien.
Einsätze und Rettungen 2020: Zwei Missionen mit vier Einsätzen. Insgesamt wurden 202 Menschen gerettet.
Aktuelle Lage: Die Aita Mari durfte nach einer technischen Kontrolle in Italien ab dem 8. Mai keine Rettungseinsätze mehr fahren. SMH wies die Mängel-Vorwürfe als falsch zurück. Nach einer Renovierung in Spanien haben die dortigen Behörden dem Schiff die Freigabe erteilt. Derzeit befindet es sich auf einer Mission.
Sea-Eye
Gegründet: 2015
Schiff(e): Die Alan Kurdi unter deutscher Flagge. Die Sea-Eye 4, die aktuell in Rostock für einen Einsatz als Rettunsschiff umgebaut wird und Anfang 2021 im Mittelmeer zum Einsatz kommen soll. Die Seefuchs wurde im Dezember 2018 an die spanische NGO ProemAid verschenkt. Die Sea-Eye wurde ihrem Eigentümer und Gründer von Sea-Eye e.V., Michael Buschheuer, zurückgegeben, der das Schiff kostenfrei zur Seenotrettung zur Verfügung gestellt hatte. Sieist nun ein Museumsschiff im Hamburger Museumshafen.
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer
Mitarbeiter*innen: Sea-Eye e.V. hat 600 Mitglieder. Rund 200 Menschen engagieren sich aktuell ehrenamtlich beim Umbau der Sea-Eye 4. Zehn Mitarbeiter*innen arbeiten hauptamtlich an Land für Sea-Eye. Der Vorstand arbeitet ehrenamtlich.
Einsätze und Rettungen 2020: Drei Rettungseinsätze im Februar und April, 361 gerettete Menschen.
Aktuelle Lage: Die Alan Kurdi wurde 2020 zwei Mal festgesetzt. Zunächst im April in Palermo, danach im September im Hafen der sardischen Stadt Olbia, Italien. Das Verfahren läuft noch.
Sea-Watch
Gegründet: 2015
Schiffe: DieSea-Watch 3 und die Sea-Watch 4, beide unter deutscher Flagge, außerdem zwei Erkundungs-Flugzeuge, die Seabird und die Moonbird
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer
Mitarbeiter*innen und Aktive: Knapp 80 Angestellte und etwa 500 ehrenamtliche Helfer*innen; um die juristischen Belange kümmert sich ein eigenes juristisches Team.
Einsätze und Rettungen 2020: Vier Missionen und zwölf einzelne Rettungsoperationen; 878 Menschen aus Seenot gerettet; weitere Rettungseinsätze wurden durch den Eingriff der Flugzeuge eingeleitet
Aktuelle Lage: Beide Schiffe sind derzeit festgesetzt. Einem der beiden Erkundungs-Flugzeuge wurde in diesem Jahr für mehrere Wochen die Startgenehmigung entzogen, mittlerweile ist es wieder im Einsatz.
SOS Méditerranée
Gegründet: 2015
Schiff(e): Die als Rettungsschiff zertifizierte Ocean Viking unter norwegischer Flagge seit August 2019; das vorige Schiff, die Aquarius, gab die NGO Ende 2018 auf, als wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Müllentsorgungsvorschriften eine Beschlagnahmung durch den italienischen Staat drohte.
Einsatzgebiet: Zentrales Mittelmeer
Mitarbeiter*innen: „SOS Méditerranée“ agiert als internationales Netzwerk in Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz mit ca. 50 Beschäftigten und mehr als 30 ehrenamtliche Gruppen an Land. Auf dem Schiff arbeiten neun gecharterte Crew-Mitglieder, eine neun- bis elfköpfige Rettungscrew und ein medizinisches Team aus sechs Personen. „SOS Méditerranée“ ist die einzige Seenotrettungsorganisation, die ausschließlich mit professionell ausgebildetem Personal arbeitet.
Einsätze und Rettungen 2020: 13 Rettungseinsätze im Januar, Februar und Juni, 903 gerettete Menschen.
Aktuelle Lage: Die Ocean Viking wurde im Juli festgesetzt und ist derzeit in der Werft in Augusta, Italien.