Oktoberfest-Chronologie

Skandale, Brände - und das schlechteste Anzapfen aller Zeiten

Seit 1810 hat sich die Münchner Wiesn zum größten Volksfest der Welt entwickelt, das oft kopiert wird - doch es kann nur eines geben.

4. Oktober 2023 - 8 Min. Lesezeit

Bereits das erste Oktoberfest war ein Fest fürs Volk. Eigentlich wurde im bayerischen Königshaus geheiratet - doch die Bürger sollten auch ihren Spaß haben. Den haben sie nun seit mehr als 200 Jahren.

Die Chronologie einer rauschenden Feier, an der schon längst nicht mehr nur Bayern ihre Freude haben.

1810

Das erste Oktoberfest

Am 17. Oktober 1810 findet zur Hochzeit des königlichen Brautpaares Kronprinz Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen das erste Pferderennen und damit der Vorläufer zum Oktoberfest auf der Theresienwiese statt, damals noch am Stadtrand. Der Name für diese "Wiese" wird von der Braut übernommen und lautet seither Theresienwiese.

1811

Landwirtschaftsfest

Ein Jahr nach der Premiere sind sich alle einig: Das Fest soll weiterhin stattfinden. Veranstalter ist diesmal der „Landwirtschaftliche Verein in Bayern“, der Fest und Pferderennen zur Präsentation bäuerlicher Leistungen nutzt. Noch heute findet das „Bayerische Zentral-Landwirtschaftsfest“ (ZLF) im Turnus von vier Jahren im Südteil des Areals statt.

1813

Der erste Ausfall

1813 kann das Oktoberfest wegen der napoleonischen Kriege das erste Mal nicht stattfinden.

1818

Das erste Karussell

1818 werden erstmals ein Karussell und zwei Schaukeln aufgestellt – ein bescheidenes Angebot an allgemeinen Vergnügungen während der frühen Jahrzehnte.

1819

Die Stadt übernimmt

Zunächst fand die Wiesn als privat finanzierte Veranstaltung statt, bis 1819 die Münchner Stadtväter die Sache in die Hand nehmen. Von nun an soll das Oktoberfest jedes Jahr und ohne Ausnahme gefeiert werden, unter Leitung der Stadt München. Immer mehr Buden und Karusselle kommen dazu, was der Wiesn nach und nach zu ihrem Volksfestcharakter verhilft.

1850

Enthüllung der Bavaria

1850 gibt es wieder richtig was zu feiern: Die Wächterin über das Oktoberfest und ganz Bayern, die Statue der "Bavaria", wird enthüllt und ein Teil der Ruhmeshalle eingeweiht.

In den Folgejahren muss das Oktoberfest abermals pausieren, wegen Cholera-Epidemien und Kriegen.

1881

Die erste Hendlbraterei

Die nächste Geburtsstunde: Die erste Hendlbraterei wird eröffnet und das mittlerweile traditionelle Wiesnhendl an die hungrigen Besucher verkauft. 2019 waren es 434 998 Stück.

1886

Die Erleuchtung - und erste Bierzelte

Im späten 19. Jahrhundert entwickelt sich das Oktoberfest immer mehr zu dem Fest, wie wir es heute kennen. Elektrisches Licht erleuchtet die Buden und Karusselle, immer mehr Schausteller fühlen sich von dem Rummel angezogen und die Brauereien errichten aufgrund immenser Nachfrage große Bierzelte mit Musikkapellen anstelle der kleinen Bierbuden.

1887

Brand auf der Wiesn

Auch früher gab es schon eine Art Weinzelt: die "Pfälzische Weinbude“. Eine umgefallene Petroleumlampe setzt sie am 27. September in Brand, das Feuer erfasst weitere Buden. Wein-Wirt Julius Frey kommt darin ums Leben.

1906

Turm-Attraktion Toboggan erstmals auf dem Oktoberfest

Der Badener Anton Bausch hat das Rutschen-Spektakel wohl bei der Weltausstellung in Paris erspäht und lässt es für das Fest in München nachbauen.

