Moment mal
15. April 2022
-
15 Min. Lesezeit
Das Erste, was Karlheinz Geißler sieht, ist eine Sonne an der Wand. Sie ist alles, was er zum Aufwachen braucht. Grapefruitfarbene Pinselstriche, das Gemälde eines zeitgenössischen Künstlers. Was er nicht sieht: Zahlen, Zeiger, Zifferblatt. Was er nicht hört: Ticken, Weckerklingeln, Radio. Es ist still in seiner Wohnung im Münchner Norden. Die Gärtner nebenan schieben Topfpflanzen übers Pflaster, direkt vors Fenster haben sie Kirschlorbeer gestellt, das hat Geißler sich gewünscht. Draußen kann man die echte Sonne im Nebel nur erahnen. Es ist Vormittag, so viel weiß Karlheinz Geißler, auch wenn er seit Jahrzehnten ohne Uhr lebt.