Paradise Papers -
Die Schattenwelt des großen Geldes

So lief die SZ-Recherche

13,4 Millionen Dokumente, mehr als 380 Journalisten, ein Jahr Recherche: Fragen und Antworten zu den Paradise Papers

Von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer - 05. November 2017

Die Paradise Papers sind ein neues Datenleck, das der SZ zugespielt wurde. Es handelt sich um 13,4 Millionen Dokumente - etwa 1,4 Terabyte - von zwei Offshore-Dienstleistern, Appleby und Asiaciti Trust, sowie den Unternehmensregistern von 19 Steueroasen.

Woher kommt der Name Paradise Papers?
Dieses Mal spielte, anders als bei den Panama Papers, nicht ein Land die zentrale Rolle, sondern sehr viele Länder. Da es sich bei all diesen Orten um sogenannte Steuerparadiese handelt, entstand der Name Paradise Papers.

Woher kommen die Daten?
Die Unterlagen wurden der Süddeutschen Zeitung zugespielt. Aus Gründen des Quellenschutzes macht die SZ keine Angaben über Herkunft, Zeitpunkt und Abläufe.

Hat die SZ für die Daten Geld bezahlt?
Nein. Es floss weder Geld, noch gab es andere geldwerte oder sonstige Gegenleistungen. Die SZ bezahlt grundsätzlich nicht für Informationen.

Die Kanzlei Appleby sagt: Wir wurden gehackt. Stimmt das?
Die SZ kann diese Behauptung nicht überprüfen. Die SZ hat die Daten auf legale Art und Weise erhalten und diese journalistisch ausgewertet. An Spekulationen über die Herkunft beteiligt sich die Redaktion nicht.

Wie unterscheiden sich die Paradise Papers von den Panama Papers?
Sowohl durch den Ursprung als auch durch den Inhalt. Anders als bei den Panama Papers finden sich dieses Mal nicht nur Politiker, Superreiche oder Sportler in den Unterlagen, sondern auch zahlreiche multinationale Konzerne, die das Offshore-System nutzen. Zu den Kunden von Appleby gehören unter anderem Nike, Apple, Facebook, Walmart, die Allianz, Siemens, McDonald's und Yahoo.

Wieso konnten Medien aus aller Welt in den Daten recherchieren, die der SZ zugespielt wurden?
Die SZ hat die Daten - wie schon bei den Panama Papers - mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington geteilt, damit auch andere Medien sich der Recherche anschließen können. Die SZ alleine hätte all die Geschichten aus anderen Ländern weder finden noch recherchieren und veröffentlichen können. Über wichtige Geschichten wäre dann nicht berichtet, Skandale wären nicht aufgedeckt worden. Durch den kollaborativen Charakter der Recherche sind aus den Daten mehr und bessere Geschichten entstanden, und weitere werden entstehen.

Wie wurden die Paradise Papers ausgewertet?
Die Paradise Papers bestehen aus Dutzenden verschiedenen Dateiformaten: E-Mails, PDFs, Textdokumente, Bilder, Datenbankdateien. Um sich in diesem Wust aus Daten zurechtzufinden, setzte die Süddeutsche Zeitung wie schon bei den Panama Papers auf die Software Nuix, mit der auch internationale Ermittlungsbehörden arbeiten. Das Programm ermöglicht die einfache Suche in allen Datenbeständen und den Abgleich mit Listen wichtiger Personen und Firmen. Darüber hinaus stellte das ICIJ allen an der Recherche beteiligten Partnern die Daten auf einer eigens programmierten Rechercheplattform zur Verfügung. So konnten weltweit alle Journalisten rund um die Uhr parallel mit dem Material arbeiten.

Müssen mitrecherchierende Medien Geld bezahlen, um mitmachen zu dürfen?
Nein.

Was ist das ICIJ, und wie wird es finanziert?
Das ICIJ, gegründet 1997, ist eine gemeinnützige Organisation, die wie eine Art internationaler Verein für investigative Journalisten zu verstehen ist. Ihm gehören weltweit etwa 200 Journalisten an, darunter auch vier SZ-Reporter (Frederik Obermaier, Bastian Obermayer, Hans Leyendecker und Georg Mascolo). Das ICIJ gehörte bis zum Januar 2017 zum Center for Public Integrity (CPI), einer gemeinnützige US-Organisation für Investigativjournalismus. CPI und ICIJ werden über Spenden finanziert, in jüngster Zeit unter anderem von Stiftungen aus Australien, Großbritannien, den Niederlanden und den USA - darunter die Ford Foundation, die Adessium Foundation, die von George Soros gegründete Open Society Foundation; außerdem durch das Pulitzer Center on Crisis Reporting. Im Februar 2017 hat sich das ICIJ vom CPI gelöst und ist nun eine eigenständige gemeinnützige Medienorganisation.