1910

Die Wiesn wird 100

Breznverkäuferinnen im Jahr 1908
Breznverkäuferinnen im Jahr 1908

Zum 100. Geburtstag der Wiesn werden in der Pschorr-Bräurosl, dem damals mit 12 000 Plätzen größten Festzelt, 12 000 Hektoliter Bier ausgeschenkt. Immer mehr, immer neuere und aufregendere Fahrgeschäfte werden inzwischen auf der Theresienwiese aufgebaut.

ab 1914

Weltkriege und Wirtschaftskrisen stoppen die Wiesn

Das Oktoberfest fällt während des Ersten und Zweiten Weltkrieges sowie in der Zeit der großen Inflation in den 1920er-Jahren und in den Nachkriegsjahren aus. Bisweilen wird es durch kleinere Herbstfeste ersetzt.

1949

Es geht weiter

In diesem Jahr findet das erste richtige Oktoberfest nach dem Krieg statt. Der berühmte Löwenbräu-Löwe brüllt zum ersten Mal. Die Mass Bier kostet zwei Mark.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Tradition der Pferderennen nicht wieder aufgenommen - nur zum 150. Jubiläum im Jahr 1960 und zum 200. Jubiläum im Jahr 2010 treten die Reiter nochmal gegeneinander an.

1950

„Ozapft is“

1950 zapft erstmals der Münchner Oberbürgermeister Thomas Wimmer das Oktoberfestfass im Schottenhamel an. Und stellt gleichzeitig einen nicht sehr schmeichelhaften ewigen Rekord auf: Mit angeblich 17 Schlägen ist es nicht nur der erste, sondern auch der schlechteste Anstich der Wiesn-Geschichte.

Seither ist es Tradition, dass der Oktoberfest-Anstich durch den Oberbürgermeister erfolgt, mit den Worten "Ozapft is". Und das mit möglichst wenigen Schlägen.

1979

Riesenrad der Familie Willenborg erbaut

Es dreht noch immer seine Runden: Das 50 Meter hohe Riesenrad wird 1979 errichtet.

1980

Das Attentat

Am 26. September 1980 explodiert eine Bombe am Haupteingang des Oktoberfestes, 13 Menschen werden dabei getötet und über 200 Besucher verletzt. Unter den Opfern ist der Attentäter Gundolf Köhler selbst.

Das Oktoberfest-Attentat gilt als einer der schlimmsten Anschläge in der deutschen Geschichte.

2002

„Glöckle-Wirt“ brennt ab

Bei dem Großbrand wird das Festzelt am frühen Morgen völlig zerstört, Wirt Hanns-Werner Glöckle steht vor einem Trümmerhaufen. Der große Nachbar Schottenhamel übernimmt die Fläche für den Biergarten. Inzwischen ist der "Glöckle-Wirt" schon längst wieder zurück auf der Wiesn: Es bleibt das kleinste Zelt mit nur 90 Plätzen.

2005

Die „ruhige Wiesn"

Immer mehr entwickelt sich das Oktoberfest zum Bierfest. Popmusik, Schlager und das Tanzen auf Bierbänken prägen die Festzeltstimmung. Damit das Oktoberfest nicht völlig zum "Ballermann" verkommt, wird 2005 die "ruhige Wiesn" eingeführt: Festzeltwirte werden dazu angehalten, erst von 18 Uhr an Partymusik zu spielen und davor bei bayerischer Blasmusik zu bleiben. So soll das Volksfest auch für Familien und ältere Gäste attraktiv bleiben.

2010

Die „Oide Wiesn“

Zum 200. Jubiläum findet auf dem Südteil der Theresienwiese zusätzlich eine historische Wiesn statt, die an vergangene Zeiten erinnern soll. Es gibt ein gemütliches, familienfreundliches Festzelt, ein reiches Kulturprogramm, alte Karusselle und Pferderennen wie in den Anfangsjahren.

Das stößt auf so großen Anklang, dass sie ab sofort als "Oide Wiesn" zum festen Bestandteil wird. Nur alle vier Jahre muss sie Pause machen, wenn das Landwirtschaftsfest den Platz braucht.

2014

Hippodrom muss nach Steuerskandal schließen

Da Wirt Sepp Krätz vor Gericht zugibt, etwa 1,1 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben, entzieht ihm die Stadt München die Konzession - das Aus für das traditionelle Hippodrom nach 111 Jahren auf dem Oktoberfest.

