Auf der dunklen Seite

Im Darknet wird alles gehandelt, was illegal ist. Doch wie jagt man Täter, wenn sie sich nie zeigen?

Von Ronen Steinke und Hakan Tanriverdi, Illustrationen von Marc Herold

Am Abend des 8. Juni 2017, des kühlsten Tages eines heißen Sommers, bricht in der Karlsruher Südweststadt ein Rammbock durch eine Wohnungstür. Mit einem Krachen endet nicht nur das stumme Warten der Ermittler. Stundenlang haben sie in der Nähe auf der Lauer gelegen, auf einen Bildschirm gestarrt und gehofft, den Verdächtigen auf frischer Tat zu ertappen. Mit einem Krachen endet mutmaßlich auch der Aufstieg eines Phantoms, das sich „Lucky“ nannte. Innerhalb von vier Jahren soll er zu einer der wichtigsten Figuren im deutschsprachigen Darknet geworden sein, dieser den meisten Menschen unbekannten Parallelwelt, in der so viel mehr möglich ist als im echten Leben, in der so viel mehr möglich ist als im gewöhnlichen Internet. Die so viel entfesselter ist, und so viel abgründiger.

Die Spezialkräfte des Bundeskriminalamts stürmen seine Wohnung, gehen schnell und präzise vor, haben sich akribisch vorbereitet. Sie müssen unbedingt den Laptop sichern, genauer gesagt: den offenen Laptop, zugeklappt bringt er ihnen nichts, der Tatverdächtige muss noch eingeloggt sein. Sie wollen den Mann stellen, der sie zum Narren gehalten hat. Als das Phantom endlich vor ihnen steht, ergibt es sich sofort: Alexander U., ein 29 Jahre alter Informatikstudent. Breite Schultern, kantiges Gesicht, kurze, gegelte Haare.

Nicht nur die Ermittler, auch seine Freunde und seine Familie fragen sich: Was hat den unbescholtenen Studenten dazu getrieben, zu „Lucky“ zu werden, dem Mann, dem die Staatsanwaltschaft Mannheim vorwirft, im Darknet eine Plattform mit Millionenumsatz gegründet zu haben? Im Angebot hatten die Händler, die sich dort anmeldeten, Drogen, Falschgeld und Waffen bis zum Sturmgewehr. Mit einer dieser Waffen sollten neun Menschen ermordet werden, bei einem rechtsgerichteten Amoklauf in München 2016.

Der muskulöse Sunnyboy

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