Transparenz-Blog

Sie fragen, ein KI-Bot antwortet

Warum wir für die Europawahl eine künstliche Intelligenz mit Hunderten Dokumenten gefüttert haben.

Von Elisabeth Gamperl (Projekt-CvD), Sören Müller-Hansen (Datenjournalist) und Carmen Heger (Director of AI & Data)
7. Juni 2024 - 4 Min. Lesezeit

Wir haben einen Technokraten gebaut – akribisch, wahnsinnig fleißig und vielleicht ein bisschen dröge. Ob es um die Bedeutung der Europawahl geht, eine Liste der Spitzenkandidaten der einzelnen Parteien oder die Themen in den Wahlprogrammen – unser Technokrat bemüht sich immer um eine Antwort.

Dieser digitale Technokrat durchsucht dafür Hunderte Dokumente und zitiert präzise die passenden Stellen. Er ist allerdings kein Redakteur, keine Redakteurin der Süddeutschen Zeitung und liefert deshalb auch keine journalistischen Texte. Er ist ein technisches Feature, das mithilfe von künstlicher Intelligenz mit SZ-Artikeln, Wahlprogrammen der Parteien und anderen von der Redaktion ausgewählten offiziellen Quellen gefüttert wurde, um auf wirklich jede Frage zur Europawahl eine maßgeschneiderte Antwort liefern zu können.

Es ist nämlich so: Bei dieser Wahl treten in Deutschland 35 Parteien an. Es ist redaktionell nicht möglich, über jede kleine Partei und deren Positionen in aller Ausführlichkeit zu berichten. Trotzdem wollten wir unsere Leserschaft allumfassend über diese Wahl informieren. Außerdem dürfen dabei hierzulande erstmals auch 16-Jährige wählen. Wir wollten mit einem Projekt einen interaktiven Zugang für jüngere Zielgruppen zu Politik schaffen. Dabei soll der Bot keinesfalls eine Wahlempfehlung aussprechen, sondern Informationen für eine fundierte Wahlentscheidung liefern. Deswegen haben wir den KI-Bot zur Europawahl entwickelt.

Wie viele Medienhäuser beschäftigt sich auch die Süddeutsche Zeitung mit künstlicher Intelligenz, um die Technologie dahinter besser zu verstehen und das Leseerlebnis unserer Nutzerinnen und Nutzer zu verbessern. Mittlerweile entstehen in vielen Bereichen der SZ Projekte und Initiativen – über den Umgang mit KI hat unser Kollege Andrian Kreye hier einen Beitrag verfasst.

Wir haben der KI, oder besser gesagt dem Sprachmodell, sorgfältig formulierte Anweisungen gegeben, wie sie auf die Stichworte und Fragen der Nutzer antworten soll. 

Fehler sind trotzdem nie ganz auszuschließen – der Bot könnte Fragen falsch interpretieren oder keine passenden Quellen finden. Um Transparenz zu gewährleisten, verlinken wir die Dokumente, aus denen die Antworten stammen, in den Fußnoten.

Außerdem verbinden wir den Bot mit unserer Berichterstattung. Wir bieten thematisch passende Artikel aus der SZ zur vertiefenden Lektüre an. Die SZ speichert bei diesem Projekt keine userspezifischen Daten. Wir wissen also nicht, wer was eingibt. Wir werfen aber dennoch einen Blick auf die eingegebenen Fragen, um auf eventuelle Themen aufmerksam zu werden, auch um Themen für unsere Berichterstattung zu entdecken, die unsere Leserinnen und Leser besonders interessieren. So haben wir zum Beispiel herausgefunden, dass eine kleine Partei besonders viel Interesse weckt, und haben über sie einen Text geschrieben.

So ein Projekt ist nur in einem interdisziplinären Team möglich. Redakteure aus dem Politikressort haben hierfür mit Entwicklerinnen, Designern und Datenjournalistinnen zusammengearbeitet.

Ein besonderes Highlight war eine Schulklasse, die den Bot im Unterricht nutzte. Das anonyme schriftliche Feedback der Schülerinnen und Schüler war gemischt. Jemand schrieb: „Nicht zu viel KI, denn Journalisten sind wichtig!“ – eine Aussage, der wir nur zustimmen können. Der Bot wird niemals Journalist sein. Dafür fehlen ihm viele Fähigkeiten wie Quellenkunde und das journalistische Gespür.

Aber wir experimentieren weiter und setzen KI dort ein, wo es Sinn ergibt. Etwa als Assistenz. Oder eben als akribischen Technokraten.

PS: Übrigens können Sie uns immer unter ki@sz.de Feedback zu diesem Projekt und Ihre Meinung zu KI schicken.

Text: Elisabeth Gamperl, Sören Müller-Hansen, Carmen Heger; Digitales Design: Lea Gardner; Infografik: Julia Kraus; Schlussredaktion: Florian Kaindl

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