Münchner Liebesgeschichten

„Er öffnete die Tür. Und da stand sie“

Von lustigen Zufällen und dramatischen Wiedersehen nach Jahren: zehn Geschichten, wie Menschen in München ihre große Liebe fanden.

Protokolle von Anne Eberhard
8. Dezember 2023 - 8 Min. Lesezeit

Ein Paket führt zur großen Liebe, nach Jahren im Trachtenverein funkt es plötzlich, im Bewerbungsgespräch sitzt der Traummann gegenüber: In München gibt es viele schöne Geschichten, wie sich zwei Menschen gefunden haben – von lustigen Zufällen bis zum Wiedersehen nach Jahren. 

Wir haben uns auf die Suche nach ganz besonderen Begegnungen gemacht. Neun Paare erzählen, wie sie zueinandergefunden haben.

„Wir trafen uns zufällig am Bahnsteig“

Johannes Scholz-Adam, 40, mit Katharina: „Im Dezember 2002 bin ich mit dem Bayernticket von München nach Nürnberg gefahren, um einen Freund zu besuchen. Die Fahrkarte teilte ich mir mit vier anderen jungen Leuten: Wir trafen uns zufällig am Bahnsteig und wer in dieselbe Richtung musste, teilte sich ein Ticket. Mit dabei war eine junge Frau in meinem Alter, die auch nach Nürnberg wollte. 

Während der Zugfahrt haben wir uns gut unterhalten und weil wir am Sonntag darauf beide mit dem Zug zurück nach München wollten, tauschten wir Handynummern aus. Aus einer SMS-Freundschaft folgte das, was man wohl als Freundschaft plus bezeichnen könnte. 

Nach zwei Jahren verloren wir uns aus den Augen. Im Dezember 2006 trafen wir uns zufällig wieder, in einer Vorlesung für Neue Deutsche Literatur. 2014 haben wir geheiratet, gerade erwarten wir unser drittes Kind.“

„Ohne die laute Silvesterparty hätten wir uns wohl nie kennengelernt“

Andrea W., 51, mit Walter: „Als ich 28 Jahre alt war, habe ich in einer Beamtenwohnung in Neuhausen gewohnt. Rechts neben mir wohnte ein Nachbar, den ich nicht kannte, und der an Silvester eine riesige Party veranstaltete. Die Tür war ausgehängt, mehr als 30 Menschen tanzten in der Wohnung. Ich wollte am nächsten Morgen in den Gottesdienst gehen, streifte mir etwas über meine Schlafklamotten und ging wütend zu ihm. Ich wusste nicht, wie der Wohnungsinhaber aussah und ging verärgert in meine Wohnung zurück. 

Keine zwei Minuten später klingelte es. Vor mir stand ein junger Mann mit zwei Sektgläsern. Ich fuhr ihn an, dass ich aufgrund der Ruhestörung die Polizei rufen werde. Die lapidare Antwort: „Die steht schon vor dir!“ Er war selbst Polizist, lud mich dann zur Feier ein und ich nahm an. 

Dort lernte ich Walter kennen, den WG-Genossen eines Schulkameraden des Gastgebers. Wir saßen in der Küche auf dem Boden und redeten noch, da war die Party längst vorbei. Seit 21 Jahren sind wir nun verheiratet, wir haben zwei Kinder. Mein Mann wohnte jahrelang knapp 50 Meter entfernt. Ohne die laute Silvesterparty hätten wir uns wohl nie kennengelernt.“

„Dass so eine Blödelei an der Isar so ernst werden könnte“

Nina, 33, mit Deniz: „Kennengelernt haben wir uns 2011, in unserer Abiturklasse an der Berufsoberschule. Nach unserer letzten Prüfung feierten wir alle gemeinsam an der Isar. Aus Spaß fragte mich Deniz, ob ich schafkopfen könne. Wenn ja, mache er mir sofort einen Heiratsantrag. Das konnte ich nicht, doch als wir alle auf unseren Abi-Shirts unterschrieben, trieben wir den Spaß weiter: „Ehemann Deniz“ und „Ehefrau Nina“ schrieben wir darauf. 

Einige Monate später verloren wir uns aus den Augen, studierten in verschiedenen Städten und sahen uns zehn Jahre nicht mehr. Deniz kehrte 2020 nach München zurück, ich etwa zwei Jahre später. Ich war eines Sonntags auf Tinder unterwegs, als mir Deniz vorgeschlagen wurde. Wir tauschten uns über die vergangenen Jahre aus und freundeten uns an. 

