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Wie eisig sind die Eisheiligen?

Tomatenpflänzchen und anderes junges Gemüse dürfen erst nach der Kalten Sophie ins Beet gesetzt werden. Ob diese alte Bauernweisheit stimmt, verrät ein Blick in die Wetterdaten.

12. Mai 2023 - 2 Min. Lesezeit

Die Eisheiligen waren schon immer mysteriöse Gestalten. Ihr Ursprung liegt in einem mittelalterlichen Eisnebel aus Aberglauben, Missernten und Märtyrer-Verehrung verborgen. Kaum jemand kann heute noch ihre Namen fehlerfrei aufsagen. Nein, es handelt sich nicht um den Eismann, die Bofrostfrau und die Mövenpickperson, sondern um Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia, deren Namenstage von 11. bis 15. Mai im katholischen Kirchenkalender verzeichnet sind.

Bei Landwirten und Hobbygärtnerinnen lösen die Eisheiligen seit jeher Zittern und Zähneklappern aus, weil sie die aufblühende Natur angeblich mit späten Bodenfrösten überziehen. „Pankrazi, Servazi und Bonifazi sind drei frostige Bazi“, heißt eine bayerische Bauernregel, „und zum Schluss fehlt nie die Kalte Sophie.“ Erst nach den Eisheiligen, heißt es, dürfen Tomatenpflänzchen und anderes Junggemüse ins Freibeet. Dabei haben die frühchristlichen Märtyrer keinen nachweisbaren Einfluss auf das Wetter, wie auch? Ihre Namenstage stammen aus der Zeit des Julianischen Kalenders, vor der gregorianischen Kalenderreform im Jahr 1582 waren die Eisheiligen elf Tage später. Ende Mai ist die Wahrscheinlichkeit für Frost noch geringer als Mitte Mai.

Das Auftreten der Eisheiligen ist dennoch kein unverfrorener Unsinn, sondern kulturhistorisch zu erklären: In der Kleinen Eiszeit vom 15. bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es in Mitteleuropa häufig sehr kalte, lange Winter, in vielen Landstrichen kam es zu Hungersnöten. Die Vegetationsperioden waren kürzer als heute. Wenn die Bauern zu spät aussäten, fiel die Ernte zu gering aus, wenn sie zu früh dran waren, erfroren die jungen Pflanzen. Als Faustregel galt: „Die Kalte Sophie macht alles hie“, deshalb wurde erst nach diesem Stichtag gesät und gepflanzt.

Um die Eisheiligen zu besänftigen, entzündeten die Menschen in Gärten und auf den Feldern früher Feuer. Der Rauch sollte sich schützend über die Blüten und Triebe legen, die Wärme der Flammen Frostschäden abmildern. Heutzutage lässt der Klimawandel die Durchschnittstemperaturen steigen. In den vergangenen Jahren war es Mitte Mai oft so warm und trocken, dass die Eisheiligen recht uncool geworden sind. Man müsste mittlerweile wohl eher von den Heißheiligen sprechen.

Die SZ hat Daten von 348 Wetterstationen für Mitte April bis Mitte Juni seit dem Jahr 1991 ausgewertet. Das Ergebnis, zu sehen in der Trendlinie in der Grafik, ist eine Binsenweisheit: Je weiter das Jahr fortgeschritten ist, desto seltener friert es.

Anteil der Wetterstationen mit Bodenfrost

Durchschnitt seit 1991 in Prozent

Mitte Mai kann es zwar noch Bodenfrost geben, zufällige Schwankungen sind auch in der Grafik zu erkennen. Aber ein systematischer Kälteeinbruch Mitte Mai findet nicht statt. Der Deutsche Wetterdienst bestätigt auf Anfrage: Die Eisheiligen existieren nicht.
Team
Text Titus Arnu
Daten und Erklärtext Sören Müller-Hansen
Grafik/Collage Julia Kraus
Digitales Design Felix Hunger
Redaktion Hannah Wilhelm, Nadeschda Scharfenberg, Anna Fischhaber