Chronologie

München im Ausnahmezustand – was wann geschah

Am frühen Morgen brennt ein Wohnhaus im Stadtteil Lerchenau, der Tatverdächtige stirbt, und das Oktoberfest wird gesperrt. Der zeitliche Ablauf im Überblick.

1. Oktober 2025 | Lesezeit: 6 Min.

Mittwoch, 1. Oktober

4.42 Uhr

Bei der Münchner Polizei geht ein Notruf ein: Anwohner im nördlichen Stadtteil Lerchenau sehen Flammen und hören explosionsartige Geräusche oder Schüsse.

4.51 Uhr

Die ersten Polizisten und Feuerwehrleute treffen ein und finden ein Einfamilienhaus in Flammen vor, nahe der Kreuzung Lerchenauer Straße/Glockenblumenstraße. In der näheren Umgebung brennen zwei Autos und ein Lieferwagen.

gegen 5 Uhr

Mit einer Leiter kann eine 21-Jährige aus dem ersten Stock gerettet werden. Eine 81-Jährige wird beim Gebäude geborgen: Sie hatte sich mit einer Schussverletzung vor dem Haus versteckt.

Gespannte Drähte weisen auf Sprengfallen hin. Daher beginnen die Einsatzkräfte, Wohnhäuser in einem Radius von 200 Metern um die Ecke Glockenblumen-/Waldmeisterstraße zu evakuieren.

Bombenexperten des Landeskriminalamts treffen ein, die auf das Entschärfen von Sprengfallen spezialisiert sind. Solange unklar ist, welche Gefahren auf die Einsatzkräfte lauern, können sie sich dem brennenden Haus nicht nähern, über dem eine große Rauchwolke steht.

zwischen 5 und 6 Uhr

Ein Polizeihubschrauber kreist über dem Viertel und verfolgt einen Tatverdächtigen, der einen Rucksack trägt, bis zum Lerchenauer See. Dort habe sich der Mann das Leben genommen, wird die Polizei am frühen Abend berichten.

7.08 Uhr

Zum Beginn des Berufsverkehrs ruft die Polizei unter anderem über X auf, wegen der erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen die Lerchenau weiträumig zu umfahren. Die S-Bahnen der Linie 1 halten nicht in Feldmoching und in der Fasanerie. Zahlreiche Buslinien werden gestrichen oder umgeleitet.

7.46 Uhr

Kurz vor Schulbeginn meldet die Polizei, dass die etwa einen Kilometer Luftlinie vom Tatort entfernte Toni-Pfülf-Mittelschule für die Dauer des Einsatzes gesperrt bleibt.

8.22 Uhr

Die Polizei informiert zunächst nur darüber, dass eine verletzte Person gefunden wurde, „die im Zusammenhang mit den Geschehnissen stehen könnte“. Der Verwundete sei am Lerchenauer See entdeckt worden, eine knappe Viertelstunde zu Fuß vom brennenden Gebäude entfernt.

8.49 Uhr

Auf der Website indymedia.org wird ein angebliches Antifa-Schreiben veröffentlicht. Die Polizei prüft routinemäßig einen Zusammenhang, geht aber von einem Familienstreit aus: „Nach aktuellem Kenntnisstand wurde das Wohngebäude im Rahmen eines Familienstreits vorsätzlich in Brand gesetzt.“ Zudem sind einige Angaben in dem angeblichen Bekennerschreiben nachweislich unzutreffend. Später wird das Schreiben als Werk von Trittbrettfahrern entlarvt.

9.05 Uhr

Im Beruflichen Schulzentrum Nordhaide an der Schleißheimer Straße 510 wird eine Akutbetreuungsstelle für die Anwohner eingerichtet, berichtet die Feuerwehr.

9.10 Uhr

Die Polizei teilt mit, die verletzte Person sei gestorben. Eine weitere Person werde vermisst, „von welcher keine Gefahr ausgeht“.

