München 

Eine ganz besondere Wahl

Die Bürger lassen sich von der Corona-Krise nicht vom Wählen abhalten. Die meisten Wahlpartys sind abgesagt. Ein Tag in Bildern. 

Trotz der Corona-Krise hat Münchens Oberbürgermeister die Wähler ermuntert, zur Wahl zu gehen. Auf Facebook schreibt Dieter Reiter (SDP): "Bitte machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch". In den Wahllokalen würden Waschbecken und Seife zur Verfügung stehen. Doch dass diese Tage außergewöhnlich sind und sich das Leben in der nächsten Zeit sehr stark ändern wird, weiß auch Reiter. "München wird sich auf eine Zeit einrichten müssen, wie wir sie schon sehr lange nicht mehr hatten oder noch nie."

Bereits in den letzten Tagen waren die ersten Auswirkungen der Krise zu spüren: Schulen wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt - auch die Wahlpartys der Parteien wurden gestrichen, zuletzt gab es auch keine Infostände mehr auf den Straßen der Stadt.  

Dennoch: Die Bürger haben ihre Stimme abgegeben - per Briefwahl aber auch in den Wahllokalen. Bereits am frühen Nachmittag war die Wahlbeteiligung in Bayern höher als vor sechs Jahren. 

Katrin Habenschaden

Von den drei Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters ist Katrin Habenschaden als erste im Wahlbüro. Sie ist mit ihrem Mann Björn zum Wählen in die Grundschule Gotzmannstraße in Aubing gekommen, auch ihr 14-jähriger Sohn begleitet sie. Um 10.09 Uhr betritt sie die Wahlkabine; wie sie kurz darauf die Stimmzettel einwirft, wird von einem halben Dutzend Fotografen und Kameraleute dokumentiert. Sie habe ihren eigenen Stift dabei gehabt, verrät die OB-Kandidatin der Grünen hinterher.

Der Tag sei für sie von „gemischten Gefühlen“ geprägt – einerseits freue sie sich, dass ein intensiver Wahlkampf zu Ende gehe, andererseits teile sie die Sorgen vieler Münchnerinnen und Münchner wegen des Coronavirus. Und nun, da die Bürgerpflicht erledigt ist? „Ich glaub‘, jetzt zieh‘ ich meine Schuhe an und lauf‘ mal zehn Kilometer“, sagt sie. „Das kann ich brauchen.“

Kristina Frank bei der Stimmabgabe

Als die Oberbürgermeister-Kandidatin der CSU gegen 10.30 Uhr mit Mann und Sohn an ihrem Wahllokal eintrifft, faltet sie die Hände vor der Brust, neigt den Kopf und zitiert statt Händeschütteln den Yoga-Gruß „Namasté“. 

Wie die Stimmung bei den Bürgern tatsächlich ist, sei angesichts der aktuellen Entwicklung rund um das Coronavirus noch schwerer einzuschätzen als vor allen anderen Wahlen, sagt Frank. „Da fehlt mir jeder Kompass.“ Der Wahlkampf und die Stimmung in der Stadt hätten sich in den vergangenen Tagen nochmals rapide verändert, sagt Frank. 

Ihre Gefühle am entscheidenden Tag nach vielen Monaten Wahlkampf beschreibt Frank mit einem Reisebild. „Es ist wie wenn man in einem Nachtzug eine lange Fahrt hinter sich hat und nicht weiß, ob man in der schönsten Stadt aussteigen darf.“ 

Dieter Reiter bei der Stimmabgabe:

Oberbürgermeister Dieter Reiter kommt um 13.30 Uhr mit seiner Frau Petra ins Wahllokal an der Meindlstraße in Sendling. Zu Fuß, die Presse wartet schon vor der Tür der Schule. "Grüß Gott beinand'", sagt der SPD-Politiker, der aufgeräumt wirkt, obwohl er zuvor erneut drei Stunden im städtischen Corona-Krisenstab verbracht hat.

Am Nachmittag gebe es weitere Gespräche mit der Staatsregierung.
Danach will er zu Hause auf dem Sofa mit der Familie die Auszählung verfolgen. 