Das große Festzelt hatte seine Anfänge 1902 als Reitbahn. Statt ins Hippodrom gehen die Gäste nun ins Marstall-Zelt von Wirt Siegfried Able.

2016

Der Zaun

Die Stadt verschärft die Sicherheitsvorkehrungen für das Oktoberfest 2016 drastisch, aus Furcht vor Anschlägen nach dem rechtsextremen Attentat am Olympia-Einkaufszentrum in München und islamistischen Anschlägen in ganz Europa.

Das Festgelände wird komplett abgeriegelt, Rucksäcke und schwere Taschen sind verboten. An den Eingängen werden Personen stichprobenartig mit Metalldetektoren kontrolliert.

2019

Ungeduldiger Oberbürgermeister

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kann es offenbar nicht schnell genug gehen. Während die Gäste im Schottenhamel noch die letzten Sekunden herunterzählen, hat Reiter schon kurz vor 12 Uhr das erste Fass angezapft - gekonnt mit zwei Schlägen.

Bereits am ersten Wochenende kamen Schätzungen zufolge mehr als eine Million Besucher auf die Theresienwiese - 200 000 mehr als im Jahr zuvor.

Jährlich zieht das inzwischen größte Volksfest der Welt etwa sechs Millionen Besucher an, die bis zu sieben Millionen Mass konsumieren. Gäste kommen nicht nur aus den Nachbarländern Italien (das zweite Wochenende ist traditionell das "Italiener-Wochenende", bei dem die Gäste aus dem Süden besonders zahlreich sind), Österreich und Holland, sondern vor allem auch aus den USA, aus Japan und Australien.

2020

Keine Wiesn (I)

Gemeinsam verkünden Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Oberbürgermeister Dieter Reiter, was schon länger vermutet wurde: Das Oktoberfest findet wegen der Corona-Pandemie nicht statt. Das habe man gemeinsam beschlossen.

Das Risiko in Corona-Zeiten sei „schlicht und einfach zu groß“, sagt Söder. Man könne auf dem Festgelände nicht genug Abstand halten und auch das Tragen eines Mundschutzes sei dort keine Option.

2021

Keine Wiesn (II)

Wieder treten Dieter Reiter und Markus Söder im Frühjahr vor die Medien, wieder mit der schlechten Nachricht: Die Pandemie lasse "das größte und das internationalste Volksfest der Welt" nicht zu. Die Verantwortung für die Gesundheit der Bürger sei schlicht höher zu gewichten "als das berechtigte und auch nachvollziehbare Interesse der Bevölkerung" an einem Volksfest, sagt Oberbürgermeister Reiter.

Die abermalige Absage kommt ob hoher Ansteckungszahlen nicht überraschend.

2022

Es wird wieder gefeiert

Nach fast drei Jahren ohne Oktoberfest eröffnet Oberbürgermeister Dieter Reiter die Wiesn beim offiziellen Anzapfen im Schottenhamel-Festzelt - mit drei Schlägen. Leicht fiel ihm die Entscheidung für die Wiesn im April 2022 nicht angesichts steigender Coronazahlen sowie Krieg in der Ukraine samt Energiekrise. Die Bilanz am Ende: Es kamen deutlich weniger Besucherinnen und Besucher, es wurde weniger Bier getrunken.

2023

Die Rekord-Wiesn

Sogar 18 Tage lang feierten die Menschen auf der 188. Wiesn, denn der Feiertag am 3. Oktober lag günstig nah am Wochenende: 7,2 Millionen Besucher kamen zur "Schönwetter-Wiesn" und damit so viele wie schon seit fast vier Jahrzehnten nicht mehr. Die Wirte schenkten mit 6,5 Millionen Litern etwas weniger Bier aus, dafür ist die Nachfrage nach Alkoholfreiem gestiegen - etwa 50 Prozent mehr wurde bestellt. In einigen Zelten ging sogar kurzzeitig das Wasser aus.

Team
Text Birgit Kruse, Katja Schnitzler
Digitales Storytelling Katja Schnitzler