Schwerpunkt Zuversicht

Wo das Glück zu finden ist

Ein Sonnenaufgang, ein Kinderlächeln, eine Postkarte von einem Fremden: Die SZ hat ihre Leserinnen und Leser gefragt, was ihnen gerade in diesen krisenreichen Zeiten Freude bereitet.

Die gute Nachricht: Das Glücksempfinden ist trainierbar.

Schwerpunkt Zuversicht

Wo das Glück zu finden ist

Ein Sonnenaufgang, ein Kinderlächeln, eine Postkarte von einem Fremden: Die SZ hat ihre Leserinnen und Leser gefragt, was ihnen gerade in diesen krisenreichen Zeiten Freude bereitet.

Die gute Nachricht: Das Glücksempfinden ist trainierbar.

Von Max Fluder (Text) und Joana Hahn (Illustration)
30. April 2025 | Lesezeit: 5 Min.

Allein das bloße Vibrieren des Smartphones hat schon etwas Beunruhigendes. Kein Wunder, es brummt, und man liest von Donald Trumps nächster Volte. Es brummt, und man bekommt Bilder aus Gaza oder der Ukraine aufs Handy. Es brummt, und das nächste Jahrhunderthochwasser wird einem auf den Screen gespült.

Krisengeplagte Zeiten hat es schon immer gegeben, aber nie zuvor sind die Krisen aus aller Welt so geballt beim Menschen angekommen, in seiner Hosentasche. Weniger als die Hälfte der befragten Deutschen gaben kürzlich in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup an, positiv auf die nächsten Jahre zu blicken. Umso mehr stellt sich die Frage, was den Menschen gerade in diesen Zeiten, da so wenig gewiss ist, eigentlich noch Hoffnung gibt, Freude, ein gutes Gefühl.

Für diesen Text hat die SZ ihre Leserinnen und Leser gebeten, sich zu überlegen, was ihnen derzeit Glück spendet. Aus den Einsendungen veröffentlichen wir hier eine Auswahl.

Darüber, was Glück ist, lässt sich herrlich streiten. Ein schnelles Auto und ein Haus am Strand, sagen die einen. Liebe und Freundschaft, die anderen. Für Katharina Mattheis aus Kiel meint Glück etwas Flüchtiges: das Lachen ihres erst wenige Monate alten Sohnes. „Wir haben lange auf ihn gewartet, und beim letzten Versuch der künstlichen Befruchtung hat es schließlich geklappt.“

Katzen waren bei den Einsendungen auch dabei, sogar mehrmals. Bei Diandra Linnemann aus Bonn sind es gleich zwei, Kater Kurt und Katze Mara. Beide adoptierte sie aus dem Tierheim. Sie sagt: „Egal, wie abgedreht die Weltlage ist und egal, wie anstrengend der Arbeitstag: Hinter der Wohnungstür warten zwei Tigerchen darauf, dass mit ihnen gespielt und geschmust wird.“

Anke Schilling aus Solingen findet Glück in Postkarten, die sie von Fremden bekommt. Sie sei Teil der sogenannten Postcrossing-Community, erzählt sie, bei der Menschen aus der ganzen Welt einander Kärtchen zuschicken und mit persönlichen Nachrichten versehen. „Es hat mich wirklich umgehauen, wie toll, freundlich, aufmerksam, rührend und verbindlich die Menschen, die da mitmachen, sind.“ Sich derzeit etwa mit Menschen aus den USA auszutauschen, gemeinsam dem Frust und manchmal auch der Wut über die Weltlage Raum zu lassen, das tröste sie. „Ich kann nach zwei Jahren sagen, dass ich überzeugt bin, dass die meisten Menschen auf dieser Welt gut sind.“

Aber mal ganz generell: Was ist Glück eigentlich? Und wie kommt es zustande?

„Glück ist zunächst erst mal ein Gefühl“, sagt Neurowissenschaftler Tobias Esch von der Uni Witten. Doch deshalb solle man seine Bedeutung keinesfalls unterschätzen. Es basiere, wie andere Gefühle auch, auf neurobiologischen Prozessen. Glück ist laut Esch aber nicht nur emotional, sondern auch kognitiv. Das, was einem in den Kopf kommt und das man für gut befindet, wenn man ganz grundsätzlich über den eigenen Zustand, das Leben insgesamt nachdenkt. „Letztendlich ist Glück alles, was mir das Gefühl vermittelt, lohnenswert zu sein“, sagt Esch. „Dinge, für die es sich lohnt, morgens aufzustehen.“

Für Constanze Kraft aus Kassel sind Kinder das größte Glück. Ihre Tochter und ihr Sohn seien nun erwachsen, erzählt sie – und so mache sich auch ein Gefühl der Erleichterung bei ihr breit. „Alleinerziehend war vieles schwer und manchmal auch zu schwer.“ Beide stünden jetzt aber kurz vor dem Start ins Erwachsenenleben und hätten schon einiges richtig gemacht.