9.18 Uhr

Im brennenden Haus wurden Sprengfallen gefunden, Bombenexperten sollen sie entschärfen, heißt es im Whatsapp-Kanal der Münchner Polizei.

etwa 9.30 Uhr

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kommt in die Vollversammlung des Stadtrats und informiert darüber, dass es eine „verifizierte Sprengstoffdrohung“ gegen das Oktoberfest gebe, die im Zusammenhang mit den Explosionen am Morgen in der Lerchenau stünden. Das Festgelände bleibe geschlossen bis mindestens 17 Uhr. Die ÖDP möchte über die überfüllte Wiesn am vergangenen Samstag sprechen, ihrem Dringlichkeitsantrag wird nach kurzer Debatte stattgegeben.

9.45 Uhr

Auf dem Festgelände ertönen über Lautsprecher Durchsagen, dass das Gelände verlassen werden muss. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich schon Lieferanten, Bedienungen und Schausteller dort. Die Polizei beginnt, die Theresienwiese abzusuchen.

10 Uhr

Zur üblichen Einlasszeit warten an den Zugängen zur Wiesn Menschen, die von der Sprengstoffdrohung noch nichts mitbekommen haben. Nach einigen Minuten Ratlosigkeit fangen die Ordner an, die Leute nach Hause zu schicken.

10.05 Uhr

Nach einer etwa viertelstündigen Pause tritt die Vollversammlung des Stadtrats wieder zusammen und beschließt, die Debatte über die überfüllte Wiesn doch zu verschieben angesichts der aktuellen Lage in der Stadt.

10.10 Uhr

Am Ost-Eingang fährt ein Polizeibus vor. Maskierte Polizisten steigen aus und schicken die Leute weg. Sie drängen die wartenden Menschen hinter den Bavariaring zurück. Einer ruft: „Räumt den Platz! Das ist kein Spaß! Keine Fotos, keine Videos!“ Die Stimme im Lautsprecher auf dem Gelände wird bestimmter: „Die Wiesn ist bis 17 Uhr geschlossen. Bitte verlassen Sie sofort das Gelände.“

10.36 Uhr

Bedienungen und Schausteller verlassen weiterhin in Gruppen die Theresienwiese. Aus einem Lautsprecher heißt es auf Deutsch und Englisch: „Aufgrund einer Bombendrohung ist das Oktoberfest bis vorerst 17 Uhr geschlossen.“

gegen 11 Uhr

Oberbürgermeister Dieter Reiter informiert über Instagram, weshalb die Wiesn vorerst geschlossen bleibt und dass die Polizei alles versucht, das Gelände bis 17 Uhr vollständig abzusuchen. „Wenn das nicht der Fall ist, werde ich mich wieder melden, dann wird die Wiesn heute gar nicht eröffnet“, so Reiter, und: „Tut mir leid, anders geht es nicht, Sicherheit geht vor.“

11.04 Uhr

Ein Alarm wegen „extremer Gefahr“ für ganz München wird über das Cell-Broadcast-System des Bundes an alle empfangsfähigen Smartphones herausgegeben. Urheber ist die Integrierte Leitstelle München. Parallel lösen die Warn-Apps Katwarn und Nina aus. Dass die Warnsysteme erst so spät Alarm schlagen, erklärt ein Pressesprecher der Feuerwehr München später damit, dass in der Lerchenau verschiedene Sprengsätze gefunden wurden und ein angebliches Bekennerschreiben von Trittbrettfahrern aufgetaucht sei. 

In der Kürze der Zeit sei schwer abzuklären gewesen, wie ernst die Lage gewesen sei, deshalb habe man sich für die Alarmierung entschieden.

11.50 Uhr

Die Berufsfeuerwehr berichtet auf der Plattform X, dass die im Haus entdeckten Sprengfallen derzeit von Experten entschärft werden. Sie müssen vorsichtig vorgehen, das Haus soll mittlerweile einsturzgefährdet sein.

zwischen 12 und 12.30 Uhr

Ein Spezialeinsatzkommando stürmt ein Wohnhaus in Starnberg, in dem der Tatverdächtige lebte. Es soll sich um einen Handwerker handeln.

