Wer eine Veränderung durchmacht, sucht sich eine neue Frisur aus. So heißt es oft. Vielleicht stehen die Menschen deshalb vor den Barbershops „Prinz“ und „Karisma“ in langen Schlangen die Müllerstraße entlang. Weil sie nicht nur die Löckchen hinter den Ohren loswerden wollen. Sondern weil sie auch diese ganze zähe Corona-Zeit hinter sich lassen wollen. Als könne man mit einer neuen Frisur auch einen neuen Abschnitt beginnen. Neue Haare, neuer Monat, neues Glück. In den Münchner Friseursalons „Dressler“ und „Pony und Kleid“ in Schwabing klingeln seit Wochen die Telefone. Alle wollen Termine – möglichst sofort. Den ganzen Tag über werden Anrufer fragen, ob man „sie nicht spontan dazwischenquetschen“ könne. Aber Quetschen und Corona-Zeit passen nicht zusammen.
Wer heute einen Haarschnitt bekommt, hat sich lang vorher darum gekümmert. Dementsprechend hatten die Kundinnen und Kunden viel Zeit, sich zu überlegen, was sie wollen. Manche wünschen sich Strähnchen, andere einen Pony oder eine Haarverlängerung. Eine Kundin hätte gern Pfirsich auf dem Kopf – eine Farbe irgendwo zwischen Pink und Orange. Die Allermeisten wollen einfach Normalität zurück. Also die Haarschnitte und Farben, die sie schon seit Jahren tragen. Eine Kundin, die immer knallrotes Haar trägt und lockdown-bedingt einen etwa vier Finger breiten braunen Ansatz hat, guckt sich im Spiegel an und sagt: „Oh Gott, seh ich krass aus.“ Ihre Kollegen seien nett zu ihr gewesen, hätten gesagt „Ist doch gar nicht so schlimm“, erzählt sie. Aber für sie war klar, dass sie zum Friseur muss, so schnell es geht. Sie will wieder Knallrot, sie will wieder die Alte sein. Im „Pony und Kleid“ häufen sich im Laufe des Tages nicht nur die Haarbüschel, sondern auch die Geschenke. Eine Kundin bringt Äpfel und Birnen vorbei. Eine andere hat Tulpen geschickt, eine Dritte Pralinen. Die Freude ist groß, dass sie endlich wieder da sind, die Friseure.