Pressekonferenz von Dieter Reiter

Dieter Reiter steht umringt von einer Traube Journalisten am Harras und beantwortet Fragen. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, wie die OB-Wahl ausgehen wird. Fest steht nur: Reiter muss in die Stichwahl. 

Im Würmtal

Das Coronavirus hat nicht nur den Wahlkampf der drei OB-Kandidaten und der Kandidaten für Stadt- und Bezirksräte durcheinander gewirbelt. Auch für die Wähler ist die Situation besonders. So werden etwa, wie hier im Würmtal, die Wahlkabinen gründlich desinfiziert.

Wahlbeteiligung:

Die Bürger gehen trotzdem wählen - ob vorab per Briefwahl oder am Sonntag in den Wahllokalen. Insgesamt zeichnet sich in Bayern eine höhere  Wahlbeteiligung ab als vor sechs Jahren - in München dürfte sie schon am frühen Nachmittag überschritten worden sein. 2014 haben 42,1 Prozent der wahlberechtigten Bürger abgestimmt - diesmal sind es schon um 14 Uhr 41,9 Prozent, um 15 Uhr bereits 44,2 Prozent. Der Zuwachs geht wohl wesentlich auf die Briefwahl zurück, die im Zuge der Corona-Krise diesmal deutlich höher ist als vor sechs Jahren.

Garching

Die Kommunalwahl ist wohl die komplizierteste Wahl. In München etwa können die Bürger bei der Stadtratswahl 80 Stimmen vergeben, maximal drei für einen einzelnen Bewerber. Das führt zu großen Stimmzetteln, die dann wiederum beim Auszählen erst mal auseinandergefaltet werden wollen. 

Auszählung in der Messe

Abstand sollen die Bürger voneinander halten, ein Meter wäre gut, heißt es in den letzten Tagen von Politikern und Experten immer wieder. In der Messe, in der am Wahlsonntag die Stimmzettel der Briefwahl ausgezählt werden, drängen sich hingegen die Wahlhelfer dicht an dicht.

Ziemlich kurzfristig hat die Stadt am Samstag noch versucht, Wahlhelfer aufzutreiben: per Zwangsrekrutierung der städtischen Lehrerinnen und Lehrer. Unter betroffenen Lehrern ging daraufhin offenbar Angst vor Ansteckung um.

In der Messe

Mit Handschuhen ausgestattet hilft diese Frau in der Messehalle, die Auszählung der Briefwahlunterlagen vorzubereiten. Nur wenige Helfer nutzten offenbar die Möglichkeit, sich bei den ausliegenden Handschuhen zu bedienen.

Bei der SPD

Normalerweise geht es auf Wahlpartys anders zu. Die Parteimitglieder, Anhänger und Journalisten drängen sich dicht aneinander. Sobald erste Trends feststehen, wird lauthals gejubelt oder betroffen geguckt. An diesem Abend ist alles anders: Die Partys sind schon seit Tagen abgesagt. Claudia Tausend von der SPD trifft sich mit Parteigenossen im kleinsten Kreis im Wirtshaus am Schlachthof.

Bei den Freien Wählern

Die meisten Parteien haben ihre Wahlpartys wegen der Ausbreitung des Coronavirus abgesagt. Nicht so die Münchner Freien Wähler. Sie warten seit 17 Uhr im Giesinger Bräustüberl auf das Wahlergebnis. Rein kommt aber nur, wer sich vorher die Hände desinfiziert. Aufs Händeschütteln wird heute Abend verzichtet, auch darauf wird am Eingang hingewiesen. OB-Kandidat Hans-Peter Mehling ist nicht aufgeregt, aber gespannt auf das Ergebnis. Der Stadtvorsitzende und Minister Michael Piazolo ist auch gekommen, kurz zuvor saß er noch in einer Krisensitzung zu Corona.

Die München-Liste:

"Ich freue mich, dass jetzt ruhigere Zeiten anbrechen, der Wahlkampf war persönlich schon sehr anstrengend", sagt Höpner am Telefon. Auch seine Vereinigung hat die Wahlparty abgeblasen. 15 Leute aus dem engsten Kreis haben sich im Hansa-Haus an der Brienner Straße versammelt für "eine kleine Wahlfeier", wie Höpner es nennt.