12.32 Uhr

Die Polizei bestätigt, dass sie davon ausgehe, dass es sich bei der toten Person am Lerchenauer See um den Tatverdächtigen handle, berichtet die dpa. „Wir kommen aber im Moment noch nicht ran, weil wir auch da Spezialkräfte brauchen, die zuständig sind für Entschärfungen“, heißt es.

13.30 Uhr

Ein Polizeisprecher berichtet, dass die Sprengstoffhunde auf der Theresienwiese Verstärkung aus ganz Bayern bekommen sollen. Und: Von einer Gefahr jenseits der Lerchenau und der Theresienwiese gehe man nach aktuellem Stand nicht aus. Für besorgte Münchnerinnen und Münchner wird ein Bürgertelefon eingerichtet.

13.32 Uhr

Nahe dem Tatort wird ein auffälliger Gegenstand gefunden, „dieser bedarf noch der Abklärung“, heißt es von der Polizei. Erneut werden Nachbarn in Sicherheit gebracht. Der Verdacht: Es könnte sich um einen weiteren Sprengsatz handeln.

Ein Mitglied der Spurensicherung untersucht den ausgebrannten Transporter.
Ein Mitglied der Spurensicherung untersucht den ausgebrannten Transporter.

14.30 Uhr

Die Münchner Polizei veröffentlicht Details zu der blutigen Gewalttat, die sich am Morgen innerhalb einer Familie abgespielt hat. Bei dem Toten, dem mutmaßlichen Täter, handle es sich um einen 57 Jahre alten Mann aus Starnberg. Die beiden verletzten Frauen im Krankenhaus sind die Mutter und die Tochter des Tatverdächtigen. Eine weitere Person werde noch immer vermisst. Der Vater des Verdächtigen wohnte ebenfalls im Lerchenauer Haus.

15 Uhr

Noch läuft die Durchsuchung des Wiesn-Geländes mit fast 30 Sprengstoffhunden, bis zum Nachmittag wurde „nichts Auffälliges“ gefunden. Ob das Oktoberfest aber in zwei Stunden öffnen kann, ist weiterhin nicht klar – die Verantwortlichen beraten gerade darüber.

15.36 Uhr

Die Betreiber der Fahrgeschäfte und Stände erhalten eine SMS: Sie dürfen heute noch aufmachen. Auch die ersten Bedienungen laufen wieder auf die Theresienwiese. Und Oberbürgermeister Dieter Reiter gibt auf Instagram Entwarnung: „Die Polizei hat mich gerade informiert, dass es aus deren Sicht unbedenklich ist, wenn die Wiesn fortgesetzt wird.“ Das Oktoberfest kann um 17.30 Uhr wieder öffnen.

17.05 Uhr

In einer Pressekonferenz gibt die Polizei weitere Details bekannt – auch, dass Drohnenaufnahmen gezeigt haben, dass ein lebloser Körper im zerstörten Haus in der Lerchenau liegt. Man gehe davon aus, dass es sich um den vermissten Vater des Verdächtigen handelt, den 90 Jahre alten Hausbesitzer. 

Als Motiv sieht die Polizei Familienstreitigkeiten, weshalb der 57-Jährige das Gebäude mit Sprengfallen versehen und angezündet habe – zudem hinterließ er einen Brief mit Drohungen gegen das Oktoberfest.

17.30 Uhr

Mit siebeneinhalb Stunden Verspätung öffnet die Wiesn. Und als wäre nie etwas gewesen, rennen die Menschen in Richtung der Zelte auf der Suche nach den besten Plätzen.

Text: Katja Schnitzler, Martin Bernstein; Digitales Storytelling: Katja Schnitzler; Fotos: Robert Haas, dpa; Infografik: Julia Kraus; Redaktion: David Costanzo, Katja Schnitzler

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