Warum der FC Bayern in Grün aufläuft
SZ: Zum Heimspiel gegen den VfL Bochum an diesem Samstag wird der FC Bayern in einem besonderen Trikot auflaufen: einem grünen. Um das Vereinswappen rankt sich goldener Lorbeer, die Stutzen zieren Rauten. Das Ganze soll den Trachtenlook nachahmen, weil ohne Corona an diesem Samstag das Oktoberfest begonnen hätte. Sie sind ein Trikotfachmann. Was ist Ihnen als Erstes eingefallen, als Sie das gesehen haben?
Stefan Appenowitz: Merkwürdig.
Warum?
Naja, das Oktoberfest fällt ja dieses Mal wieder aus. Ich hätte es passender gefunden, im nächsten Jahr mit so einem Trikot zu kommen, wenn es die Wiesn nach zwei Jahren Pause wohl wieder gibt. Da aber Trikotprojekte in der Regel einen langen Vorlauf von zwölf bis 18 Monate haben, kann es natürlich sein, dass man auf eine Wiesn 2021 gehofft hatte.
Seit wann gibt es solche Sondertrikots überhaupt?
Das Erste mir Bekannte in der Bundesliga kam am letzten Vorrunden-Spieltag der Saison 1992/93 zum Einsatz. Damals verzichteten alle Bundesligisten auf die Werbung ihrer Sponsoren und zeigten stattdessen die Zeile „Mein Freund ist Ausländer“, um ein Zeichen zu setzen nach den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen. Inzwischen erlauben die Regularien zweimal pro Saison Abweichungen von den Standardkleidern. Der 1. FC Köln nutzt das gerne zu Karneval, um etwas Besonderes vorzuführen. Darüber hinaus darf es zum Beispiel für karitative Zwecke, zur Mitgliederwerbung oder für ein Vereinsjubiläum eingesetzt werden. Wenn jedoch der VfL Wolfsburg oder der FC Bayern mitunter neue Produkte aus dem Sortiment ihrer Sponsoren VW oder Telekom in den Blickpunkt stellen, ist so ein Wechsel des Werbemotivs einmal in der Spielzeit möglich. Mit dem neuen Schriftzug wird dann jedoch im Gegensatz zum Sondertrikot, das ja nur einmal getragen wird, über mehrere Spieltage gespielt.
Bayern-Spieler in Grün sind ein ungewöhnlicher Anblick. Gefällt er Ihnen?
Ich bin Gladbach-Fan. Die Farbe passt also schon mal. Wobei das natürlich eher ein Trachtengrün ist. Was ich jedoch mit Sicherheit sagen kann: Aus Sammlersicht werden Sondertrikots mittlerweile immer öfters kritisch gesehen.
Wieso?
Sie tragen zur Trikotinflation bei. Früher gab es ein Heim- und ein Auswärtstrikot. Dazu kommen noch die Ausweichtrikots, die jeder Klub haben muss, um bei Vereinen mit ähnlichen Farbkombinationen spielfähige Kleidung dabei zu haben. Bei einigen Klubs gibt es zudem noch ein Trikot für die internationalen Wettbewerbe. Das geht dann ganz schön ins Geld, wenn man sammelt.
Ihr Buch „Bundesliga-Trikots. 1963 bis heute“ durchleuchtet das Thema intensiv. Welche Designprinzipien konnten Sie erkennen?
In der Regel ist es so: Das Heimtrikot ist in den klassischen Vereinsfarben gehalten, das Auswärtstrikot greift dann oft die Komplementärfarben dazu auf. Bei den Ausweichtrikots oder den internationalen Trikots wagen die Klubs und Ausrüster dann eher mal Experimente.
Wie der FC Bayern mit dem neuen Champions-League-Shirt mit dem wilden Ornament, das an Bergzacken erinnern soll?
Genau. Mir gefällt es. Ich weiß aber auch, dass es andere nicht mögen.
So gewagt ging es in München und Umgebung selten zu – und das, obwohl es hier einst sogar drei Bundesligaklubs gleichzeitig gab: den FC Bayern, den TSV 1860 und die Spielvereinigung Unterhaching.
Unterhaching war nicht lange genug in der ersten Liga, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Trikots kleinerer Klubs kommen meist aus dem Katalog, um den Aufwand für die Ausrüster überschaubar zu halten. Bei den Löwen aber hat es schon einige Entwürfe gegeben, die in Erinnerung geblieben sind. Immer noch beliebt ist das blau-weiß gestreifte Leibchen aus der Rückrunde der Spielzeit 1994/95, das das Vereinswappen riesig zeigte. Dazu der Sponsor Löwenbräu. Da passte einfach vieles.

Beim Ideenreichtum liegen die Löwen also vor den Bayern?
Ich würde sagen „ja“, wobei es dafür einen naheliegenden Grund gibt: Bei ihnen wechselte der Ausrüster oft – und jeder tritt mit anderen Ideen an. Der FC Bayern wird ja ewig schon von Adidas ausgestattet.
Löwen und Löwenbräu – das passte. Gibt es Beispiele, wo sich Sponsor und Klub weniger glücklich fügten?
Kärcher und Schalke: Die Hausfarben des Sponsors sind Gelb-Schwarz, wie beim Schalker Rivalen aus Dortmund. Dem Wunsch nach gelb-schwarzen Auswärtstrikots konnte man da natürlich nicht nachkommen.
Wie schlagen sich die deutschen Klubs im internationalen Vergleich? Gibt es in Spanien oder in Italien andere Phänomene?
Ja. Dort gibt es Klubs, deren Trikotgestaltung unverrückbar feststeht. Der FC Barcelona tritt immer in blau-roten Streifen an, Inter Mailand in blau-schwarzen, Juventus Turin in weiß-schwarzen. Da ist das Signal gleich klar. So ein Markenzeichen hat in Deutschland nur ein Klub: der VfB Stuttgart mit seinem roten Brustring.