Die SZ arbeitet seit Herbst 2012 mit dem ICIJ zusammen, etwa bei den Projekten Offshore Leaks, Luxemburg Leaks oder Swiss Leaks. Die Kolleginnen und Kollegen des ICIJ verfügen über hohe Expertise und große Erfahrung in der journalistischen Aufbereitung von Daten und der bisweilen komplizierten Koordination von internationalen Projekten. 2017 erhielt das ICIJ für die Panama Papers den Pulitzer-Preis.

Können die Spender des ICIJ - wie Milliardär George Soros - bei diesen Projekten mitreden oder gar entscheiden, was veröffentlicht oder eben nicht veröffentlicht wird?
Nein. Das ICIJ informiert seine Spender über die Art der geplanten Recherchen und von Fall zu Fall auch über das übergreifende Thema, nicht aber über die spezifische Recherche. Die mitrecherchierenden Partner - dieses Mal 97 Medien - sind vollkommen frei in der Auswahl ihrer Themen und Geschichten.

Tauchen auch Unterstützer oder Spender des ICIJ in den Paradise Papers auf?
Ja. Der Investor und Milliardär George Soros verwaltete über Appleby ein Netz von Offshore-Firmen, etwa auf den Britischen Jungferninseln oder auf den Bermudas. Das Konstrukt erweckt nicht den Anschein der Illegalität. Auf Anfrage wollte Soros dazu keinen Kommentar abgeben. Auch Ebay-Gründer Pierre Omidyar, dessen Stiftung vor einigen Monaten erst eine größere Summe an das ICIJ gespendet hat, ist Direktor einer Firma auf den Kaimaninseln, die ein Investmentvehikel für seinen Trust ist. Eine Sprecherin sagte, Omidyar melde sein Investment den Steuerbehörden an.

Bei den Panama Papers hatten einige Menschen den Eindruck, es seien relativ wenige Amerikaner in den Daten gewesen. Ist das diesmal anders?
Ja. Da meisten Kunden der Kanzlei Appleby kommen aus den USA. In den Daten tauchen auch viele wichtige US-Amerikaner auf, etwa Handelsminister Wilbur Ross, Außenminister Rex Tillerson, Ex-Ministerin Penny Pritzker oder Ex-General Wesley Clark.

Sind alle Personen und Firmen, die in den Paradise Papers auftauchen, kriminell?
Nein. Vieles, was die Dokumente belegen, ist legal - etwa, dass internationale Firmen ihre Gewinne über Tochterfirmen in Steueroasen kleinrechnen. Wer privat eine Offshore-Firma hat, sie dem Staat meldet und die Gewinne versteuert, hat - steuerrechtlich zumindest - in der Regel kein Problem.

Wenn das Einrichten und Halten von Briefkastenfirmen grundsätzlich zulässig ist, warum wird dann darüber berichtet?
Nur weil etwas legal ist, muss es noch lange nicht legitim oder unumstritten sein. Die Tatsache, dass den Staatshaushalten so gut wie aller Länder dieser Welt jedes Jahr Milliarden durch legale Steuervermeidung entgehen, ist von großem öffentlichen Interesse und rechtfertigt die Berichterstattung. Das fehlende Geld könnte etwa in Krankenhäuser, Schulen und Straßen investiert werden. Barack Obama sagte 2016 mit Blick auf die Panama Papers: "Es ist ein großes Problem, dass viele dieser Dinge legal sind - und nicht illegal."

Haben frühere Leaks etwas bewirkt?
Frühere Enthüllungen wie die Offshore Leaks (2013), Lux Leaks (2014), Swiss Leaks (2015) und die Panama Papers (2016) haben eine Diskussion angestoßen über die Gefahren, die von Steueroasen und undurchsichtigen Firmenstrukturen ausgehen. Zudem ging in zahlreichen Steueroasen die Zahl der neugegründeten Briefkastenfirmen zuletzt stark zurück. Besonders betroffen war Panama. Im Europäischen Parlament befassten sich mehrere Ausschüsse speziell mit den Lux Leaks sowie den Panama Papers. Grundsätzlich ist die Wirkung einer Recherche aber kein Gradmesser für ihre Güte - viele ausgezeichnete Recherchen bleiben ohne Folgen. Die Panama Papers haben aber eine Menge verändert. Zwei Premierminister mussten ihr Amt verlassen (in Island und Pakistan). Es gab seither einen EU-Untersuchungsausschuss und schärfere Gesetze in verschiedenen Ländern (auch in Deutschland). In Dutzenden Staaten laufen derzeit Ermittlungen gegen Eigentümer von Briefkastenfirmen. Das sind langwierige Untersuchungen. Auch weil die Taten oft schon verjährt sind, münden sie nicht immer auch in eine Verurteilung.

