Oft waren es die kleinen Dinge, welche Korrespondenten entdeckten, in denen man das Große verstand. 1978 berichtete Italien-Korrespondent Carlos Widmann über den überraschenden Tod von Papst Johannes Paul I: „Der Portier und der Zeitungsverkäufer lächeln nicht bei der Begrüßung, im Bus reden die Leute nicht miteinander, und die Frau hinter dem Bankschalter weint still vor sich hin, während sie Geldscheine zählt.“ Nur 33 Tage lang hatte das Pontifikat dieses Papstes gedauert und doch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Seine Einfachheit, seine Menschlichkeit, seine Gabe, das Volk an sich heranzuziehen, haben hierzulande Maßstäbe gesetzt“, schrieb Widmann.
Immer wieder berichteten SZ-Korrespondenten aus den Krisen und Kriegen der Welt: Werner Hofer aus Vietnam, Manfred von Conta über das gewaltsame Ende des Prager Frühlings 1968, wieder Kempski 1973 über den Jom-Kippur-Krieg, in dem Israel erstmals am Rande einer Niederlage stand. Später standen und stehen Namen wie Peter Münch (Israel), oder Cathrin Kahlweit, Sonja Zekri und Florian Hassel (alle Ukraine) für Berichte, welche die Wirklichkeit moderner Kriege aus nächster Nähe zeigen. Und die Korrespondentinnen Lea Sahay und Silke Bigalke meistern heute die sehr herausfordernde Aufgabe, aus China beziehungsweise dem Krieg führenden Russland zu berichten. Sie halten für die Leser in Erinnerung, dass diese Staaten als Gegner des Westens nicht nur aus ihren Regierungen bestehen.
Silke Bigalke schrieb zuletzt über Dmitrij Skurichin, einen der wenigen Bürger, die es noch wagten, den Angriffskrieg ihrer Regierung gegen die Ukraine zu kritisierten: „Als er sich am ersten Jahrestag der Invasion dann in den Schnee kniete, schauten trotzdem alle hin:

1991 verlor die Süddeutsche Zeitung ihren Reporter Egon Scotland, der zu Beginn des jugoslawischen Bruderkrieges von einem serbischen Scharfschützen ermordet wurde. Der Schock saß tief und bleibt unvergessen. Der Täter wurde 2016 in Split zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Scotlands Witwe, die SZ-Journalistin und spätere Türkei-Korrespondentin Christiane Schlötzer-Scotland, war 1994 Mitbegründerin des Hilfswerkes „Journalisten helfen Journalisten“, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, in Not geratene Journalistinnen und Journalisten und ihre Familien in Kriegs- und Krisenregionen zu unterstützen.
In der SZ schrieb einmal der heutige Kriegs- und Krisenreporter Tomas Avenarius, der allein 2025 aus den Kriegen in der Ukraine, Israel und Gaza und Syrien berichtete, über das Dilemma seiner Zunft: „Wer im Krieg Fragen stellt, wird die Wahrheit nicht hören, sondern bestenfalls Wahrheiten: die der jeweils einen Seite. (…) Nur ein Narr kann anderes erwarten. Aus den widersprüchlichen Facetten ein Bild zu formen, das dem Geschehen möglichst nahekommt, kann dennoch gelingen. Manchmal besser, manchmal schlechter, aber oft den Einsatz lohnend.“
Das größte Korrespondentenbüro befindet sich traditionell, schon seit alten Bonner Zeiten, am Regierungssitz der Bundesrepublik. Dem heutigen Parlamentsbüro in Berlin gehören 14 Kolleginnen und Kollegen an, die jeweils eigene Sachthemen bearbeiten: zum Beispiel den Kanzler, die Not leidende SPD, die noch größere Not leidende Bundeswehr. Der spätere SZ-Chefredakteur Kurt Kister, US-Korrespondent in den Neunzigern, leitete zwischen 1998 und 2004 das Bonner und dann Berliner Parlamentsbüro, wo sich 2002 der damalige Kanzler Gerhard Schröder und sein Herausforderer Edmund Stoiber zu einem Streitgespräch einfanden. Schröder kam eine halbe Stunde zu spät und brach am Schluss schon auf, als Stoiber gerade noch mit einer Antwort zugange war. Die Botschaft war deutlich.
In dem dazugehörigen preisgekrönten Artikel fasste Kister die Begegnung so zusammen: „Ja nun, sie haben sich belauert, sie haben sich gestritten und sie haben sich nicht allzu häufig direkt angeschaut.“ 2007 übernahm Nico Fried die Leitung des Parlamentsbüros, der in seiner Berliner Kolumne einmal gestand, vor dem G-7-Gipfel auf Schloss Elmau 2015 wegen einer Massage fast den Besuch der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel verpasst und daher – angeblich – um seinen Job bei der SZ gefürchtet zu haben. Fried durfte selbstredend bleiben und schrieb später zur Frage, was den nachfolgenden Kanzler Olaf Scholz von seiner Vorgängerin unterscheide: „Merkel kann über sich lachen, Scholz kichert gerne über seine Witze. Das ist nicht ganz dasselbe.“
Es war das kleine Detail, das eine Welt erklärt. Dasselbe gilt für eine Reportage des SZ-Lateinamerika-Korrespondenten Peter Burghardt (heute in Washington), der 2004 die Kolumbianerin Leidy Tabares in ihrer Gefängniszelle besuchte. Die junge Frau aus elenden Verhältnissen hatte es zur berühmten Schauspielerin gebracht und war dann tief gefallen. Ein Gericht hatte sie trotz mangelnder Indizien wegen Beihilfe zum Mord zu 26 Jahren Haft verurteilt. „Der Tod war ihr immer nahe, so nahe wie den meisten, die in den Straßen von Medellín groß geworden sind. Er hatte sie schon begleitet, bevor sie vom Gossenkind zum Filmstar wurde und danach zur Strafgefangenen“, schrieb Burghardt.
Wenn Korrespondentin oder Korrespondent von der Redaktion heute über Teams-Bildschalte schon am Vormittag Dinge gefragt werden wie „Na, wie schmeckt der Caipi am Strand?“ – dann wissen sie (meistens), dass das nur ein alberner Scherz ist. Für die Kollegen draußen bedeutet die allgegenwärtige Erreichbarkeit, die Informationsflut und der Wunsch der Zentrale, neue Entwicklungen am besten als Erste oder mindestens so zügig wie möglich zu bekommen, eine zusätzliche Herausforderung, die Rudolph Chimelli 1967 nicht ahnen konnte. Er verzieh den Schuldigen in München, die seinen Scoop ruiniert hatten, wenn auch leicht ungnädig: „Gegenüber eigenen Leuten neigte die SZ gern zu der Haltung: Der ist einer von uns, mit ihm kann es nicht weit her sein.“ Aber wenigstens hier irrte der große Reporter. Denn das stimmte damals so wenig wie heute.