19. August 2024 - 12 Min. Lesezeit
Ihr erster Versuch, für Freiheiten in Georgien auf die Straße zu gehen, scheiterte an ihrer Großmutter, denn die sperrte sie ein. Schloss einfach die Tür des Hauses zu, das Natalia Kipshidze so liebt, mit den zarten Rosen im Vorgarten und dem Granatapfelbaum, der im Sommer so schön rot wird. Da saß sie also vor dem Fernseher im Wohnzimmer und sah die beunruhigenden Abendnachrichten, das Nein ihrer Großmutter im Ohr, die doch nur das Beste wollte für ihre Enkelin: sichergehen, dass ihr nichts passiert.
Natalia Kipshidze erinnert sich gut an diesen Tag im März vergangenen Jahres, die ersten Proteststunden in Tiflis. Acht oder neun Uhr am Abend war es. Sie also zu Hause, und ein paar Kilometer weiter im Zentrum Tausende Menschen, die vor dem Parlament gegen das „Agentengesetz“ der Regierung demonstrierten, das in ihren Augen kritische Stimmen zum Schweigen bringen soll. Es sind vor allem junge Menschen, die um ihre gesellschaftlichen Freiheiten und Georgiens Weg nach Europa fürchten. Kipshidze sah Bilder von Polizisten, die Tränengas versprühten, mit Wasserwerfern junge Menschen verscheuchten und Dutzende festnahmen.