Acht Monate nach unserem Wiederfinden küssten wir uns zum ersten Mal. Übers Heiraten haben wir schon gesprochen und finden es immer noch spannend, dass so eine Blödelei an der Isar so ernst werden könnte. Schafkopfen kann ich aber übrigens immer noch nicht.“

„Und da stand sie. Ein unglaublicher Moment für mich“

Norbert Ruschke, 69: „Vor einigen Jahren bin ich auf dem Jakobsweg durch die Pyrenäen gepilgert. Es war das zweite Mal, dass ich mich als Rentner aufmachte, einen Monat lang 800 Kilometer zu wandern. Die erste Übernachtung hatte ich nicht gebucht, aber ich fand eine Herberge mit einem freien Bett. Der Herbergsvater brachte mich zum Schlafsaal und öffnete die Tür. 

Und da stand sie. 

Ein unglaublicher Moment für mich. In den nächsten Tagen waren wir viel zusammen unterwegs. An einem dieser Tage war es heiß und schwül und ein Gewitter brach über uns herein. Acht Kilometer bis zur nächsten Unterkunft lagen vor uns, wir mussten über freies Feld laufen. Zum Abendessen saßen wir gemeinsam am Tisch und vor Erleichterung tropften uns die Tränen in den Salat. An diesem Abend habe ich mich entschieden. Für sie. 

Es gab noch einige Höhen und Tiefen, aber jetzt sind wir seit mehr als fünf Jahren ein Paar. Ich komme aus der Nähe von Aachen, zwei Drittel meiner Zeit verbringe ich mit meiner Lebensgefährtin in Pullach.“

„Er machte nur mit, um mit mir zu tanzen“

Veronika Moll, 33, mit Markus: „Markus und ich kennen uns von Kindesbeinen an. Wir sind beide unser Leben lang in befreundeten Trachtenvereinen aktiv, er in Ismaning, ich in München. Wir kannten uns nicht gut, aber schon mit neun Jahren, bei der jährlichen Veranstaltung für Kinder, hielt ich nach Markus Ausschau. Mit 13 Jahren probten wir gemeinsam für eine Jubiläumsveranstaltung. Später erzählte mir Markus, dass er als Jugendlicher nur mitmachte, um mit mir zu tanzen – das wusste ich zu dem Zeitpunkt aber nicht. 

Fünf Jahre später war das nächste Jubiläum, wieder probten wir gemeinsam. Irgendwann haben wir uns dann doch verabredet. Wir gingen zusammen ins Kino, aber nichts ist passiert. Bis ich sagte: 'Entweder du küsst mich jetzt oder ich geh.' Tja, hat funktioniert. 

Wir sind seit 14 Jahren ein Paar, seit vier Jahren verheiratet, im März erwarten wir unser zweites Kind. Unsere Tochter tanzt übrigens auch schon fleißig im Trachtenverein mit.“

"Ich habe mich schnell verknallt, aber nie getraut, ihm das zu zeigen“

Rachel Backes, 29, mit Manu: „Ich habe im Bahnwärter Thiel eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Über den Sommer war der Club in der 'Pause' und ich war stattdessen für die Minna Thiel zuständig. 2017 führte ich mein erstes Bewerbungsgespräch für eine Barkeeper-Stelle. Im Gespräch saß mir Manu gegenüber, ein Typ mit Humor und einer tollen Ausstrahlung. Manu wurde eingestellt und ich habe mich schnell verknallt, aber nie getraut, ihm das zu zeigen. 

Irgendwann waren wir beide in anderen Beziehungen und es entwickelte sich eine enge Freundschaft. Als ich im Sommer 2018 meine Ausbildung abschloss, lud er mich zum Abendessen ein. Wir saßen bis fünf Uhr auf seinem Balkon und redeten und hörten Musik, bis die Nachbarn sich beschwerten. Kurz darauf wurden wir ein Paar, aber nach einem frisch verliebten Sommer bekam er kalte Füße. 

Wir trennten uns und blieben Freunde. Im Jahr darauf waren wir auf einem Konzert des Künstlers, den wir bei unserem Abendessen auf dem Balkon rauf und runter gehört hatten. Da war es wieder um uns geschehen. Seitdem sind wir unzertrennlich.“

„Ich ging in meinem Winnie-the-Pooh-Schlafanzug ein Stockwerk höher, um mein Paket abzuholen“

Jana, 30, mit Ryan: „Ryan und ich wohnten im selben Haus in Giesing, ich im dritten Stock, er im vierten. Ich lebte dort seit etwa zwei Jahren, Ryan seit zehn Monaten, aber wir waren uns nie über den Weg gelaufen. Bis er ein Paket für mich annahm. Es war an einem Abend während der Pandemie 2020 und ich hatte nichts vor. Also ging ich in meinem Winnie-the-Pooh-Schlafanzug ein Stockwerk höher, um mein Paket abzuholen. 