Auch die Natur ist immer wieder ein Motiv, wenn es um Glück geht, um Entspannung und Auszeit. Pauline Hoppe aus Köln sagt: „Mit Freunden am Rhein in der Sonne sitzen und lachen“ oder „bei Sonnenaufgang durch die Stadt spazieren“, mehr brauche es manchmal nicht.

Christine Patillot erzählt nicht von Natur, sondern ganz konkret von einem Bauwerk, das ihr Freude brachte. Patillot wohnt im französischen Tours und besuchte bei einer Parisreise die jüngst renovierte Notre-Dame-Kathedrale. Spontan habe sie noch für denselben Tag eine Reservierung ergattert, sagt sie. „Es war unbeschreiblich schön und berührend.“ Manchmal kann Glück so einfach sein.

Auffällig selten geht es, wenn man Menschen nach ihrem Glück fragt, um Geld. Das sei auch nur konsequent, sagt Karlheinz Ruckriegel, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der TH Nürnberg. Jahrzehntelang hat er sich mit der Frage beschäftigt, was Menschen wirklich glücklich macht. „Ein Einkommen zur Abdeckung der wesentlichen materiellen Bedürfnisse ist sicher existenziell“, sagt er. Aber sobald ein bestimmtes Einkommen überschritten sei, nehme die Zufriedenheit praktisch gar nicht mehr zu. „Man passt sich – wie in so vielen anderen Situationen – dann seinen Lebensumständen an.“

Glück ist trainierbar

Eine optimistischere Herangehensweise ans Leben sei sogar trainierbar, sagt Ruckriegel. Er empfiehlt, ein Dankbarkeitsbüchlein zu führen, in dem regelmäßig notiert wird, was einem Glück gebracht hat. Und vielleicht ist das die schöne Erkenntnis: Glück ist etwas, das man zumindest teilweise lernen kann. Natürlich habe das Glücksempfinden auch etwas mit den Genen zu tun, sagt Neurowissenschaftler Esch. „Der weit größere Teil jedoch liegt daran, welche Schlüsse wir aus dem ziehen, was wir erleben.“

Carola Wehrle aus München freut sich nicht nur darüber, was sie selbst erlebt, sondern was sie bei anderen beobachtet. An einer Berufsfachschule gibt sie Kurse für angehende Pfleger. Schon gut fünf Monate im Voraus seien dieses Jahr alle Plätze belegt worden. Die vielen jungen Menschen, „die sich beruflich für andere Menschen engagieren möchten“, das mache sie glücklich.

Nico Ofczarek aus dem Rheinland sagt etwas Ähnliches. Er arbeitet für die DKMS, ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei, und zu sehen, wie Menschen komplett Unbekannten Stammzellen spenden, das mache ihm ganz persönlich, nicht nur beruflich, sondern als Privatmensch Hoffnung. „Ich sehe jeden Tag, wie stark Menschen von Uneigennützigkeit motiviert für andere in Not einstehen“, sagt er.

Für Felix Wolf aus Kassel wiederum ist Glück etwas ganz anderes: „Glück ist für mich, mit meinen Bands Songs zu schreiben, Konzerte zu spielen.“ Vor gut sieben Jahren gründete er zusammen mit zwei Freunden eine Rock-Band, sie nennen sich Basalt. Dabei noch andere Musikerinnen und Musiker kennenzulernen, das sei ebenfalls Teil des Glücks.

Was also macht letztlich glücklich? Zentral sind laut Ruckriegel soziale Beziehungen, die eigene Gesundheit, Engagement und das Gefühl, etwas Sinnvolles in der Welt zu tun. Eine gewisse Freiheit und die Einstellung zum Leben, auch das spiele eine Rolle. Etwa die individuelle Antwort auf die Frage, ob das Glas nun halb voll oder halb leer sei. Entscheidend sei aber vor allem der gescheite Umgang mit einer Sache, die den Glücksfaktoren noch einmal vorgelagert sei: „Die knappe Ressource, von der so vieles abhängt, ist unsere Zeit.“

Projektteam
Text Max Fluder
Digitales Design & Storytelling Joana Hahn
Redaktion Moritz Geier
Schlussredaktion Marika Reichenberger

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