USA
Merz bei Trump: Die fünf wichtigsten Erkenntnisse des Besuchs
Es war das große Aufgebot für den Kanzler in Washington. Angefangen bei der Übernachtung im Blair House – eine Ehre, die nur sehr ausgewählten Gästen gewährt wird –, über den choreografierten Empfang mit Fahnenträgern bis zum Handschlag mit dem Präsidenten in der Auffahrt des Weißen Hauses: Die Begrüßung für Friedrich Merz signalisierte, dass der Präsident nicht auf Krawall gebürstet war. Der sichtlich konzentrierte Bundeskanzler konnte sich eigentlich gleich entspannen – was er ebenso offensichtlich nicht tat. Welche Schlüsse lässt die anschließende Begegnung der beiden vor laufenden Kameras im Oval Office zu? Fünf Beobachtungen:
1. Erkenntnis
Atmosphärisch zumindest war die Begegnung ein Erfolg für den Kanzler
Offensichtlich hatte Friedrich Merz den richtigen Umgangston gegenüber Donald Trump schon in ihren Telefonaten in den vergangenen Wochen gefunden. Und auch für den Plausch vor dem Kaminsims im Präsidentenbüro hat er erkennbar die passende Strategie im Umgang mit seinem narzisstischen Gesprächspartner entwickelt: schmeicheln, reden lassen, nicht unterbrechen. Das Gastgeschenk – ein Faksimile der Geburtsurkunde von Donald Trumps deutschem Großvater im Goldrahmen – kam gut an. Die beiden machten Witze über deutsche Vornamen, Trump scherzte, dass sich vielleicht ein Platz dafür unter den ebenfalls goldgerahmten Präsidentenporträts an den Wänden des Oval Office finden lasse.

Merz begann damit, dass Deutschland Amerika viel zu verdanken habe: „Wir werden das nie vergessen“ – und der Präsident nickte beifällig. Gut kam auch an, dass der Kanzler erwähnte, 1982 das erste Mal im Weißen Haus gewesen zu sein – zu Zeiten Ronald Reagans. Auch diese Anspielung auf einen der Heroen der Republikaner wurde offenkundig beifällig aufgenommen.
Und Trump revanchierte sich für Lob und Streicheleinheiten seinerseits mit Schmeicheleien – ein Zeichen, dass er das devote Verhalten seines Gesprächspartners goutierte. Er nannte Merz einen „hochgeachteten Mann“ und fügte hinzu: „Er ist schwierig.“ Das ist Bro-Talk unter Kerlen. Einfach geht leicht, aber richtige Männer haben eben Differenzen, tragen sie miteinander aus – und verstehen sich anschließend wieder. Atmosphärisch also klappte es zwischen den beiden. Dazu passt natürlich, dass Trump die Einladung des Kanzlers nach Deutschland akzeptiert hat.
2. Erkenntnis
Beim wichtigsten Thema für Merz – der Unterstützung der USA für mehr Druck auf Russland – signalisiert Donald Trump indes kein Entgegenkommen
Trump hat die allermeiste Zeit bei dem öffentlichen Treffen geredet, er genießt das. Und er wurde natürlich nach dem Ukraine-Krieg und seinem Telefonat am Dienstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gefragt. Er fand eine Analogie, die Aufschluss gibt, wie er den Konflikt betrachtet – und diese Sichtweise ist meilenweit von der Auffassung des Kanzlers und der Europäer entfernt:

Dafür ist in Trumps Augen der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Keine Rede davon, dass Putin den Krieg vom Zaun gebrochen hat, keine Rede davon, dass die USA eindeutig aufseiten der Ukraine stehen. Nur das vage Versprechen: „Wir werden sehr tough sein“, ergänzt von der einschränkenden Bemerkung: „mit beiden Seiten“.
Das war der einzige Punkt, bei dem Merz es für geboten hielt, selbst länger zu sprechen – und eindeutig Position zu beziehen:

„Wir sind aufseiten der Ukraine“, sagte er im selben Sessel, in dem im Februar Wolodimir Selenskij von Trump abgekanzelt wurde. Und er versuchte es noch einmal mit Schmeichelei: „Er ist die Schlüsselfigur in der Welt“, sagte Merz über seinen Sitznachbarn, der Einzige, der wirklich Russland unter Druck setzen könne, um den Krieg zu beenden. Trump hörte sich die Ausführungen mit stoischer Miene an. Das sprach nicht dafür, dass der Kanzler in den vertraulichen Gesprächen in kleiner Runde im Anschluss da Zugeständnisse erreicht hat.
3. Erkenntnis
Die deutschen Verteidigungsausgaben sind wohl kein Thema mehr – bis auf Weiteres
Die Anstrengungen der neuen Bundesregierung, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen, werden auch in Washington wahrgenommen – positiv. Schon Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte das vergangene Woche angedeutet. Trump lobte die Aufrüstungsbestrebungen („das ist gut“), scherzte sogar, dass man vielleicht aufpassen müsse, dass es nicht zu viel werde – mit Blick auf die deutsche Vergangenheit. Merz ließ das stehen, weil klar war: Da ist – jedenfalls bis auf Weiteres – kein Sperrfeuer aus Washington zu erwarten.
4. Erkenntnis
Im Zollstreit ist das letzte Wort längst nicht gesprochen
Der Kanzler hatte vor allzu großen Hoffnungen gewarnt, und tatsächlich war klar, dass in dieser Frage nichts zu erwarten wäre. Trump beließ es bei Allgemeinplätzen: „Wir werden einen großartigen Handelsdeal haben“, sagte er, wie er es oft tut. Andernfalls werde es eben die Zölle geben. Aber es folgten nicht wie in seiner ersten Amtszeit die üblichen Beschwerden etwa über die deutsche Autoindustrie, die munter Geschäfte in Amerika mache, während US-Fahrzeuge in Deutschland keine Chance hätten. Der Präsidenten deutete auch an, dass sich im Handelsstreit schon noch einiges machen ließe – wenn Deutschland zum Beispiel fossile Brennstoffe („wir haben so viel Öl und Gas“) in den USA einkaufen würde.
5. Erkenntnis
Trumps Feindseligkeit gegenüber Deutschland ist – fürs Erste – verflogen
Eines lässt sich nach diesem öffentlichen Empfang für Merz tatsächlich sagen: Der immer wieder aufschimmernde Unwille gegenüber Deutschland spielt im Moment keine Rolle. Wohl sehr zur Erleichterung Merz’ kam das Gespräch nicht auf die AfD und die angebliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik. Trumps Vize J. D. Vance, der darüber bei der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen hatte, saß stumm zur Linken des Präsidenten und wurde auch nicht aufgefordert, das Wort zu ergreifen.
Vieles spricht ohnehin dafür, dass Trump leichter mit mächtigen Männern als mit mächtigen Frauen umgehen kann. Mit Angela Merkel jedenfalls kam er nie auf ein gemeinsames Verständnis und grollte ihr jetzt noch einmal nachträglich wegen ihrer Migrationspolitik („sie hätte das nicht tun sollen“) und wegen ihres Engagements für die Ostseepipeline Nord Stream 2 („ich habe das beendet“). Merz ließ das unwidersprochen so stehen. Was auf der einen Seite diplomatisch geboten war. Und was wohl einer der Punkte gewesen ist, bei denen er wirklich mit Donald Trump einer Meinung war.