Wird die SZ die Paradise Papers den Behörden zur Verfügung stellen?
Die Süddeutsche Zeitung wird die Originaldokumente und -daten nicht der Allgemeinheit und auch nicht den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen. Allein schon aus Gründen des Quellenschutzes wäre dies nicht möglich. Es lässt sich nicht ausschließen, dass Spuren in den Daten zur Quelle führen: 2017 wurde in den USA die Identität einer Whistleblowerin aufgedeckt, weil ein US-Journalist eines ihrer Papiere nach außen gab. Die SZ ist außerdem nicht der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung, eine Zusammenarbeit würde gegen journalistische Prinzipien verstoßen. Dem Staat stehen ausreichend Mittel zur Verfügung, den hier aufgedeckten Missständen nachzugehen.

Wird die SZ die Namen aller Personen aus den Paradise Papers veröffentlichen?
Nein. Die SZ wird nicht alle Namen veröffentlichen, die in den Paradise Papers zu finden sind. Bei vielen Firmen und Privatpersonen, die in den Daten vorkommen, fehlt ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse. Ein solches kann vorliegen, wenn Firmen, auch auf legale Art, auf große Gewinne sehr geringe Steuern bezahlen, weil sie Offshore-Konstruktionen benutzen, und sich an solchen Fällen beispielhaft steuerliche Ungerechtigkeit oder allgemeine gesellschaftliche Missstände zeigen lassen. Ein öffentliches Interesse kann zudem insbesondere dann vorliegen, wenn es einen begründeten Anfangsverdacht gibt, dass eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens eine Straftat begangen hat, zum Beispiel Steuerhinterziehung. Die SZ und ihre deutsche Kooperationspartner NDR und WDR berichten nur über Fälle, bei denen ein besonderes öffentliches Interesse offenkundig ist.

Warum sind Informationen aus den Unternehmensregistern der 19 Steueroasen so wichtig?
In Unternehmensregistern wird festgehalten, wem eine Firma gehört. In vielen Steueroasen ist dies jedoch nicht öffentlich, oder aber die Register sind nur nach Firmennamen durchsuchbar, wie übrigens auch in Deutschland. Wer beispielsweise in Deutschland überprüfen will, ob ein Politiker alle seine Firmenbeteiligungen offengelegt hat, kann das nicht über den Namen des Politikers tun. Nur wer den Firmennamen weiß, kann überprüfen, wer dahinter steckt. Steuerhinterzieher können sich so relativ einfach verstecken, ebenso mit Sanktionen belegte Personen, Geldwäscher oder andere Kriminelle. In den geleakten Firmenregistern konnte nun nach allen möglichen Kriterien gesucht werden.

Warum sind Firmenregister nicht überall öffentlich?
Einige Länder, etwa Neuseeland, haben ihr Firmenregister auch nach Personen durchsuchbar gemacht. Viele andere Länder sperren sich weiterhin dagegen, auch Deutschland. Unternehmerlobbyisten argumentieren, dass völlige Transparenz die Besitzer von mittelständigen Unternehmen in Gefahr bringen würden, etwa weil Kriminelle versuchen könnten, sie zu erpressen oder zu entführen. Erfahrungen aus anderen Ländern deuten jedoch darauf hin, dass diese Furcht weitgehend unbegründet ist.

Welche Handelsregister sind Teil der Paradise Papers?
Die Register von Antigua & Barbuda, Aruba, den Bahamas, Barbados, den Bermudas, Kaimaninseln, Cookinseln, Dominica, Grenada, Labuan, Libanon, Malta, Marshallinseln, St. Kitts und Nevis, Saint Lucia, Saint Vincent, Samoa, Trinidad und Tobago, Vanuatu.

Was ist Appleby?
Appleby ist eine auf Steueroasen und Offshore-Geschäfte spezialisierte Kanzlei. Sie wurde in den späten 1890er-Jahren auf den Bermudas von Major Reginald Appleby gegründet und betreibt zahlreiche Büros in anderen Ländern, etwa auf der Isle of Man, den Kaimaninseln oder Mauritius.

Was ist Asiaciti Trust?
Asiaciti Trust ist ein Treuhandanbieter mit Hauptsitz in Singapur. Eine Spezialität ist die Gründung sogenannter Trusts.

Wurde über Teile der Paradise-Papers-Dokumente schon berichtet?
Erste Recherche-Ergebnisse aus den Daten des Unternehmensregisters der Bahamas wurden bereits im Herbst 2016 unter dem Schlagwort Bahamas Leaks veröffentlicht. Außerdem haben SZ und der WDR im Frühjahr 2016 auf Grundlage der geleakten Informationen aus Maltas Firmenregister berichtet - und unter anderem enthüllt, dass Deutschlands Finanzbehörden nur ein Bruchteil der Beteiligungen deutscher Bürger an maltesischen Firmen bekannt ist.

Das sind die Paradise Papers

Lesen Sie hier die komplette SZ-Recherche: Geschichten, die Konzerne, Politiker und die Welt der Superreichen erschüttern.

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