Ein Ereignis und seine Zeit:
Von Christian Mayer
Der 26. Juni 1963 ist ein Tag der grenzenlosen Freude in West-Berlin, es ist der Tag, an dem Hunderttausende Menschen dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy bei seinem stundenlangen Triumphzug zujubeln. Sie versammeln sich am Flughafen Tegel, auf den Straßen und Plätzen und später vor dem Schöneberger Rathaus, wo der Präsident eine historische Rede hält.
Die SZ-Korrespondentin Gabriele Müller beschreibt, welche hohen Erwartungen die West-Berliner an den Mann aus Washington haben, der offensichtlich selbst überwältigt wird vom Rausch der Gefühle. Überall nur Kennedy-Fans und Hochrufe. Beim kurzen Besuch vor dem Brandenburger Tor herrscht dagegen Schweigen; Kennedy blickt erstmals selbst hinter den Eisernen Vorhang, in den Ostteil der geteilten Stadt. Seine Rede ist prophetisch: Der Tag der Freiheit werde kommen - doch es wird noch mehr als ein Vierteljahrhundert dauern, bis der Traum von der Wiedervereinigung wahr wird.
Wenige Monate nach seiner Deutschlandreise wird Kennedy noch einmal eine Fahrt im offenen Wagen durch eine Großstadt machen. Doch das ist dann kein Triumph, sondern die Tragödie von Dallas, Texas, wo der Präsident am 22. November 1963 erschossen wird.