Ryans Mitbewohner kannte ich von früher, wir hatten zusammengearbeitet. Er bat mich herein und ich setzte mich auf die Couch. Ryan kam dazu und aus der kurzen Paketabholung wurden eineinhalb Stunden. Am nächsten Tag schrieb mir mein ehemaliger Arbeitskollege eine SMS: „Mein Mitbewohner fand dich toll, kann ich ihm deine Nummer geben?“ Ich sagte ja. 

Seit drei Jahren sind wir ein Paar, seit eineinhalb Jahren wohnen wir nicht mehr auf verschiedenen Etagen, sondern in einer gemeinsamen Wohnung.“

„Noch vor Ort haben wir uns beide von Tinder abgemeldet“

Anonym, 53: „Er ist Münchner, ich bin 'Zuagroaste', aber schon seit fast 30 Jahren in München. Um die Jahrtausendwende waren wir oft in den gleichen Kneipen und auf den gleichen Veranstaltungen. Bei der Nacht der Tracht zum Beispiel haben wir beide unsere Ex-Partner kennengelernt - mein jetziger Lebensgefährte und ich sind uns aber nie über den Weg gelaufen. Wir haben uns erst Jahrzehnte später über eine App gefunden. 

Da datete ich schon seit etwa drei Jahren online, mit einigen Pleiten und Pannen: Einmal hatte ein Mann gewettet, mit einem falschen Profilbild mehr Dates zu bekommen. Trotzdem suchte ich weiter. Im August 2021 hatte ich wieder ein 'Match' und wir verstanden uns gut. Wir chatteten, telefonierten, dann kam der erste Videoanruf. Im Oktober hatten wir dann unser erstes Date. Da haben wir uns getroffen und es hat gefunkt. Noch vor Ort haben wir uns beide von Tinder abgemeldet.“

„Es war der Mann, der sich Tage zuvor im Hof gesonnt hatte“

Julia Mittmann, 55, mit Christoph: „Ich war alleinerziehend mit meiner eineinhalbjährigen Tochter und gerade umgezogen. Ich arbeitete von zu Hause aus und hatte kaum soziale Kontakte. Eines Tages im Sommer 2006 saß ich mit einer Nachbarin im Hinterhof unseres Hauses. Da sonnte sich ein fremder Mann und meine Nachbarin fragte mich, ob ich noch einmal eine Beziehung haben wolle. Ich sagte: 'Ja, einmal würde ich es noch versuchen. Aber ich müsste ihn im Treppenhaus treffen, ich bin ja nur zu Hause oder hier im Hof.' 

Etwa zwei Wochen später bat mich eine andere Nachbarin, in den Pfingstferien die Blumen auf dem Balkon zu gießen. Als eines Abends Licht in der Wohnung brannte, öffnete ich, um nach dem Rechten zu sehen. In der Wohnung stand Christoph, der Bruder meiner Nachbarin. Es war der Mann, der sich Tage zuvor im Hof gesonnt hatte. Ich lud ihn auf einen Kaffee ein, er brachte einen Kuchen mit. 

Das ist jetzt fast 17 Jahre her, wir sind verheiratet und haben eine gemeinsame Tochter. Meine erste Tochter hat mein Mann adoptiert.“

„Wir hatten so viel Spaß, dass wir fast die Ausgangssperre verpasst hätten“

Valeria Fisher, 32, mit Sam: „Sam und ich haben uns bei einem amerikanischen Thanksgiving-Dinner in München kennengelernt. Er war der Gastgeber, ich die Begleitung eines Klavierschülers von Sam. Während des Essens stellten wir schnell fest, dass wir schon viel Zeit an gemeinsamen Orten verbracht hatten: Wir sind beide Amerikaner, aber ich bin in Deutschland aufgewachsen. Zum Studium zog es mich nach Washington, wo Sam damals lebte. Er ist Pianist und trat auch an meiner Uni auf. 

Später zog er zum Studium nach Kaiserslautern, wo ich aufgewachsen bin, bevor es uns beide nach Seattle verschlug - gleichzeitig, aber natürlich ohne uns zu kennen. Erst in München haben wir uns getroffen. 

Nach unserem Thanksgiving-Dinner hatten wir nur sporadisch Kontakt, bis wir uns 2021 während der Pandemie auf Tinder wiederfanden. Wir gingen an der Isar spazieren und hatten so viel Spaß, dass wir fast die Ausgangssperre verpasst hätten. Auch unsere Hochzeit feierten wir an der Isar.“

Text: Anne Eberhard, Digitales Storytelling: Katja Schnitzler, Redaktion: Martin Moser, Illustration: Christian Tönsmann